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Stell dir vor, es ist Borussia - und du bist nicht da

31.07.2018, 17:49 Uhr von:  Sascha
Stell dir vor, es ist Borussia - und du bist nicht da

Der DFB-Pokal ist seit 2011 ja irgendwie „unser“ Wettbewerb. Zwei Siege und vier weitere Finalteilnahmen in diesem Zeitraum sind eine herausragende Bilanz. Das war aber nicht immer so. Nach dem Triumph über Werder Bremen 1989 war der DFB-Pokal weniger etwas, bei dem wir mitgespielt haben – sondern eher etwas, das uns zugestoßen ist. Eine tolle Gelegenheit, sich gegen Gegner wie die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg oder die damals in der vierten Liga spielende SpVgg Fürth so richtig amtlich zu blamieren. Gegen die Reserve der Radkappen zeigte der damalige Trainer Matthias Sammer auch bereits mit seiner Aufstellung, welchen Stellenwert Borussia diesem Pokal damals entgegenbrachte. Man wollte ihn eher überstehen, ohne groß Kräfte zu verschwenden, die man in der Liga brauchte.

Kein Wunder also, dass ich damals bei der Urlaubsplanung für den Sommer 2008 nicht einmal ansatzweise auf die Terminierung für den Finalkick in Berlin geachtet habe. Zusammen mit Frau und Freunden zwei Wochen in Ägypten gebucht. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Ein faszinierendes Land, das in einzigartiger Weise Geschichte und Erholung miteinander verbindet. Einen Tag wandert man staunend durch den Säulengang der Tempelanlage Karnak, am nächsten schnorchelt man inmitten farbenprächtiger Fische das Hausriff entlang. Aber gut, wir sind hier ja nicht bei Sonnenklar.tv, sondern beim Fußball. Perfekte Rahmenbedingungen für einen perfekten Urlaub nach dem Ende der Bundesligasaison.

HalbfinalchoreoDabei muss ich erklären, dass ich keinesfalls das bin, was man Allesfahrer nennt. Auch wenn ich zu der Zeit mit Sicherheit häufiger auswärts unterwegs war als heute, kann ich keine beeindruckenden Serien live verfolgter Spiele am Stück vorweisen, oder stolz erklären, in einer Saison kein Spiel verpasst zu haben. Trotzdem hatte es mich 2007/2008 in den Fingern gejuckt, zum Erstrundenspiel in Magdeburg zu fahren. Man ist schließlich nie zu alt für etwas Nervenkitzel. Von dem Spiel selber ist mir auch gar nicht mehr all zu viel in Erinnerung geblieben, aber vom Drumherum um so mehr. Dieses „Modul“, das in eine Gruppe von Polizisten rein lief, kurz mit dem Migränestift bearbeitet wurde, wieder abdackelte – nur um einige Minuten später erneut allein zum Sturmangriff auf die Staatsmacht anzusetzen. Offenbar passierte das häufiger, weil die Cops damit ziemlich entspannt umgingen. Und erst recht unvergessen sind diese halben Hemden, die peinlicherweise nach Abpfiff bei uns am Zaun hingen und die im Nebenblock versammelte Hooltruppen der Magdeburger bepöbelten. Ohne die Polizeikette zwischen denen und dem Gästeblock wären unsere Leute für die ein kleiner Snack vor dem Abendbrot gewesen. Eine denkwürdige Fahrt mit vielen Geschichten und einem 4:1-Sieg, bei dem ich mir noch nichts gedacht habe.

Im weiteren Verlauf des Wettbewerbs drehte die Glücksfee dann völlig frei und servierte uns ausnahmslos Heimspiele. In der zweiten Runde schlug man Eintracht Frankfurt mit 2:1, Werder Bremen im Achtelfinale mit dem gleichen Ergebnis. Die Torschützen für uns damals: Giovanni Federico und Diego Klimowicz. Die Namen klingen irgendwie nicht nach der ganz großen Fußballkunst und das war es damals auch nicht. In der Vorsaison das denkwürdige Spiel in Bielefeld, nachdem alle Borussen vor dem Abstieg zitterten und in der damals laufenden Saison pendelte man irgendwo zwischen Platz 10 und 14 in der absoluten Bedeutungslosigkeit. Im DFB-Pokal aber lief es auf einmal anders. Das Überwintern in dem Wettbewerb war ein ungewohntes Gefühl und die ersten fingen tatsächlich an, in Richtung Finale zu schauen. Fuck…. Da fiel es mir auf.

Für das Viertelfinale wurde uns dann die TSG Hoffenheim serviert. Zwar hatte man damals für Spieler wie Demba Ba oder Luiz Gustavo in der zweiten Liga so viel Geld auf den Tisch gelegt, wie es viele Erstligisten damals nicht konnten, aber letztendlich waren sie trotzdem einfach ein Zweitligist. Mladen Petric machte mit dem 3:1 schon frühzeitig alles klar. Nach Abpfiff jubelte alles um mich herum und mir schoss zum ersten Mal der nicht jugendfreie Gedanke „Ihr Penner. Ihr werdet doch nicht ausgerechnet diese Saison….“ durch den Kopf.

Finale ohne michAls wir dann auch noch den schon als Absteiger aus der zweiten Liga feststehenden FC Carl Zeiss Jena für das Halbfinale im Heimspiel zugelost bekamen, war ich mir endgültig sicher, da ziemlichen Mist gebaut zu haben. Der einzig namhafte Spieler bei den Jenaern war Jan Simak, der wieder den Weg zurück in den Profifußball suchte. Einer dieser geilen Kicker, die alles Talent der Welt hatten – und es leider auch zielsicher versoffen. Am Ende stand ein nie gefährdeter 3:0-Sieg und „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin“-Gesänge. In letzte stimmte ich eher zaghaft ein, weil ich mich natürlich freute. Es war etwas Großes für den BVB. Aber mir war da auch schon klar, dass ich zum Zeitpunkt des Kicks tausende Kilometer entfernt sein würde.

Ja, natürlich habe ich geguckt, ob es nicht so ganz unter Umständen möglich wäre, den Urlaub zu unterbrechen und für das Spiel nach Berlin zu fliegen – es gab auch z.B. das total nette Angebot zur Nutzung von Vielfliegermeilen, das mich sehr gefreut hat. Aber letztendlich stand das nicht wirklich zur Debatte. Neben einem vierstelligen Betrag für Reise und Unterkunft wäre das Verständnis für so eine Aktion bei Frau und Freunden auch äußerst überschaubar gewesen.

Richtig coole Typen hätten es wohl durchgezogen und später eine tolle Geschichte über ihre weiteste Anreise zu einem Auswärtsspiel zu erzählen gehabt. Meine Geschichte geht so, dass ich beim Ausgleich jubelnd über den Boden eines Hotelzimmers in Marsa Alam gerollt bin und den Siegtreffer der Bayern mit Bier aus der Minibar weggespült habe. Natürlich bin ich traurig darüber, verpasst zu haben, wie der schwarzgelbe Block ununterbrochen „Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz“ intonierte und aus den Erzählungen der Freunde weiß ich, dass ich ein emotional bedeutendes Spiel unserer Vereinsgeschichte verpasst habe. Aber ich habe eine Lektion fürs Leben gelernt:

Bevor du Urlaub buchst, guck gefälligst in den Spielplan!

Sascha, 25.07.2018

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