Im Gespräch mit...

...Teddy de Beer: "Das muss ich dann natürlich vermitteln."

28.03.2018, 12:57 Uhr von:  Larissa Michi Kevin Seb
...Teddy de Beer: "Das muss ich dann natürlich vermitteln."
Teddy im Einsatz

Seit über 30 Jahren ist Wolfgang "Teddy" de Beer bereits beim BVB. Im Gespräch mit schwatzgelb.de spricht "Teddy" über seine aktive Zeit, das Torwarttraining und die aktuelle Situation beim BVB.

1987, also vor etwas mehr als 30 Jahren wechselte Wolfgang "Teddy" de Beer zum BVB. In fast 200 Spielen stand der Publikumsliebling für die Borussia auf dem Platz. Zunächst verhinderte er Gegentore, nach seiner aktiven Karriere trainiert er nun unsere Torhüter. Im Interview sprach Teddy mit uns über seine Karriere, schöne und bittere Erlebnisse, das Torwarttraining und die aktuelle Situation beim BVB.

schwatzgelb.de: Dein erster Verein war der TV Jahn Hiesfeld, danach kam der MSV Duisburg. Verfolgst du deren Spiele noch?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Ja, ich verfolge die Spiele noch. Ich war vor ein paar Tagen sogar noch beim Niederrheinpokalspiel Jahn Hiesfeld gegen Rot Weiss Essen …

schwatzgelb.de: Das war bitter, oder?

"Teddy" de Beer: … die haben 5:0 verloren, sich aber eine Stunde lang gut gewehrt. Hinten raus hat die Kraft ein bisschen gefehlt. Am Ende ist es dann zwei Tore zu hoch ausgefallen.

Ich habe aber immer noch Kontakt zu den ehemaligen Vereinen und bin auch erster Vorsitzender des Fördervereins vom TV Jahn Hiesfeld. Den MSV verfolge ich auch, aber seltener. In Duisburg habe ich diese Saison ein Spiel gesehen. Da ist es eher der Kontakt zu den ehemaligen Mitspielern: Bernard Dietz, Manni Dubski, Franz-Josef Steininger, Bobbel Büssers, sind so Namen, die man noch kennt. Beim letzten Spiel saßen wir zusammen auf der Tribüne. Das war sehr nett.

schwatzgelb.de: Du kamst in der B-Jugend zum MSV. Wie war das damals in der Jugend, Leistungszentren oder Jugendhäuser gab es ja noch nicht?

"Teddy" de Beer: Ja, das war ein sehr großer Unterschied. Ich bin allerdings erst in der A-Jugend gewechselt. Damals gab es drei Jahre A-Jugend, A3 habe ich noch beim TV Jahn Hiesfeld gespielt. Das erste Jahr in Duisburg habe ich A2 gespielt und jeden Tag auf Asche trainiert. Das war schon sportlich, würde ich sagen. Es war ein harter Ascheplatz und ich bin oft mit Hanteln um den Platz gelaufen. Ich habe damals sehr hart trainiert. Ein Jugendtrainer hat mich immer mit nach Duisburg genommen, weil ich sonst keine Chance hatte, hinzukommen. Wir hatten in der Familie kein Auto, weil keiner einen Führerschein hatte. Da wurde ich immer mitgenommen. Das erste Jahr A2 und dann habe ich A1 gespielt.

schwatzgelb.de: Dein erster Profi-Einsatz war dann gegen Werder Bremen. Laut Wikipedia setzte es eine 1:5 Niederlage. Du sollst aber trotzdem ein gutes Spiel gemacht haben. Kannst du dich noch an das Spiel erinnern?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Ich erinnere mich noch gut daran, weil ich total nervös war. Ich bin vor dem Spiel fünf bis zwölf Mal auf Toilette gerannt, um zu pinkeln. Das ist im Gedächtnis geblieben. Wir haben fünf Stück gekriegt und ich habe mich nach Kräften gewehrt. Es war schon angedacht, dass ich in den Profibereich aufrücke und da wollte man mich ins kalte Wasser schmeißen, weil die Saison sowieso schon gelaufen war. Der Abstieg stand zu dem Zeitpunkt schon fest. Es war nicht einfach, fünf Gegentore sind schon eine Hausnummer, aber scheinbar habe ich mich so gut präsentiert, dass ich dann doch den Profivertrag für die zweite Liga bekommen habe.

schwatzgelb.de: Gibt es andere Spiele, die noch stark in deiner Erinnerung präsent sind?

