Obskure Kritik an Roman Bürki
Nach den Champions League-Partien gegen Tottenham und Real Madrid ist vielerorts laute Kritik an Torhüter Roman Bürki zu hören, persönlich lässt sich dies für mich kaum nachvollziehen. Aber der Reihe nach, was ist in den letzten Wochen geschehen? Bei der Niederlage in Wembley ließ der Schweizer zwei Schüsse von Son und Kane in die kurze Ecke passieren, die die Kritiker auf den Plan riefen. Diese führten die alte Stammtisch-Regel ins Feld, dass ein Torhüter niemals einen Gegentreffer in die kurze Ecke des Tores kassieren dürfe. Schaut man sich meiner Meinung nach allerdings die Schützen an, die beileibe keine Vollblinden sind und ihre Schüsse äußerst scharf knapp über der Schulter platzierten, dann kann man auch zur Einschätzung kommen, dass ebenfalls Bälle in die kurze Ecke unhaltbar platziert werden können.
Weiter befeuert wurde die unterschwellige Diskussion nun am Dienstagabend im Spiel gegen Real Madrid, nachdem Cristiano Ronaldo gegen Bürki nach einem Konter zum spielentscheidenden 1-3 in die kurze Ecke traf. Roman Bürki sah in diesem Fall etwas unglücklich aus, einen gravierenden Fehler möchte ich ihm jedoch nicht vorwerfen. Die Szene ähnelte einer Aktion in Wolfsburg, bei dem der Torwart Bas Dost die kurze Ecke anbot, so einen Querpass in die Mitte zu verhindern versuchte und den Ball letztlich toll parierte.
Dieses Mal ging der Plan nicht auf und der Ball landete im Netz. Erneut war die Kritik an Bürki laut und es wurde völlig ausgeblendet, dass er bei zahlreichen Angriffen von Real hervorragend reagierte und den BVB vor einer schlimmeren Niederlage bewahrte. Wie er im Übrigen am vergangenen Samstag den Weg zum Kantersieg frei hielt, indem er wiederholt den alleine heraneilenden Thorgan Hazard stoppte. Dass der BVB in den sechs Bundesligapartien der Saison erst ein einziges Tor kassiert hat, ist nicht zuletzt auch sein Verdienst.Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er in dieser Saison mehr im Fokus steht, da an unseren Torhüter durch den neuen Spielstil von Bosz andere Anforderungen gestellt werden. Das gesamte Team steht höher im Feld und damit auch der Torwart. Gegen Gladbach führte das sogar so weit, dass Bürki als einziger Bundesligatorhüter an diesem Spieltag mit seiner Heatmap außerhalb des Sechzehnmeterraumes erfasst wurde.
Aus dieser höheren Positionierung erfolgen aber auch zwei Konsequenzen: 1. Roman Bürki hat den Ball noch häufiger am Fuß als unter Thomas Tuchel. Glücklicherweise sind seine fußballerischen Fähigkeiten überdurchschnittlich 2. Er steht sehr viel häufiger im Eins-gegen-Eins gegen gegnerische Stürmer als noch im letzten Jahr. Dass dabei dann, vor allem bei der Qualität der Offensivreihen von Tottenham und Madrid, von 3-5 gegnerischen Angriffen ein Ball die Linie passiert, eben auch gut platziert ins kurze Eck, halte ich für akzeptabel. Zu diskutieren wäre eher, wie sich die Zahl der hochkarätigen Konter auf das Tor von Roman reduzieren ließe.
Und was wären überhaupt die Alternativen? Häufig werden Kevin Trapp und Timo Horn als potenzielle Verstärkungen genannt, ob diese allerdings in irgendeinem Bereich eine Verbesserung darstellen, darf bezweifelt werden. Trapp sitzt bei der Millionenschleuder aus Katar lediglich auf der Bank, obwohl Konkurrent Aréola Flatterhände zu haben scheint - auch am Mittwoch gegen den FC Bayern München wurden seine Unsicherheiten deutlich. Darüber hinaus sollte man sich nur einmal die letzten Bundesliga-Saisons Trapps in Erinnerung rufen. Da zeigte er sich nach klassischer Ehrmann-Schule gut auf der Linie, war aber auch ab und an für einen Patzer gut. Mit dem Ball am Fuß scheint er nicht gerade ein Vertreter des modernen Torhüterspiels. Letztes gilt ebenfalls für den Kölner Timo Horn, der zwar über eine gute Strafraumbeherrschung verfügt und auf der Linie ebenfalls überdurchschnittlich stark ist, aber fußballerische Probleme hat.
Wenn man erneut in Betrachtung zieht, dass die Torhüter des BVB im Jahr 2017 ständig anspielbereit sein und den Ball möglichst schnell verarbeiten müssen, dann sind beide Torhüter mit der Spielweise der Borussia nicht vereinbar. In welchen Bereichen sollen diese beiden also überhaupt besser sein? Roman Bürki ist auf der Linie hervorragend, hat sich hinsichtlich der Strafraumbeherrschung deutlich verbessert und auch gegen Madrid einige hohe Bälle souverän aus der Luft gefischt. Darüber hinaus ist er überdurchschnittlich gut mit dem Ball am Fuß und versucht, so häufig es die Situation eben zulässt, das Spielfeld schnell zu überbrücken.