Serie

Stell dir vor, es ist Borussia - und du bist nicht da Teil III

14.08.2018, 00:00 Uhr von:  Sascha
Derby 2005 - pure Folter für die Nerven

Jeder Fußballfan kennt wohl diese Blicke, wenn man einem Nicht-Fan erzählt, was man für seinen Verein so anstellt. Selbst das Aufstehen an einem Sonntagmorgen um 8 Uhr für ein weiter entferntes Auswärtsspiel wird da schon mit diesem „armer Irrer“-Blick bedacht. Für uns selber ist das eigentlich nichts Besonderes. Es gibt aber Aspekte am Fansein, bei dem wir uns auch selber bewusst sind, dass wir ein wenig merkwürdig ticken.

Ich zum Beispiel bin ziemlich schizophren, was den Fußball angeht. Ich liebe an ihm seine Unwägbarkeit. Anders als bei vielen anderen Sportarten, in denen man viele Punkte oder Tore erzielen kann, entscheidet beim Fußball häufig genug ein einziges. So kann auch die unterlegene Mannschaft nach einem Grottenkick in der 90. Minute nach einer Ecke immer noch den 1:0-Siegtreffer machen und den vorherigen Spielverlauf auf den Kopf stellen. Und gleichzeitig hasse ich diese Spannung – zumindest wenn es für den BVB etwas zu verlieren gibt. Beim Auswärtsderby 2005 zum Beispiel habe ich mindestens die letzten zehn Minuten hinter dem Rücken meiner Frau gekauert und nicht aufs Spielfeld geschaut. 2013 im Halbfinal-Rückspiel, nachdem Real das 2:0 geschossen und das Bernabeu gezeigt hat, zu was für einer einschüchternden Schüssel dieses Stadion werden kann, die restliche Spielzeit den Beton zwischen meinen Beinen angestarrt. Nur unterbrochen von ängstlichen Blicken auf die Uhr.

In diesen Momenten mutiere ich zum kleinen Kind. Was ich nicht sehe, das passiert nicht. Was natürlich totaler Quatsch ist. Das Geschehen auf dem Spielfeld hängt kein bisschen davon ab, ob ich hingucke oder nicht. Ich bin auch nicht völlig abgekoppelt vom Spielverlauf, weil ich jede Reaktion der Leute um mich herum wahrnehme. Diese Atemlosigkeit und das stumme Entsetzen, wenn der Gegner in die Nähe unseres Tores kommt, aber auch das erleichterte „Ja“, wenn die Situation geklärt wurde. Diese Momente sind Adrenalin pur, sie kicken einen. Gleichzeitig sind sie für mich kaum zu ertragen. Ich bin da ein echter Schisser.

Elferlotterie immer ohne mich

Auf die Spitze getrieben wird das, und hier kommt der Bezug zur Serie ins Spiel, wenn ein Elfmeterschießen ansteht. Ich kann es einfach nicht sehen. Ich will es auch nicht hören oder überhaupt irgendwas mehr als nur das nackte Endergebnis davon mitbekommen. DFB-Pokal in Düsseldorf, da ging es „nur“ raus aus dem Block. Ebenso wie im Pokalfinale gegen die Bayern. Dort habe ich an einem der Torbögen des altehrwürdigen Olympiastadions gelehnt und mir die Ohren zugehalten. Ich musste den Fans gar nicht erst ins Gesicht gucken, um zu wissen, wie es ausgegangen ist. Schon die unzähligen Beine, die auf einmal auf mich zukamen, sagten mir, dass da die Anhänger des unterlegenen Vereins nur schnell weg vom Ort des Geschehens wollten.

Am weitesten weg vom Ort meiner Albträume war ich dann in den Pokalheimspielen gegen Hertha und Union Berlin. Damals habe ich mich nach 120 Minuten schnellen Schrittes auf dem Weg zum Shuttle-Bus gemacht und dann auf den Gesichtsausdruck der ersten Leute, die nach Ende aus dem Stadion geströmt sind, geachtet. Beim legendären Elfmeterschießen in München lag ich im Bett und habe mir mein Kissen gegen die Ohren gedrückt – die Nachbarschaft verfolgte das Spiel auch und kommentierte es lautstark bei geöffneten Fenstern. Der Lachflash meiner Frau klärte mich dann viel intensiver über den Spielverlauf auf, als es Worte hätten tun können.

Ganz nah dran und doch so weit weg wie möglich. Ziemlich dämlich, extra für so ein Spiel Eintritt zahlen und dann in den spannendsten Momenten zu gehen. Ich würde ja auch nicht aus dem Kino flüchten, wenn der Held gerade zum Showdown mit dem Oberbösewicht ansetzt. Oder bei einem Konzert die Halle verlassen, bevor die Band zur Zugabe ansetzt, in der die richtigen Klassiker rausgeholt werden. Liegt der Ball aber auf dem Punkt und es geht darum, wer die härtesten Nerven hat, dann falle ich schon vor Beginn durch diese Prüfung. Geht nicht, also gehe ich.

Wie der Ruhri sagt: Olle Schissbuxe.

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