"Teddy" de Beer: Natürlich das DFB-Pokal-Endspiel 1989. Auch das erste Spiel, das ich für Borussia Dortmund gemacht habe, 2:2 in München. Danach wurde ich direkt ins Sportstudio eingeladen, zusammen mit dem Trainer Reinhard Saftig. Das sind natürlich Momente, die man nicht vergisst.

schwatzgelb.de: Also bleiben eher die positiven Momente im Gedächtnis?

"Teddy" de Beer: Sicherlich auch negative: Es gibt ein Spiel, das ich nicht vergessen werde. Zweite Liga, mein drittes Jahr beim MSV Duisburg. Damals habe ich einen Kampf um die Nummer 1 geführt, zuerst mit Heinze, der sich im Laufe der ersten Saison verletzt hat. Ich konnte dadurch im ersten Jahr bereits 15 Spiele machen. Im zweiten Zweitligajahr war es ähnlich, da war es Heribert Macherey, der sich das Kahnbein gebrochen hatte und ich konnte wieder meine 19 Spiele machen. Im dritten Jahr war ich dann die Nummer 1 und am siebten Spieltag haben wir beim VfR Bürstadt gespielt, euch wahrscheinlich kein Begriff mehr (lacht). Nach der ersten Halbzeit haben wir 4:0 hinten gelegen und ich bin zur Halbzeit ausgewechselt worden, in der zweiten Bundesliga wohlgemerkt. Das war die Höchststrafe. Mit dem Blick zurück, würde ich sagen, dass ich die Gegentore alle hätte verhindern können. Aber dann saß ich da in der Kabine und hab geheult wie ein Schlosshund. Ich habe kein einziges Spiel in der Saison mehr gemacht. In der Saison danach war ich wieder die Nummer 1, aber das war ein bitterer Moment. In der Situation ausgewechselt zu werden, nach vier Gegentreffen, das war schon harter Tobak.

schwatzgelb.de: Scheinbar war dein viertes Jahr so überzeugend, dass Borussia Dortmund dich verpflichten wollte. Wie kam damals der Kontakt zu Stande?

"Teddy" de Beer: Wir sind im vierten Jahr mit den gefühlt meisten Gegentoren aller Zeiten aus der zweiten Bundesliga abgestiegen. Überzeugend ist also relativ (lacht). Mir wurde dann angeboten, auch in der dritten Liga für den MSV zu spielen. Aber ich wollte unbedingt Bundesliga spielen. Ich hab mich dann auf mein Motorrad gesetzt, bin zu meiner Freundin an die Ostsee gefahren und hatte gar keinen Verein. Eigentlich sehr gewagt. Aber ich wollte auf keinen Fall dritte Liga spielen und im Laufe des Urlaubs hat mein Berater Heinz Slupek angerufen und gefragt, ob ich bei Borussia Dortmund spielen möchte. Eike Immel ist in dem Jahr nach Stuttgart gewechselt, Rolf Meyer sollte eigentlich Nummer 1 werden. Ich habe dann gesagt ‚Kommt vorbei‘. Die sind damals auf mich aufmerksam geworden, weil Reinhard Saftig ein Spiel zwischen Hertha BSC und dem MSV Duisburg beobachtet hat. Auf der anderen Seite stand Andreas Köpke im Kasten, aber ich hatte an dem Tag wohl die besseren Karten und man hatte sich als Ziel gesetzt, einen jungen Torwart aus der Region zu verpflichten.

schwatzgelb.de: Was war dein bestes Spiel für den BVB?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Insgesamt waren es 183 Spiele, da kann ich mich nicht genau an das beste erinnern. Ich habe einige Bälle beim BVB reinbekommen, die ich hätte halten können. Mein bestes Spiel kann ich da nicht wirklich sagen. Wir waren erfolgreich, haben uns direkt im ersten Jahr für den UEFA Pokal qualifiziert und es mündete dann im DFB-Pokalsieg 1989. Das war so der Büchsenöffner, würde ich sagen, weil wir vorher ein Vierteljahrhundert keinen Titel geholt haben. Das war wichtiger als einzelne Spiele.

schwatzgelb.de: Anfang der 90er standst du dann stark in der Kritik und wurdest zunächst sporadisch, dann komplett von Stefan Klos als Nummer 1 abgelöst. Wie geht man mit solcher Kritik um?

