Es wird voll in Lotte
„Lotte liegt ganz im Norden des Landes Nordrhein-Westfalen.“
Schon diese komplette (!) geographische Lagebeschreibung von Lotte bei Wikipedia sagt eigentlich alles über Lotte aus, was man über Lotte wissen muss. Und natürlich die Staumeldungen für das Kreuz Lotte/Osnabrück. Ansonsten ist das eben ein Gebiet, durch das man vor allem schnell durchfährt, um irgendwohin zu kommen, wo was los ist.
Außer es ist DFB-Pokalsaison 2016/2017.
2:1 gegen Werder Bremen, 4:3 nach Elfmeterschießen gegen Bayer Leverkusen und 2:0 gegen 1860 München – das ist die diesjährige Pokalchronik der Sportfreunde. Dafür erst einmal fetten Respekt. Gleich zwei Bundesligisten und einen zukünftigen Champions-League-Teilnehmer (gnihihihi) aus dem Wettbewerb zu kegeln, das ist eine mehr als respektable Ausbeute für den aktuellen Tabellensiebten der dritten Liga. Unsere Borussia sollte also gewarnt sein, dass das Los für die Viertelfinalpartie eventuell leichter klingt, als es tatsächlich ist.
Ein kleiner Fingerzeig dafür ist vermutlich auch die Spielabsage des Kicks der Sportfreunde gegen den Chemnitzer FC vom letzten Wochenende wegen Unbespielbarkeit des Platzes. Klar, die Regenfälle der letzten Tage dürften die Qualität des Rasens nicht zwingend verbessert haben und ein Drittligaspiel kann man leichter verlegen als ein Pokalspiel, das zudem noch live im öffentlichen TV übertragen wird. Aber schon die Münchener Löwen hatten vor drei Wochen bei ihrem Gastauftritt nicht unbedingt das Gefühl, über den roten Teppich der Oscar-Verleihung zu wandeln. Unsere Kicker sollten sich also besser auf etwas einstellen, auf dem man landläufig eher den Anbau von Nachtschattengewächsen mit dem wohlklingenden Namen Solanum tuberosum erwarten würde. Oder einfacher ausgedrückt: Auf einen Kartoffelacker.
Es ist aber auch absolut legitim, wenn ein besserer Amateurverein auf diesem Wege versucht, etwas Waffengleichheit herzustellen und keine Einladungskarten für ein gepflegtes Kurzpassspiel verschickt. Ist eben Pokal. Der Wettbewerb, bei dem auch millionenschwere Profis die eher exotischen Ecken Deutschlands bereisen müssen. Und genau deshalb ist es auch begrüßenswert, dass man bei den Sportfreunden dem Lockruf des großen Geldes durch einen Stadionumzug widerstanden hat und diese Viertelfinalpartie in der heimischen Arena stattfinden lässt. Auch wenn es für uns Borussen bedeutet, dass unterm Strich nur unwesentlich mehr Karten im freien Verkauf landeten, als Rasenball Leipzig vollwertige Vereinsmitglieder hat. Für wesentlich größeren Ärger sorgte der Ticketverkauf dagegen bei den Sportfreunden selber. Von den knapp 10.100 Plätzen gingen 1.100 in unsere Bierstadt, 380 an den DFB. Die restlichen 8.500 Karten wurden laut Angaben der Westfalen an die Dauerkarteninhaber und die Leute verteilt, die vor dem Pokalspiel gegen München mitgeholfen haben, den Platz von Schneemassen zu befreien. Und natürlich gab es viele Anfragen von Sponsoren. Der Obmann der Sportfreunde hatte aber so gar keine Zahl für dieses Kontingent im Kopf. Eine Aussage, die in der Stadt selber eher skeptisch betrachtet wird. Dort vermutet man vielmehr, dass viele der Karten dort gelandet sind. Wäre natürlich mehr als schade, wenn sich auf der Heimtribüne mehrheitlich der westfälische Landadel und Großgrundbesitzer tummeln würde. Kühe, Schweine und fast Bielefeld eben.
Apropos Bielefeld. Die Arminia ist ebenfalls noch im Rennen und spielt in Frankfurt um den Einzug ins Halbfinale. In den beiden übrigen Partien schießen sich mit dem Hamburger SV gegen Gladbach und Bayern gegen die Blauen vier Erstligisten gegenseitig raus. Schon deshalb sollte man Dienstag mit höchster Konzentration auflaufen. Mit einem weiteren Sieg und etwas Losglück stehen die Chancen verdammt gut für die 03+1ste Finalteilnahme in Serie. Die nächste Folge von „Wenn uns 2005 jemand gesagt hätte…“. Wäre ja schon irgendwie schön, wenn wir mittlerweile fast schon traditionell nach dem 34. Spieltag noch einen weiteren Kick als Highlight und Saisonabschluss hätten.
Heißt also, dass unsere „Wir sind nach Dortmund gekommen, um Titel zu holen“-Fraktion morgen besser mit dem notwendigen Ernst aufläuft und alle Gedanken an die Ligazugehörigkeit der Lotteraner Spieler zur Seite schiebt. Interessant wird dabei, für welche Formation sich Thomas Tuchel entscheiden wird. In der Innenverteidigung ist er auf jeden Fall zu einem Wechsel gezwungen, da sich Papa Sokratis dank Gelb-Rot gegen Hertha eine Sperre eingehandelt hat. Das dürfte halbwegs zu verschmerzen sein, da eher nicht mit einem Sturmlauf der Gastgeber zu rechnen ist. Schwieriger wird es da schon bei den Personalien Guerreiro, Reus, Dembélé oder Aubameyang. Alles Kicker, die technisch natürlich jedem Spieler von Lotte haushoch überlegen sind. Die Frage ist, wie sie mit den rumpeligen Platzverhältnissen und dem zu erwartenden robusten Einsatz der Sportfreunde klarkommen. Es wird auf keinen Fall eine Partie, auf die sich die „Schöngeister“ unserer Mannschaft wirklich freuen werden.
Trotzdem ist der BVB natürlich absoluter Favorit und wenn man halbwegs die Einsatzbereitschaft wie in den Spielen gegen Leipzig oder Freibug an den Tag legt, sollte es nach Abpfiff aus dem Gästeblock erneut schallen: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“.
Sportfreunde Lotte: Fernandez - Langlitz, M. Rahn, Nauber, Neidhart - Dej, Gorschlüter, Pires-Rodrigues - Freiberger, Sané, Lindner
Borussia:
Bürki - Piszczek, Ginter, Bartra - Durm, Castro, Weigl, Guerreiro -
Dembelé, Reus - Aubameyang