Bull-Shit
Ich bin mittlerweile seit zehn Jahren bei Schwatzgelb.de. Das gehört definitiv zu den schöneren Wendungen in meinem Leben, weil ich darüber viele coole Leute kennengelernt habe. Und weil ich eigentlich erst hier meine Liebe zum Schreiben entdeckt habe. Mittlerweile steht da unterm Strich eine ganz stattliche Liste von Texten. Auf manche bin ich stolz, auf einige auch, zumindest im Nachgang, nicht. Aber ich habe sie eigentlich immer geschrieben, weil ich Lust darauf hatte. Weil mich an dem Thema irgendwas bewegt hat. Jetzt haben wir einen Schreiber für den Spielbericht gegen Salzburg gesucht und ich schreibe das erste Mal etwas wirklich mit Widerwillen. Weil ich mittlerweile in der Regel froh bin, wenn die 90 Minuten Gepöhle um sind und ich mich danach eigentlich gar nicht mehr gedanklich damit beschäftigen möchte.
Strich drunter, abhaken. Am liebsten schon unter die gesamte Saison. Ich liebe den BVB, wirklich. Aber ich liebe auch den Fußball und wenn ich ins Stadion gehe, dann möchte ich auch irgendeine Art von Fußball, sei es technisch, sei es kämpferisch, sehen, die mich berührt und anspricht. In dieser Saison macht mich die Mehrzahl der Spiele allerdings vor allem eins: wütend. Wütend über eine Schnarchigkeit, über Planlosigkeit, über taktische Unzulänglichkeiten, über saftloses Zweikampfverhalten und über individuelle, haarsträubende Fehler.
Warum, zum Teufel, muss sich der eigentliche Stoßstürmer Batshuayi Bälle an der Außenbahn erobern, um sie dann im Knubbel mit Götze und Schürrle hoch in die Mitte zu wuchten, wo Marco Reus alleine gegen zwei Innenverteidiger etwas mit einer Flanke anfangen soll? Das kann doch nicht geübt und gewollt sein und die Spieler selber müssten merken, dass das eine völlig sinnfreie Idee ist.
Wieso lässt sich ein erfahrener Abwehrspieler mit über 200 Bundesligaspielen an der Grundlinie von einem ein Kopf kleineren Gegner abdrängen und hält ihn dann so lange und so offensichtlich, dass dem Schiedsrichter im Strafraum gar nichts anderes übrig bleibt, als Elfmeter zu geben?
Warum guckt man beim Ballverlust im Mittelfeld lieber mit einer Mischung aus Verzweifelung und Wir-sind-die-Wauzis-Dackelblick zum Schiedsrichter in der Hoffnung, dass er mit Verzögerung dann doch noch auf Freistoß entscheidet - was ein Schiedsrichter natürlich nie tut – anstatt aufzustehen und zu versuchen, sich den Ball wieder zu holen? Und weitergehend die Frage, wohin die anderen Mitspieler gucken, während der Gegner zum Tor läuft und den Ball unter die Latte nagelt.
Warum schaffen es gestandene Nationalspieler nicht, einen Ball über vier Meter hinweg in die richtige Richtung und mit der richtigen Geschwindigkeit zum Mitspieler zu passen?
Warum muss Roman Bürki bei einem 1:2 Rückstand in der Nachspielzeit eines Europapokalheimspiels bei einem Abstoß noch wild mit den Armen rudern, um seine Vorderleute zu animieren, doch nach vorne zu laufen, damit sie vielleicht doch noch einen letzten Angriff starten können?
Was macht eigentlich Peter Stöger so während des Spiels? Es muss doch von der Trainerbank irgendein Impuls, eine Veränderung geben, wenn ein Gegner, der nun wirklich nicht aus der Belle Etagé des europäischen Fußballs kommt, phasenweise taktisch turmhoch überlegen ist und die eigenen Spieler „laufen lässt“.
Warum hüpfen unsere Offensivspieler bei langen Bällen mit zwei Metern Sicherheitsabstand zum Gegner alibimäßig kurz in die Luft? Sie haben überhaupt keine Chance, an den Ball zu kommen und ein Fleißkärtchen für „Zweikampfführung“ gibt es auch nicht. Das ist nichts.
Und zu guter Letzt die Frage: Was haben wir eigentlich noch im Europapokal verloren? Es ist ja nicht so, als wäre der Auftritt gestern die absolute Ausnahme in dieser Saison gewesen. Dass wir mit legendären 2 Pünktchen in der Champions-League überhaupt noch international vertreten sind, ist ein Treppenwitz der Champions-League-Geschichte. Und auch beim Rückspiel gegen Bergamo war viel mehr Dusel als Können im Spiel. Wenn wir im Rückspiel endgültig ausscheiden, dann war das erstens verdient und zweitens offen gesagt auch schon längst überfällig.
Achja, die Chronistenpflicht gebietet es natürlich, auch unseren Treffer zu erwähnen. Der Spielzug über Pulisic auf der Außenposition, gefolgt von einer gut getimten, flachen Flanke in der richtigen Schärfe zentral vors Tor, die Schürrle reinstochert, war einer der wenigen Momente, in denen man das Gefühl hatte, dass dort Spieler mit Plan und Entschlossenheit zu Werke gingen. Es geht doch. Manchmal wenigstens.
Natürlich, all das hat seine vielfältigen Gründe und für die kommende Saison werden auf vielen Ebenen deutliche, personelle Konsequenzen erfolgen müssen, wenn man für den ganzen (finanziellen) Aufwand wieder einen entsprechenden Gegenwert auf den Platz zaubern möchte. Das wird alles andere als trivial. Aber das interessiert mich während der 90 Minuten zwischen An- und Abpfiff nicht. In dieser Zeit möchte ich etwas anderes sehen als dieses Festival der Unzulänglichkeiten.
Jetzt aber wirklich den Schlussstrich drunter. Und anfangen zu hoffen. Darauf, dass es Sonntag gegen Frankfurt besser wird. Dass ich Antworten auf meine Fragen finde.
BVB: Bürki – Castro, Sokratis, Toprak, Schmelzer – Weigl, Dahoud – Schürrle, Götze, Reus – Batshuayi.
Einwechselungen: 61. Minute Philipp für Batshuayi und Pulisic für Götze.
Salzburg: Walke – Lainer, Ramalho, Caleta-Car, Ulmer – Haidara, Samassekou, Berisha, Schlager – Hwang, Daboour
Sascha, 09.03.2018