Die Ruhe nach dem Sturm
Als ich im September 2016 den Vorbericht zum Spiel gegen den VfL Wolfsburg geschrieben habe, war ich auf der Suche nach Emotionen. Nichts, was mit dem BVB zu tun hatte, berührte mich wirklich. Eine Niederlage rang mir zu diesem Zeitpunkt nur einen müden Seufzer und ein Kopfschütteln ab. Und auch ein Sieg versetzte mich nicht mehr in diese rauschhafte Begeisterung, wie es einmal war. Ich fuhr ins Stadion, weil es sich ja eben so gehört. Aber richtig heiß auf die Spiele war ich eben nicht. Unermüdlich habe ich in mich reingehorcht. Habe mich gefragt, ob es das jetzt vielleicht für mich war. Bin ich nach 15 Jahren Dauerkartenbesitz vielleicht einfach satt? Kann mich dieser Verein nochmal berühren? Ob positiv oder negativ war mir eigentlich egal. Hauptsache Emotionen. Jetzt, fast sechs Monate später, würde ich mich über mehr Ruhe rund um den BVB freuen. Ja, es ist verrückt. Aber was soll ich sagen. Mir waren die letzten Wochen zu aufregend. Denn aufgeregt habe ich mich in der Tat genug.
Gefühlt habe ich mich seit dem Heimspiel gegen RB Leipzig Anfang Februar nur aufgeregt. Egal, wo man als BVB-Fan nach diesem Spiel hin ging, man sollte sich zu den Vorkommnissen rund um RB äußern, wurde quasi zu einer Stellungnahme gezwungen. Eine kritische Diskussion war von den meisten Gesprächspartnern natürlich nicht gewünscht. Nein, man sollte zu Kreuze kriechen. Sich entschuldigen für Sachen, an denen man nicht beteiligt war. Ich habe mich aufgeregt.
Weiter ging es mit der dem Spiel in Darmstadt. Auf dem Papier ein glasklarer Dreier für uns. Nach 90 Minuten stand es 2:1 für die Lilien. Ich habe mich aufgeregt.
Okay, Mund abputzen und weiter machen. Es ging nach Lissabon zum Achtelfinale in der Champions League. Vor dem Fernseher sah ich einen überlegenen BVB, unzählige verpasste Chancen, einen verschossenen Elfmeter und Fans, die erst zur zweiten Halbzeit ins Stadion kamen. Am Ende gewann Benfica 1:0. Ich habe mich aufgeregt.
Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg. Als Opfer der Kollektivstrafe saß ich seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder. Viele Freunde aus meinem Block auf der Süd konnten keine Karten ergattern, waren nicht im Stadion. Die Stimmung im Stadion war gut, am Ende hatten wir drei Punkte mehr auf dem Konto. In der Kneipe musste ich mir nach dem Spiel anhören, dass die Stimmung ja sogar besser gewesen sei, als mit der Süd im Rücken. Und so schlimm sei die Strafe ja wohl nicht. „Mitgehangen, mitgefangen“ war der Tenor einiger ganz Schlauer. Ich habe mich aufgeregt.
Sechs Punkte aus den Spielen gegen Freiburg und Leverkusen und ein abgesagtes Spiel im DFB-Pokal habe ich mich wieder abgeregt. Und am Samstag habe ich mich sogar ordentlich gefreut. Bei jedem Tor ein bisschen mehr. (Ok, als Marco Reus verletzt ausgewechselt wurde, habe ich mich aufgeregt, aber nur ein ganz kleines bisschen.) Trotzdem fühlte sich der Samstag wesentlich besser an, als die letzten Wochen samt Ärgernis und Aufregung. Von mir aus kann das gerne so bleiben. Und ein Einzug ins Viertelfinale der Champions League würde maßgeblich dazu beitragen, dass mein Puls nicht wieder in ungesunde Höhen schnellt. Doch einfach wird das nicht. Haben wir uns mit der mehr als unnötigen Niederlage im Hinspiel in eine unglückliche Ausgangsposition gebracht. Um weiterzukommen benötigen wir einen Erfolg mit zwei Toren Differenz. Einfach wird das nicht, da sind sich unsere Profis sicher: "Gegen Benfica müssen wir 300 Prozent besser spielen", sagte zum Beispiel Sokratis nach dem Spiel gegen Leverkusen. Und Raphael Guerreiro lässt im "Kicker" verlauten: "Wir müssen überlegt aufbauen, keine unnötigen Ballverluste riskieren. Wir dürfen nicht die Nerven verlieren." Und Benfica? Die haben mit einem knappen 1:0 beim Aufsteiger CD Feirense ihre knappe Tabellenführung erfolgreich verteidigt und dürften dementsprechend selbstbewusst auftreten. Trainer Rui Vitória kündigte nach dem Spiel mit Blick auf das Duell gegen den BVB an: "Jetzt werden wir um unser Leben spielen". Das glaube ich ihm sofort. Und der BVB muss eine ganz starke Leistung abliefern, um ins Viertelfinale einzuziehen. Vielleicht erwartet uns ja sogar ein Jahrhundertspiel? Ich wäre bereit.
Apropos Jahrhundertspiel: Da war doch mal was. Bereits beim bisher einzigen Aufeinandertreffen mit Benfica vor über 50 Jahren musste ein Ein-Tore-Rückstand (1:2) aufgeholt werden. Das 5:0 am 4. Dezember 1963 gegen das Team aus Portugal gilt in Dortmund noch heute als "Jahrhundertspiel".
So könnten sie spielen:
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Bartra - Durm, Weigl, Castro, Guerreiro - Dembélé, Pulisic - Aubameyang
Benfica Lissabon: Ederson - Nelson Semoda, Luisao, Lindelöf, Eliseu - Fejsa, Pizzi - Salvio, Zivkovic - Jonas, Mitroglou
Schiedsrichter: Martin Atkinson
Leonie, 07.03.2017