"Teddy" de Beer: In der Rückbetrachtung würde ich sagen, dass die Kritik korrekt war. Ich hatte eine Phase, die nicht so stark war und hatte einige Fehler gemacht. Da wurde ich dann auch unruhig im Tor und Stefan Klos hat die Chance genutzt. Er hat auf sehr gutem Niveau gespielt und sich in die Rolle reingebissen. Am Anfang war das sehr schwierig für mich, aber kurze Zeit später habe ich mir das Schien- und Wadenbein gebrochen. Wir hatten da immer mal Phasen, wo wir uns um die Nummer 1 gestritten haben, mit Ottmar Hitzfeld ging es dann wieder von vorne los. Und durch die Verletzung war ich dann ein Jahr raus. Stefan hat das gut gemacht, hat sich stabilisiert und war erfolgreich. Ich hatte erstmal andere Probleme und musste sehen, dass ich wieder genese.

schwatzgelb.de: Zeitsprung - Du wurdest nach deiner aktiven Karriere schnell zum Torwarttrainer. In welchen Punkten hat sich das Torwartspiel von deiner aktiven Zeit zu heute am drastischsten verändert?

"Teddy" de Beer: Ich durfte den Ball ja immer noch zwischendurch auf den Boden legen und dann wieder in die Hand nehmen. Rückpässe durften auch in die Hand genommen werden. Als Torwart konnte man das Spiel sehr langsam gestalten, die Stürmer konnten den Torwart nicht angreifen. Jetzt ist das nicht mehr erlaubt, dadurch hat sich die Geschwindigkeit des Spiels verändert und auch die Materialien sind anders geworden, wodurch die Schüsse viel härter sind. Dazu kommt, dass die Spieler viel athletischer sind. Es ist alles viel, viel schneller geworden.

schwatzgelb.de: Wie bildest du dich sich selber weiter, um die geänderten Anforderungen ans Torwartspiel vermitteln zu können?

"Teddy" de Beer: Ich bin ja im Grunde bei dieser Entwicklung step by step dabei gewesen und habe gesehen, was gefordert wird und was die Jungs abliefern müssen. Dadurch bin ich immer auf dem aktuellen Niveau gewesen. Ich habe immer gesehen, was auf Bundesliga-Niveau, auf Champions-League-Niveau gefordert wird. Was müssen die Jungs abliefern, was gibt es für Anforderungen an Geschwindigkeit, an Athletik, an Verhaltensweisen? Das muss ich dann natürlich vermitteln.

schwatzgelb.de: Das hört sich eher nach learning by doing an? Gibt es auch zusätzliche Weiterbildungskurse?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Nein, die gibt es so nicht. Natürlich macht man seinen Trainerschein und bekommt da schon viel Wissen in Sachen Training vermittelt. Die jetzige Generation der Torwarttrainer, zu der zum Beispiel auch Gerry Ehrmann zählt, hat diese Entwicklung auf sehr hohem Niveau selber mitgemacht. Und auf diesen Erfahrungen muss man aufbauen und sich als Trainer selber weiterentwickeln. Es gehören viele Aspekte zum Torwarttraining. Man ist Mentor, Begleiter, nicht nur jemand, der Bälle aufs Tor schießt, sondern auch jemand, der psychologisch und erfahrungsmäßig begleitet. Ich war selber in diesen Situationen und kann da meine Erfahrungen weitergeben. Es wird bald eine andere Generation von Torwarttrainern geben. Die Generation, die jetzt im Tor steht, wird eher seltener Torwarttrainer werden und wenn, werden sie sicherlich anders arbeiten als wir jetzt, weil sie auf einen anderen Erfahrungsschatz zurückgreifen.

schwatzgelb.de: Wie schafft man es, das Torwarttraining dauerhaft interessant zu gestalten. In der Regel arbeitet man ja nur mit zwei, drei Leuten zusammen, die eine Aufgabe haben, die von den Feldspielern ziemlich losgelöst sind.

