Die Spieler-WG: Trennungsgerüchte am Fischtag
Teambuilding war der Plan von Trainer Thomas Tuchel, als er den Spielern im Januar auferlegte, für den Rest der Spielzeit in eine WG zu ziehen. Das hat funktioniert. Die Mannschaft verschmolz zu einer Einheit. Offenbar allerdings ohne den Trainer. Wir kennen das alle von Klassenfahrten in die Jugendherbergen zwischen Oerlinghausen und Meinerzhagen: Wenn es ein Feindbild gibt, dann ist das der Herbergsvater.
Unsere Kicker machen sich vor den letzten beiden Spielen der Saison jedoch ganz andere Sorgen. Ihr Freund und Leistungsträger Jule liegt im Krankenhaus: Bruch des Sprunggelenks. Schmelle, Ous, Manni und Papa sind zu Besuch in der Klinik. Nachdem sie sich erkundigt haben, wie es ihm geht und wann er wieder kommt, ist natürlich auch Jule neugierig, wie es so läuft.
„Sagt mal, gibt es sonst noch Neuigkeiten? Hier kommen immer so Journalisten vorbei und stellen seltsame Fragen über den Herbergsv… äh… Trainer.“
Schmelle antwortet: „Uns stellen die auch immer diese Fragen. Wir bügeln das ganz professionell weg. Aber letztens ist wirklich etwas Seltsames passiert. Da kam so ein älterer Typ vorbei, den konnte keiner richtig verstehen. Nur Ous hat ihn verstanden.”
Und Ous ergänzt: „Oui! Und Marco hat immer ‚Papi‘ zu ihm gesagt. Ils sont fous, ces poulains, voll schräg.”
Jule ist neugierig geworden: „Was wollte der denn?“
Manni versucht zu erklären: „Er wollte zu Aki und er meinte immer nur, er wäre der Onkel Luc und wir sollten ihn einfach nicht beachten. Er hätte sich ganz zufällig mit Aki in Monaco getroffen, weil er da nebenan wohnt, und wollte ihm nun eine Kiste Pastis bringen.“
„Aki trinkt wieder Schnaps? Da ist was im Busch“, ahnt Schmelle.
Ous meint: „Der Typ hat mich so von oben bis unten angeschaut und auf französisch gefragt, wie schnell ich rennen kann.”
Jule ist verwirrt: “Echt jetzt? Ist ja voll komisch.”
Papa, der bis jetzt geschwiegen hat, weiß noch mehr: „Ich bin am Büro vorbei gekommen, als Aki und der Typ da drin waren. Kurz danach kam der Trainer und hat so grimmig geschaut.”
Manni: „So wie du, wenn du dich freust?”
Papa: „“Nee, noch grimmiger.”
Ous: „Oh là là, dann war der voll sauer!”
Papa: „Er sah echt so aus wie damals, als Aki ihn gezwungen hatte, Pasta zu essen beim Italiener.”
Schmelle und Manni fällt die Kinnlade runter: „So schlimm?”
Jule ist jetzt wirklich beunruhigt. „Du, Schmelle... Trennen sich Aki und der Trainer jetzt?“
Schmelle versucht ihn zu beruhigen: „Wer weiß. Aber schlaf jetzt ein, Jule, du musst dich erholen. Alles wird gut. Erhol dich. Warte ab, in zwei Wochen ist alles gut.“
Jule döst weg und kichert beim Einschlafen leise vor sich hin: „hihihi, trennen, hihihihi…“
Auf dem Weg zurück zur WG diskutieren Manni, Schmelle und Papa in leisem Ton, um nicht Ous auch noch zu beunruhigen. „Das riecht echt nach Scheidung.“ – „Ja, aber das müssen die Kleinen doch nicht sofort mitkriegen.” – “Und die Grillparty am 28. Mai, die der Trainer uns versprochen hat?” – “Ach, die können wir ja auch ohne ihn machen. Oder hast du Bock, auf Tofu-Bratlinge?”
