Torloser Tanz mit dem Wolf
Warm-Up
Frohes Neues, und so! Nach einer eher zu kurzen Winterpause und einem vor allem gesundheitlich holprigen Trainingslager in Marbella, stand für den BVB und Peter Stöger nur zwei Wochen nach Jahreswechsel das erste Pflichtspiel des Jahres an. Mit neun Mann litt im warmen Spanien fast eine komplette Mannschaft unter Magen-Darm-Beschwerden - Quarantäne und leichte Tuchel-Kost halfen bei der raschen Genesung für Weidenfeller und Co. Sportlich konnte die Vorbereitung mit zwei Testspiel-Siegen überwiegend erfolgreich gestaltet werden, wobei die Defensive vor allem im Duell mit Zulte in der ein oder anderen Situation noch wiederholt Schwächen offenbarte. Ein Heimsieg gegen die formschwachen Gäste aus Wolfsburg war fest eingeplant - der positive Schwung des Stöger-Effekts sollte mit ins neue Jahr genommen werden. Die Wölfe gewannen unter Coach Martin Schmidt nur eine der letzten fünf Partien, standen eher schlecht als recht auf Tabellenplatz 14. Sieg? Pflicht!
Taktik & Personal
Den ersten Paukenschlag gab es schon eine knappe Stunde vor Anpfiff. Aubameyang wurde erneut aus „disziplinarischen Gründen“ aus dem Kader gestrichen, an seiner Stelle durfte Alexander Isak starten. Auch der 17-jährige Jadon Sancho wurde für seine guten Trainingsleistungen belohnt und durfte ebenfalls von Beginn an ran. Auch das Fehlen von Pulisic aufgrund muskulärer Probleme lieferte Stöger einen Grund mehr, von Anfang an auf den Ex-Citizen aus Manchester zu vertrauen. Nebst Debüts gab es auch ein Comeback zu feiern - Piszczek feierte nach dreimonatiger Verletzungspause seine Rückkehr auf den Rasen.
Erste Hälfte
Mit mindestens drei Treffern Unterscheid gewann der BVB die letzten drei Vergleiche mit den Wölfen - auf einen ähnlichen Erfolg hoffte Schwatzgelb auch im ersten Heimspiel des neuen Jahres. Mit junger Offensivpower, aber ohne ihren erfolgreichsten Torschützen begannen die Gastgeber die Partie gegen relativ offensiv eingestellte Gäste engagiert aber kontrolliert. Gleich zu Anfang schön zu sehen: Rekonvaleszent Piszczek fiel auf, versuchte in der ersten Viertelstunde mehr oder weniger erfolgreich die so sehnsüchtig vermissten Durchmärsche auf rechts außen zu initiieren. Mutig und inspiriert waren auch die anfänglichen Bemühungen der beiden Debütanten Sancho und Isak. Letzterer war äußerst fokussiert und aufmerksam unterwegs, als Wolfsburgs Uodukhai seinen Nebenmann
Tisserand mit einem riskanten Zuspiel äußerst in Bedrängnis brachte und der junge Schwede beinahe Nutznießer wurde. Der englische Youngster Sancho war sichtlich darum bemüht einen guten Eindruck zu hinterlassen, suchte häufig das Dribbling und war darum bemüht seine Stärken im Eins-gegen-Eins auszuspielen - in den meisten Fällen jedoch mit noch mäßigem Erfolg.
Die Gäste aus der VW-Stadt spielten munter mit, vergruben sich nicht in der eigenen Hälfte und versuchten nach ihren Möglichkeiten über Brekalo, Arnold und vor allem Außenverteidiger William in der Offensive aktiv zu werden. Die größte Möglichkeit zur plötzlichen Führung konnte Daniel Didavi in Minute 37 allerdings nicht verwerten - nach feiner Hackenvorarbeit von Yunus Malli scheiterte der Ex-Stuttgarter am stark reagierenden Bürki. Kurz vor der Halbzeit verbuchte der BVB selbst eine nicht minder gute Chance zur Führung: Nach starkem Zuspiel von Götze verarbeitete Isak den Ball technisch stark und scheiterte nur knapp am rechten Außenpfosten. Das erste dicke Ausrufezeichen des schwedischen Jungnationalspielers.