"Teddy" de Beer: Es geht immer um Weiterentwicklung. Es gibt Grundlagen, die man trainieren muss. Körperliche Fitness gehört dazu, mit fünf Kilo Übergewicht ist das eher unglücklich.

schwatzgelb.de: Der dickste Junge steht doch eigentlich im Tor?

"Teddy" de Beer: (lacht) Auf dem Niveau funktioniert das nicht mehr. Da braucht man auf jeden Fall die körperliche Fitness. Dann geht es darum, den Torhüter zu analysieren. Wenn ich ihn neu bekomme, gehen wir in die Saison und ich schreibe mir ganz viele Dinge auf, z.B. ob er einen Aufsetzer auf einer Seite nicht richtig abwehrt, wie er mit dem Fuß spielt, Faustabwehr, etc. Da könnte ich dir drei Zettel vollschreiben, was ein Torwart alles können muss. Die werden dann nach und nach abgearbeitet und eingeschliffen und in der täglichen Arbeit verbessert. Fitness bzw. Kondition ist auch mit dabei, da sind die Jungs normal im Mannschaftstraining. Beim Torwart ist es ein bisschen einfacher, sie individuell weiterzuentwickeln, weil es eben nur zwei bis drei Torhüter sind, mit denen man arbeitet. Da kann man gezielt an den Schwächen arbeiten und da gibt es viele verschiedene Übungen, weil es so viele verschiedene Facetten sind, die ein Torhüter können muss. Das wird so schnell nicht langweilig. Ich schreibe die alle auf und arbeite sie nach Prioritäten ab. Ein Beispiel: Als Roman Bürki anfangs zu uns kam, war er es aus Freiburg gewohnt, viele Bälle aufs Tor zu bekommen. Bei uns war das anders. Wenn dann mal ein Ball kam, war es oft eine 1-gegen-1-Situation. Das haben wir anfangs brutal forciert. Dass er ruhig bleibt, dass er sich gut verhält, dass er lernt, die Situation vernünftig zu klären. Das wäre jetzt ein Beispiel von vielen.

schwatzgelb.de: Wer war der talentierteste Torwart mit dem du zusammengearbeitet hast?

"Teddy" de Beer: Roman Weidenfeller ist ein sehr harter Arbeiter gewesen. Jens Lehmann, den habe ich ja auch noch trainiert, war eher ein feingliedriger Torwart. Mitch Langerak ist ein talentierter Junge gewesen. Wobei man sich an der Stelle auch fragen muss, was talentiert überhaupt heißt. Erstmal darfst du keine Angst haben, dich da reinzuhauen, wo andere mit dem Fuß hingehen. Das ist Grundvoraussetzung. Körperlich sind die alle natürlich verschieden, Mitch kann man mit Jens Lehmann vergleichen, Roman Weidenfeller vielleicht eher mit Oliver Kahn. Der ist eher explosiv. Alle haben ihre Stärken und Schwächen. Aber talentiert sind natürlich alle und dann geht es eher darum, sie weiterzuentwickeln, dass sie auf ein Topniveau kommen.

schwatzgelb.de: Und welcher war der schwierigste? Torhütern wird ja gerne eine gewisse "Verrücktheit" nachgesagt...

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Es ist zwingend notwendig, nicht ganz normal zu sein (lacht). Wie gesagt, da wo andere mit den Füßen hingehen, muss man mit dem Kopf hin. Eigentlich waren sie alle gleich verrückt, um keinen Ball reinbekommen zu wollen, aber schwierig war keiner.

schwatzgelb.de: Wie ist ein Torwarttrainer in die Taktik des Cheftrainers eingebunden und inwieweit wird das Training danach ausgerichtet?