Unterwegs fällt Manni ein, dass er auf der Geschäftsstelle noch Karten für das Pokalfinale abholen muss, die er seinem Bruder versprochen hatte. Während die Anderen im Auto warten, geht Manni in das Haus am Rheinlanddamm und fährt mit dem Aufzug in die Chefetage. Vor Akis Büro bleibt er stehen. Er will gerade an die Tür klopfen, da hört er Akis Stimme: „Du, ich muss mit dir reden… Nein, es liegt nicht an mir, sondern an dir… äh, Quatsch, umgekehrt natürlich. Aaaaach, MIST! Ich kann diese Heuchelei nicht mehr ertragen!“
Manni ist alarmiert. Was treibt Aki da? Mit wem redet er? Er drückt ganz vorsichtig die Klinke herunter und linst durch den Türspalt. Er erblickt Akis Schreibtisch, auf dem eine Flasche Pastis steht. Aki selbst steht mit einem Glas in der Hand vor dem Spiegel. Er nimmt einen großen Schluck, nimmt Haltung an: „Wir beide passen einfach nicht zusammen. Du bist viel zu gut für mich und hast jemanden wie mich nicht verdient.“ Akis Kopf wird rot.
„Der übt für die Saisonanalayse mit dem Trainer. Da störe ich besser nicht“, denkt sich Manni und schleicht sich davon. Die Karten kann er auch noch die Tage abholen. Das Finale ist erst kommende Woche, da sollte er noch keinen Gedanken dran verschwenden. Vorher müssen die Bremer weggeputzt werden. Schwer genug.
Das Auto mit den BVB-Profis setzt sich wieder in Bewegung. An der WG angekommen treffen sie auf einen überglücklichen Marco: “Ich muss nicht nach Russland! Ich muss nicht nach Russland!”
Schmelle: „Marco, hast du wieder ne Doku auf ZDF History gesehen? Der Krieg ist lange vorbei! Und im Sommer liegt da auch kein Schnee.“
Doch Marco korrigiert: „Neiiiiin, der Jogi hat angerufen und gesagt, dass ich nicht zu diesem Cup-Ding fahren muss. In Russland gibt es doch nix Vernünftiges zu essen.“
Schmelle freut sich für Marco: “Das sind ja mal gute Neuigkeiten! Apropos nix zu essen: Hast du schon das Gerücht um den Trainer gehört?”
Marco ist total aus dem Häuschen: “Ja! Der soll ja jetzt kommen! Mein Trainer! Geil! Boah, was war das geil mit dem! Wie ich da gelaufen bin und Tore geschossen habe!“
„Äh, Marco, wovon sprichst du?“, fragt Schmelle besorgt.
„Wie? Was? Ach nix“, antwortet Marco, „Wie war’s im Krankenhaus?“
Papa antwortet: „Armer Jule. Hat die Gräten gebrochen.“
Da fällt Marco ein, was er noch sagen wollte: „Gräten! Gutes Stichwort! Ich hab wieder mächtig Bock auf frischen Fisch. Wer macht mit?“
Ous: „Oui, Poisson!“
Doch Manni mahnt zur Vorsicht: „Nanana, ihr wisst doch, dass der Trainer uns das nicht erlaubt. Das war gleich beim Einzug in die WG schon so ein Theater gewesen, weil du ihn damals falsch verstanden hattest und er uns den Fisch gar nicht erlaubt hatte.”
„Und einigen lag der Fisch damals auch ganz schön schwer im Magen“, ergänzt Schmelle. In der Tat war die Mannschaft im Januar nur knapp einer Fischvergiftung entkommen. Der Trainer hatte daraufhin täglich die Gefriertruhe der WG inspiziert. „Die Sache mit dem Fisch hat den Trainer echt auf die Palme gebracht“, so Schmelle, „nicht mal der Kevin darf uns mehr besuchen.“
Doch Marco ist zu euphorisch: „Wer weiß, wie lange der hier noch was zu sagen hat, ich hab jetzt Bock auf Fisch!”
Schmelle ist skeptisch. Ob es klug ist, den Trainer jetzt zu reizen? „Das wäre unprofessionell“, mahnt der Käptn. „Und vor allem wäre es schön blöd, so offensichtlich quer zu schießen.“
„Aber ich habe Hunger“, quengelt Ous.
Es ist Papa, der ganz abgeklärt den gordischen Knoten durchschlägt. „Jungs, wir sind Profis. Wir können das besser. Schmelle, fahr zum Wochenmarkt und hol Salat, Oliven, Artischocken und so gesundes Zeug. So zeigen wir dem Trainer, das wir echte Profis sind.“
„Mais le poisson?“, fragt Ous, schon ganz im frankophonen Wahn.
Doch auch da hat Papa eine Lösung: „Ous, du hast eine besondere Aufgabe. Fahr mit Auba ins Fischgeschäft und besorg heimlich Thunfisch und Sardellen.“
Marco ist verwirrt: „Was wird das?“
Da huscht für ein Sekundenbruchteil ein diabolisches Grinsen über Papas Gesicht, bevor er antwortet: „Salade Nicoise.“
19.05.2017, Desperado09