Zweite Hälfte
Auf beiden Seiten unverändert kamen die beiden Teams aus der Kabine, mit dem ersten guten Angriff des zweiten Spielabschnitts produzierte Yarmolenko wohl auch den Fehlschuss der Rückrunde - völlig freistehend verfehlte der Ukrainer aus fünf Metern das Tor und beförderte den Ball über die Querlatte. Nur wenige Minuten später knallte Sancho, übrigens historisch der erste Engländer in der Startelf des BVB, das Leder aus kurzer Distanz an den linken Außenpfosten. Die Borussia machte Dampf, für Götze betrat in Minute 56 Dahoud positionsgetreu den Platz. Wolfsburg trat offensiv wenig in Erscheinung, wenn vor dem Tor aber direkt gefährlich. Nach feinem Steilpass Guilavogui’s blieb Bürki vor Origi lange stehen und der Belgier konnte die Chance nicht zur Führung der Gäste verwerten. Mit zunehmender Spieldauer legte der VfL auch die letzte verbliebene Bescheidenheit komplett ab, brachte den erst vor einigen Tagen neu verpflichteten Renato Steffen für Daniel Didavi in die Partie und der Neuzugang war beinahe prompt erfolgreich. Nach Origi-Flanke strich der Kopfball des frisch Eingewechselten nur knapp links am Tor vorbei. Fun Fact: Die Neuverpflichtung war der 6000. Profi, der in der Bundesliga eingesetzt wurde. Wolfsburgs Aktivität sei Dank entwickelte sich in der Schlussphase ein offenes Spiel, als letzte Offensivoption brachte Peter Stöger Schürrle für Isak und anschließend Sahin für den äußerst unglücklichen Yarmolenko.
Das Ringen um den Lucky Punch bestimmte in den letzten zehn Spielminuten das Bild der Partie: Erst vergab erneut Sancho an der Strafraumkante aus aussichtsreicher Position, im Anschluss konnte Brekalo auf der Gegenseite einen Konter nicht vernünftig abschließen. Slapstick pur in Person von Wolfsburg-Keeper Casteels kurz darauf, als der Schlussmann aus seinem Kasten eilte und gegen Schürrle klärte und plötzlich kurz vor der Mittellinie stand - Sahin reagierte auf das laute Raunen im Stadion und schoss aus knappp 40 Metern erfolglos in Richtung Kasten.
Fazit
Viele gute Chancen, großer Aufwand - kaum Ertrag. So konnte man die torlose Nullnummer gegen die Wölfe zusammenfassen. Der BVB traf mehrmals Aluminium, vergab beste Chancen teilweise kläglich vor dem freien Tor und verpasste den wichtigen Heimsieg zum Jahresstart - allein Yarmolenko hätte drei Treffer markieren können. Mit ein wenig Glück hätten die Gäste auch mehr als nur einen Punkt aus dem Tempel mitnehmen können, hatten selbst mehrere aussichtsreiche Möglichkeiten - der beste Mann auf Borussen-Seite war eindeutig Schlussmann Roman Bürki.
Abseits
Stunden vor dem Anpfiff wurde Manuel Akanji, (noch) Innenverteidiger des FC Basel und Transferziel Nummer Eins des BVB, am Dortmunder Flughafen gesichtet. Nach der Partie bestätigte Michael Zorc beim Sky-Interview den so gut wie perfekten Transfer, sprach von „letzten kleinen zu klärenden Details“. Am Montag Nachmittag meldete die Borussia dann Vollzug. Der 22-jährige Schweizer Nationalspieler unterschreibt einen Vertrag bis 2022. „Manuel hat sich mit seinen Leistungen ins Visier mehrerer europäischer Topklubs gespielt, und wir sind glücklich, dass er sich für uns entschieden hat“, erklärte Sportdirektor Michael Zorc zum geglückten Spielerwechsel.
Abseits des Platzes gab es jedoch nicht nur positive Nachrichten - „Auba“ sorgte zum wiederholten Male für Unmut und Aufregung. Am Samstag wohl absichtlich einer enorm wichtigen Teamsitzung ferngeblieben, am Sonntag zum dritten Mal innerhalb eines Jahres suspendiert und disziplinarisch bestraft. Zurzeit scheint es tatsächlich nicht mehr unmöglich zu sein, dass die schwarzgelbe Tormaschine schon im Winter dem Ruhrpott den Rücken kehren muss. „Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht.“ Die Worte von Michael Zorc sprachen Bände über das mittlerweile nachhaltig zerrüttete Verhältnis zwischen dem Gabuner und der Vereinsführung.