"Teddy" de Beer: Wir trainieren zum Beispiel Spielaufbau. Der Torwart steht hinten, die Verteidiger bieten sich an. Teilweise machen wir das ohne Gegenspieler oder wir stellen blaue Männchen als Gegner dort hin. Dann schauen wir, wie man die Seite verlagert, wie und wo man Pässe in die Tiefe spielt. Das besprechen wir mit den Torhütern, was da gewünscht ist und was benötigt wird. Wenn wir uns in der Defensive bewegen, dann ist es so, dass die Mannschaft verschiebt, der Torwart sein Stellungsspiel anpasst. Dann spielen wir natürlich auch häufiger 10 gegen 10. Er muss dann seine Position finden und die Verteidiger dirigieren, damit sie richtig stehen und anspielbar sind. Da trainieren wir auch Kommandos, wo Seitenwechsel angesagt werden. So etwas arbeiten wir meist in normalen Spielformen ab.

schwatzgelb.de: Also war das Torwarttraining unter Tuchel schon sehr anders als unter Bosz?

"Teddy" de Beer: Das individuelle Training war unter beiden Trainern ähnlich. Im Mannschaftstraining gab es deutliche Unterschiede. Bei Thomas Tuchel wurden kleinere Spielformen gemacht und Peter Bosz hat eher den Pressingansatz forciert. Tuchel hat Wert auf viele taktische Feinheiten gelegt, viele Laufwege trainiert. Peter Bosz hat immer Druck auf den Ball ausüben wollen. Da waren jetzt nicht so viel taktische Vorgaben und Laufwege, sondern es ging vor allem darum: Wo ist der Ball und wie kann ich ihn schnell zurückbekommen?

schwatzgelb.de: Es gibt ja die berühmte Gerry-Ehrmann-Schule, wo man die Torhüter recht gut an ihren Eigenschaften erkennen kann. Gibt es so etwas wie eine Teddy-de-Beer-Schule? Und wenn ja, wie würdest du die charakterisieren?

"Teddy" de Beer: Ich würde sagen, dass ich die Torhüter immer da abhole, also auf dem Leistungsniveau, wo sie stehen und sie dann verbessere. Für mich ist wichtig: Kraft ist nichts ohne Kontrolle. Ich kombiniere mein Training mit Krafteinheiten, sie müssen schnell sein, sie müssen athletisch sein, sie müssen aber auch die Kontrolle bewahren. Dazu machen wir viele Koordinationsübungen. Und es werden auch viele technische Sachen eingeschliffen, zum Beispiel, dass ich einen Ball neben dem Körper festhalte und sicher fange, ihn sicher zur Seite wegfauste, etc. Für mich sind die Feinheiten sehr wichtig. Es geht um eine gute Torwarttechnik. Du musst heutzutage viel mehr mit dem Fuß mitspielen. Das ist wichtig, klar, aber für mich ist auch wichtig, dass wir die Prozente nicht verschieben. Wenn ich jemanden will, der nur mitspielen soll, dann kann ich auch einen Feldspieler ins Tor stellen. Der hält aber keinen Ball. Für mich ist es wichtig, dass ich den Torhüter so ausbilde, dass das Gesamtbild perfekt ist. Der muss alle Facetten des Torwartspiels beherrschen, um erfolgreich die Bälle zu halten.

schwatzgelb.de: Stört es dich eigentlich, dass die Blauen in den letzten Jahren / im letzten Jahrzehnt mehr Torhüter aus dem Jugendbereich in die Bundesliga gebracht haben als der BVB? Wie wird daran gearbeitet, dass auch auf dieser Position die Durchlässigkeit erhöht wird?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Torhüter aus dem eigenen Nachwuchs hochzuziehen, ist immer eine schwierige Sache. Es ist natürlich unser Wunsch, mal wieder einen Keeper aus dem eigenen Stall bei den Profis zu haben. Dominik Reimann haben wir zum Beispiel bei den Profis im Training.

Letztendlich muss man sich die Situation bei Schalke angucken, um zu verstehen, warum mehr Torhüter bei ihnen hochgekommen sind. Eigentlich wechselt man nur den Torwart, wenn etwas nicht so funktionieren, wie man sich das vorstellt. Wenn man hinten stabil ist, auch auf der Torwartposition, dann wechselt man nicht einfach einen 19-jährigen ein, sondern baut auf die Konstanz. Wenn man sich zum Beispiel die Situation von Manuel Neuer damals anguckt: Frank Rost war ein guter Torwart, der dann eine Schwächephase hatte und, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, auch Probleme mit dem Trainer hatte. Deshalb wurde da gewechselt. Sonst wäre Manuel Neuer vielleicht gar nicht so früh eingesetzt worden oder hätte gar keine Chance bekommen. Er hat das dann natürlich ordentlich gemacht und ist dadurch Stammkeeper geblieben. Timo Horn ist auch so eine Geschichte. Der macht einen tollen Job, aber er hat natürlich den Vorteil des Abstiegs gehabt, so dass er dort Einsatzzeiten bekommen hat. Wir haben in den letzten 17 Jahren eine sehr hohe Konstanz auf der Position gehabt. Roman Weidenfeller wurde dort systematisch aufgebaut. Er hat mit seiner Entwicklung Schritt gehalten und wurde wichtiger Bestandteil der letzten Erfolge. Wenn man den Anspruch hat, dauerhaft Champions League bzw. auf einem ganz hohen Niveau zu spielen, dann ist es sehr schwierig, einen 19-jährigen ins Tor zu stellen, weil er seine Erfahrungen sammeln muss. Aber du kannst es dir auf dem Niveau nicht erlauben, dass er häufiger mal Fehler machen kann, an denen er lernt. Der kann dich nicht mal eben fünf Punkte kosten, das wäre zu viel. Bei den Bayern konnte man ähnliches beobachten. Nach Oliver Kahn hatte man auch versucht, Torhüter aus dem Nachwuchs zu holen. Das ist schief gegangen und man hat letztendlich Manuel Neuer für 25 Millionen von Schalke gekauft. Es ist für junge Torhüter bei uns etwas schwieriger, weil sie sofort funktionieren müssen.

schwatzgelb.de: Stichwort Torhüter-Scouting/Setzen der Nr. 1: Wie fließen die Meinungen/Anforderungen des Cheftrainers und der Torwarttrainer zusammen?

"Teddy" de Beer: Wir setzen uns da schon zusammen und diskutieren, welche Torhüter auf dem Markt sind und welche in Frage kommen würden. Da tauscht man sich schon sehr detailliert aus. Das gleiche gilt natürlich für die Trainingseindrücke.

schwatzgelb.de: Wie vermittelt man einem Spieler, dass es nicht reicht? Oder dass ein neuer Konkurrent - vielleicht sogar eine neue Nummer 1 - geholt werden soll?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Das ist ein ständiger Kampf, dem man sich stellen muss. Als Roman Bürki kam und Roman Weidenfeller noch da war, haben die beiden sich natürlich auch um die Nummer 1 duelliert. Diese Art von Zweikampf und diese Anforderungen, die auch der zweite Torhüter mitbringen muss, diese Konkurrenz ist nur leistungsfördernd. Ein bisschen Druck braucht eigentlich jeder auf seiner Position.

schwatzgelb.de: Roman Weidenfeller beendet im Sommer seine aktive Karriere. Hast du Angst, dass er auf deinen Job scharf ist? Bzw.: Wie ist die da Zukunft geplant?

"Teddy" de Beer: Ich habe mit Roman Weidenfeller gesprochen und momentan könnte er sich noch nicht vorstellen, auf dem Platz zu stehen und Bälle durch die Gegend zu schießen. Ich denke aber, dass er nach dieser herausragenden Karriere dem Verein erhalten bleiben wird.

schwatzgelb.de: Zurzeit ist das Thema Anschlag durch den Prozess wieder sehr präsent. Wie wirkt man da als Trainer auf die Spieler ein? Gerade als selbst Betroffener?