Statistik
BVB: Bürki - Piszczek, Sokartis, Toprak, Toljan - Weigl, M. Götze (56. Dahoud), Kagawa - Yarmolenko (78. Sahin), Isak (68. Schürrle), Sancho
Wolfsburg: Casteels - Verhaegh, Uduokhai, Tisserand, William - Guilavogui, Arnold - Didavi (64. Steffen), Malli, Brekalo - Origi
Schiedsrichter: Tobias Stieler
Assistenten: Dr. Matthias Jöllenbeck, Christian Gittelmann
Vierter Offizieller: Christian Bandurski
Videoassistent: Marco Fritz
Tore: keine
Zuschauer: 80.600
Karten: Dahoud - Guilavogui
Torschüsse: 8:5
Ecken: 6:7
Ballbesitz:
Stimmen zum Spiel:
Peter Stöger:
„Ich bin nicht ganz zufrieden. Wir haben die klareren Chancen gehabt, wenn man die nicht verwertet, dann wird es gegen eine Mannschaft wie Wolfsburg gefährlich. Auch wenn wir näher dran waren, haben wir es über 90 Minuten nicht geschafft den Druck hochzuhalten. Wir hatten gute, aber auch schwächere Phasen. Wenn man die Klarheit nicht über 90 Minuten hat, ist das zu wenig. Am Ende fehlt ein Quäntchen Kaltschnäuzigkeit und Effektivität. Die Zielstrebigkeit war aber durchaus da. Wolfsburg ist keine Mannschaft, die man im Vorbeigehen besiegen kann.“
… zu Aubameyang:
„Er ist nicht im Kader, weil er gestern an einer sehr wichtigen Mannschaftssitzung - alle Jungs haben teilgenommen, auch die, die verletzt sind - ferngeblieben ist. Das hat zur Folge, dass ich momentan die Einschätzung habe, dass es ihm nicht ganz so wichtig ist, dass er nicht so fokussiert ist. Dann denke ich, muss man Konsequenzen ziehen. Er war trotzdem ein wenig überrascht; er hat das für sich nicht ganz so wahrgenommen. Wir konnten das heute durchsprechen, für uns ist das aber trotzdem eine klare Geschichte. Die Sitzung war klar kommuniziert. Wenn er da nicht dabei sein will, dann spielt ein anderer, der auf die wichtige Aufgabe fokussiert ist. Er hat kurz angedeutet, dass er es vergessen hätte, aber wir wissen alle, dass das nicht so der Fall ist. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht nachtragend bin. Aber ich reagiere, wenn ich denke, dass es etwas Wichtiges ist. Er kann sich nächste Woche wieder für die Mannschaft qualifizieren.“
Michael Zorc:
„Ich gehe davon aus, dass Aubameyang morgen wieder beim Training sein wird. Peter Störer hat die Abläufe vom Samstag ja bereits vor dem Spiel genau erklärt. Wir stehen voll hinter seiner Entscheidung, denn irgendwann ist ein Punkt erreicht, wo man es nicht mehr tolerieren kann. Genau dort sind wir nun angekommen. Bei einer Mannschaftssitzung zu fehlen, wo Abläufe für das Spiel am nächsten Tag besprochen werden, dann auch noch
vor so einer wichtigen Partie wie dem Rückrundenstart. Das bringt nicht nur Unruhe in die Mannschaft, das geht einfach nicht. Ich sehe das auch nochmal in einem anderen Kontext als der Trainer, schließlich war es das dritte Mal innerhalb eines Jahres, dass er wegen einer Undiszipliniertheit aus dem Kader gestrichen wurde. Wir haben heute auch ein sehr kontroverses Gespräch geführt. Ich weiß nicht, was da bei ihm im Kopf vorgeht. Das war nicht immer so, eigentlich war er immer ein sehr disziplinierter Spieler. Wir haben das als Verein nun mit der Suspendierung sanktioniert und natürlich auch monetär bestraft.“
Julian Weigl:
„Es war ein offenes Spiel, wir hatten aber gerade in der zweiten Halbzeit die Überhand. Insgesamt hatten wir viele klare Chancen, die wir leider nicht gemacht haben. Deshalb haben wir es vielleicht auch nicht verdient, drei Punkte mitzunehmen. Am Ende hat das Quäntchen Glück gefehlt. Wir waren heiß auf das Spiel und die Tore, aber so ist Fußball. Keiner vergibt Chancen mit Absicht. Gut ist, dass wir zu Null gespielt haben. Natürlich wollten wir mit einem Sieg starten und den Elan mitnehmen, aber wir haben noch genug Spiele. Wir müssen das Positive rausziehen, und dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken.“
Roman Bürki:
„Meine Vorderleute haben es mir recht einfach gemacht. Wir haben nicht viel zugelassen, das müssen wir mitnehmen. Klar, zwei bis drei Mal muss man immer damit rechnen, dass der Gegner mal durchkommt. Wir haben uns in der Offensive schwer getan und nicht das gezeigt, was wir können und von uns erwarten. Vielleicht lag es auch daran, dass wir viele junge Spieler auf dem Feld hatten. Die werden an so einem Spielen wachsen, das wird von Woche zu Woche besser. Sie haben gespürt, dass sie die Chance auf die erste Elf haben. Das müssen sie mitnehmen. Nächste Woche ist ein anderes Spiel, da werden wir alles reinhauen – vor allem in der Offensive.“
Martin Schmidt:
„Unter dem Strich war das ein etwas glückliches Ergebnis. Aber am Ende ist der Punkt gut für unser Selbstvertrauen.“
Boris, 15.01.2018