"Teddy" de Beer: Ja, ich war selber auch im Bus. Wir haben uns natürlich darüber unterhalten, die Spieler haben auch sehr viel untereinander gesprochen.
Ich persönlich hatte das ganze gut verarbeitet, das war weg. Die erste Zeit nach dem Anschlag war sehr schwierig, aber jetzt wo der Prozess läuft, wirbelt es schon vieles wieder auf. An den Tagen danach ging es mir da auch nicht so gut, weil es wieder hochgekommen ist, obwohl es eigentlich bei mir schon sehr weit weg war. Das geht einigen Spielern natürlich ähnlich, mit denen hatte ich nach dem Prozesstag auch gesprochen.

schwatzgelb.de: Du bist in letzter Zeit seltener mit den Torhütern aufs Feld gekommen. Wie kommt das?

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer

"Teddy" de Beer: Seit Anfang der Saison ist Matthias Kleinsteiber dabei, wir machen das Torwarttraining zusammen. Er war lange Jahre Torwart bei mir und ist jetzt auch lange Jahre schon Torwarttrainer der U23 gewesen. Da ich ja auch nicht jünger werde, ist es ganz gut, dass wir einen zweiten Mann mit dabeihaben, der mich unterstützt. Matthias macht das gut und kann vielleicht sogar ein bisschen fester schießen als ich. Ich habe das lange Jahre gemacht und freue mich, dass noch jemand dabei ist.

schwatzgelb.de: Warum bist du seit Jahren der einzige aus dem Trainerstab der Profis, der regelmäßig in der Roten Erde auftaucht?

"Teddy" de Beer: Wir haben in den letzten Jahren häufig wechselnde Cheftrainer gehabt und die hatten natürlich auch zwischendurch andere Probleme zu bewältigen. Ich bin dem Verein einfach sehr verbunden und gucke mir auch gerne die U19 oder U17 an. Die U23 ebenfalls, wenn sich die Gelegenheit ergibt, dann bin ich auf jeden Fall auch in der Roten Erde. Ich möchte natürlich auch sehen, wie Dominik Reimann spielt. Wie gesagt, die anderen Cheftrainer in der kurzen Zeit konnten sich da wahrscheinlich eher weniger Gedanken machen, was mit der U23 ist.

schwatzgelb.de: Worauf achtest du besonders, wenn du „deine" Torhüter beobachtest?

"Teddy" de Beer: Auf alles. Ich achte auf ihr Stellungsspiel, wie sie die Bälle abwehren, wie sie coachen, wie sie sich verhalten, wenn sie einen Fehler machen, ob sie darunter leiden, ob sie sich beeindrucken lassen. Ob sie mental stark genug sind, trotzdem ein ordentliches Spiel zu machen. Das ist ja als Torwart nicht so einfach. Da machst du in der fünften Minute einen Fehler und musst dann noch 85 Minuten rumstehen und bekommst vielleicht keinen Ball mehr aufs Tor. Da ist das Torwartspiel dann schon eine andere Nummer, wo man viel Erfahrung braucht.

Im Gespräch mit "Teddy" de Beer
schwatzgelb.de: Nach dem Ausscheiden im Pokal und in der Europa League können wir uns jetzt (leider) voll auf den Endspurt in der Bundesliga konzentrieren. Was ist deine Prognose?


"Teddy" de Beer: Ich gehe davon aus, dass wir uns für die Champions League qualifizieren. Wir haben in den Spielen seit Dezember, seit Peter Stöger da ist, ordentliche Ergebnisse abgeliefert. An der fußballerischen Leichtigkeit arbeiten wir noch, aber wichtig ist, dass wir jetzt erstmal die Ergebnisse holen. Wenn wir das Spiel gegen Hannover sehen, dann war es zwar nur ein 1:0, aber wir haben es geschafft, mehr Torchancen herauszuspielen und alle Spieler haben mehr und besser Laufwege angeboten. Wenn wir jetzt noch zwei weitere Tore geschossen hätten, dann hätte man es sicherlich als ein besseres Saisonspiel betrachtet, ähnlich wie das am Anfang der Saison war, wo wir die Tore gemacht haben. Wenn die Spieler ähnlich viel investieren wie gegen Hannover, in läuferischer Hinsicht und vom Willen, wenn wir den Weg weiter gehen, dann werden wir auch irgendwann wieder besseren Fußball spielen. Aber platzierungsmäßig gehe ich davon aus, dass wir uns für die Champions League qualifizieren.

schwatzgelb.de: Vielen Dank für das Interview!

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel