Spielbericht Profis

Ein Spiel als Ouvertüre eines großen Abschieds

29.04.2017, 19:36 Uhr von:  Redaktion

Fahnenintro auf der Südtribüne

Borussia Dortmund und der EffZeh Köln trennen sich nach einem Spiel 0:0, das der BVB in der ersten Halbzeit gewinnen musste. Nach dem Seitenwechsel zog die Kölner Mauer den Dortmundern mehr und mehr den Zahn, so dass das Unentschieden am Ende auch nicht komplett unverdient war. Der Höhepunkt des Nachmittags folgte aber erst nach dem Schlusspfiff der Partie.

Ausgangslage

Wenn ein Spiel geeignet ist, bei Borussia nach dem Anschlag wieder so etwas wie normale Fußballfreude aufkommen zu lassen, dann dieses: BVB gegen EffZeh, ein Traditionsduell der Bundesliga und inzwischen auch eine Art Freundschaftstreffen der Fanszenen, während es in den Achtziger Jahren noch eine der heißesten Begegnungen der Liga war und vom Gewaltpotential direkt hinter dem Derby rangierte. Doch jetzt herrscht Friede, Freude, Exportbier, wenn die Rheinländer anreisen. Schon den ganzen Morgen sah man gemischte Grüppchen in schwatzgelb und rot-weiß durch das Kreuzviertel ziehen. Und auch im Stadion wurde die gastfreundliche Atmosphäre deutlich dadurch demonstriert, dass im Gästeblock die Fahne der DES99 wehte und auf der Süd eifrig eine Boyz-Fahne geschwenkt wurde. Auch als die Kölner Aufstellung verkündet wurde, regte sich im Süden freundlicher Applaus als Neven Subotic genannt wurde und auch Milos Jojic und Leonardo Bittencourt scheinen einigen in Dortmund noch in guter Erinnerung geblieben zu sein. Auch das Wetter war kühl aber freundlich, so dass alles für einen sorgenfreien Fußballnachmittag angerichtet schien.

Eine der besseren Gästeauftritte im WS

Thomas Tuchel brachte eine Startaufstellung aufs Feld, die nur zweistellige Rückennummern enthielt. Im Vergleich zum überraschenden Pokaltriumph in München starteten diesmal Durm, Ginter, Kagawa und Pulisic für Fußballgott Bender, Dembélé, Guerreiro und Piszczek. Nach dem Triumph bei den Bajuffen ordentlich durchzumischen, machte sicher nicht nur Sinn, um Kräfte für das große Finale zu sparen, sondern auch um die Spannung im Bundesligaendspurt Richtung direkte Champions League Qualifikation hoch zu halten. Den soeben erst zurückeroberten dritten Platz gegen die Hopps zu verteidigen, ist im Hinblick auf die nächste Saison sicher nicht weniger wichtig, als am Ende der Saison einen Pokal in den Berliner Abendhimmel recken zu dürfen. Zu You’ll never walk alone wurden nicht nur Schals in die Luft gereckt, sondern im Süden auch gegen die geplante Verschärfung des § 113 StGB protestiert, durch welche der Spielraum der Polizei nicht zuletzt auch Fußballfans zu kriminalisieren deutlich erweitert werden würde.

Erste Halbzeit

Leider Abseits

Die Gäste gewannen die Seitenwahl und entschieden sich, zunächst Richtung Süden zu spielen. Schon beim ersten Zweikampf wurde eine Erwartung bestätigt: Neven Subotic in Rot zu sehen fühlt sich einfach komplett falsch an und schmerzt auch aus dem Grund, dass man es dem zweikampfstarken Serben durchaus noch zugetraut hätte, beim BVB eine maßgebliche Rolle zu spielen, wenn er fit ist. Hinter den meisten Dortmunder Innenverteidigern müsste er sich sicher nicht verstecken und auch die Vorteile von Toprak gegenüber Subotic liegen nicht unbedingt auf der Hand.

Während es auf den Rängen zunächst unentschieden zwischen dem stimmgewaltigen Gästeblock und der durchschnittlichen Süd stand, übernahm auf dem Feld mehr und mehr die Borussia das Kommando. Die erste gute Gelegenheit gab es, als nach 5 Minuten Aubameyang am gegnerischen Strafraum gelegt wurde. Den anschließenden Freistoß setzte Reus allerdings in zwei Versuchen zweimal in die Mauer. Der BVB setzte sich anschließend mehr und mehr in der gegnerischen Hälfte fest, aber es fehlte noch an der letzten Genauigkeit, wenn es in die Nähe des Strafraums ging. Symptomatisch dafür war Aubameyangs überhasteter Abschluss eines Konters, als sein Schuss sich Richtung Eckfahne drehte und er den mitgelaufenen Reus übersah. Nach einer Viertelstunde jubelte das Westfalenstadion schon über den nächsten Treffer des BVB-Torjägers, doch der Linienrichter hatte die Fahne bei Kagawas Flanke hoch gerissen und zum Entsetzen des Gabuners

Anthony Modeste gegen Christian Pulisic

wurde seinem Treffer die Anerkennung verweigert. Ob die Entscheidung korrekt war, hätte wohl auch der Videoschiedsrichter nur mit Mühe klären können. Die nächste Großchance vertändelte dann Reus, der Aubameyang anspielen wollte und wohl besser selbst den Abschluss gesucht hätte. Die Gäste fanden offensiv in der Anfangsphase des Spiels so gut wie gar nicht statt.

Als die Gästefans ihre Mannschaft minutenlang mit Wechselgesängen nach vorne zu peitschen versuchten, spielte Aubameyang einmal unwiderstehlich seine Schnelligkeit über die linke Seite aus und sein Querpass fand Reus, der aber beim Schuss leicht in Rücklage geriet und verzog. Nach einer knappen halben Stunde schien die Führung für die Schwatzgelben nur noch eine Frage der Zeit. Doch dann kochte Subotic Reus ab und trieb den Ball nach vorne zu Rudnevs. Dessen Ablage fand Jojic und der verfehlte den Kasten nur knapp. Plötzlich schien der BVB wieder verwundbar zu sein. Auch Bittencourt marschierte kurz darauf durch die Dortmunder Abwehr wie das Messer durch die warme Butter. Zum Glück schaffte er kein präzieses Abspiel auf Rudnevs mehr. Beim BVB sollte man spätestens jetzt ausreichend an die Kölner Qualitäten im Konterspiel erinnert worden sein.

Und auch das nächste Dortmunder Tor wurde wegen Abseits aberkannt. Diesmal hatten sich die Borussen schnell nach Vorne kombiniert, wo Horn noch in höchster Not vor Reus klären konnte. Den Abpraller bracht Castro per Kopf aufs leere Tor, doch Reus war im Abseits noch am Ball, bevor dieser die Linie überquerte. Zwei ganz knappe Entscheidungen, die Schiri Stiehler zweimal zu Ungunsten des Heimteams traf. Doch die Borussen ließen sich davon nicht beirren und spielten weiter munter nach vorn. Aber auch die nächsten Versuche von Reus und Castro gingen deutlich über den

Dominique Heintz gegen Marco Reus

Kasten. Die FC Fans erinnerten dann nochmal an den Mäzen von SAP und dessen Mutter. Ob das bei einem Spiel in Dortmund wirklich eine Rolle spielen muss, ist natürlich fraglich. Aber vermutlich ging es eher darum, die Sinnlosigkeit der DFB-Sportgerichtsbarkeit und deren neue Tendenz zur Verfolgung von unliebsamen Fangesängen zu demonstrieren. Ob diese Gesänge Konsequenzen haben werden, bleibt abzuwarten. Lächerlich wäre es auf jeden Fall.

Kurz darauf war Pause und aus Dortmunder Sicht war es auf jeden Fall eher ärgerlich, dass es zu diesem Zeitpunkt noch Unentschieden stand. Bis auf wenige Ausnahmen war es gelungen, die Gäste in ihrer eigenen Hälfte einzuschnüren und genügend Gelegenheiten zum Abschluss hatte es auch gegeben. Doch entweder fehlte die letzte Präzision oder der Schiri hatte es anders gesehen. Auf den Tribünen präsentierte sich ein gut aufgelegter Gästeanhang, während auf Dortmunder Seite die Mitmachquote im Süden doch arg zu wünschen übrig ließ. Irgendwie schade, dass selbst ein überraschender Triumph in München nicht mehr ausreicht, um ein paar Tage später Euphorie im Westfalentempel zu entfachen.

Zweite Halbzeit

Klare Ansage von The Unity

Nach Wiederanpfiff präsentierten die Dortmunder Ultras Transparente: Zunächst die DES99 mit „Die Choreo mit SV sanktionieren – Aber mit der Freundschaft abkassieren“ und anschließend TU mit „Seifert: Korrupte Funktionäre sind die wahren Totengräber des Fußballs“.

Die zweite Halbzeit begann verhalten auf Platz und Tribünen. Aber dann feuerte Marcel Schmelzer einen Weckruf aus der Distanz ab, den Timo Horn nur noch mit Mühe zur Ecke entschärfen konnte. Doch auch dieser schöne Fernschuss konnte die Dortmunder Lebensgeister nicht wirklich in Schwung bringen. Ganz im Gegenteil hatte Anthony Modeste seine erste Chance im Spiel, aber auch er befand sich nach Ansicht des Linienrichters im Abseits. Nach einem üblen Fehlpass von Kagawa konnte der eingewechselte Zoller zum Glück noch auf Höhe der Mittellinie gestellt werden, ansonsten wäre der Weg zum Tor frei gewesen. Die Dortmunder Dominanz der ersten Halbzeit bröckelte und der EffZeh setzte Nadelstiche.

Beim BVB lief offensiv immer weniger zusammen. Nach einer schönen Hereingabe von Durm gelang Kagawa nur ein relativ kläglicher Abschluss. Ansonsten tat sich vor dem Kölner Tor nicht mehr viel. Thomas Tuchel entschied sich dann dazu, einen Impuls von der Bank zu setzen und brachte

Milos Jojic gegen Marcel Schmelzer

Guerreiro und Dembélé für Reus und Kagawa ins Spiel. Der junge Franzose rückte auf die rechte Seite, während Guerreiro zentral hinter den Spitzen agierte. Dembélé machte gleich mal mit einem schönen Flachschuss aus 18 Metern auf sich aufmerksam, brachte in der Folge aber auch ein paar eigensinnige Aktionen, in denen er versuchte, alleine mit dem Kopf durch die Wand zu brechen. Eine Viertelstunde vor Schluss ging dann auch noch Sokratis und für ihn rückte Piszczek in die Defensive. Der BVB stellte hinten auf eine Dreierkette um und vorne wechselten Pulisic und Dembélé die Seiten. Durch diesen taktischen Kniff sollte der Druck auf die Domstädter nochmals erhöht werden. In der Dortmunder Hälfte machten es sich derweil die Tauben gemütlich, so wenig war dort los.

Wie wenig die Kölner hier noch gewinnen wollten, zeigte nicht nur der Spaziergang von Milos Jojic zur Auswechslung, sondern auch der ein oder andere vielversprechende Konter, der lieber abgebrochen wurde, als das Risiko eines Ballverlusts einzugehen. Aber auch der BVB schaffte es in der zweiten Halbzeit kaum mehr, sich trotz drückender Überlegenheiten Torchancen herauszuspielen. Das Niveau der Partie hatte deutlich nachgelassen. Das Spiel plätscherte einem unbefriedigenden Unentschieden entgegen. In der Nachspielzeit versuchte es Modeste mit einer Schwalbe und brachte damit offenbar seine Hinterleute kurzfristig aus dem Konzept. So bekam Guerreiro noch eine gute Kopfballchance, die Horn mit einer fantastischen Parade zunichte machte. Dann war es vorbei.

Raphael Guerreiro hatte in der Schlussminute die Chance auf den Siegtreffer

Das 0:0 ist für Borussia Dortmund natürlich viel, viel zu wenig. Aus einem so überlegen geführten Spiel gegen einen bestenfalls biederen EffZeh muss man einfach einen Sieg machen, wenn man am Ende vor den Hopps bleiben will. Chancen genug gab es auf jeden Fall, aber an manchen Tagen will das Tor einfach nicht fallen. Die Anspannung im Saisonendspurt bleibt damit hoch. Auch das Spiel nächste Woche wird höchstens eine Vorentscheidung im Rennen um Platz 3 bringen. Die Mannschaft wurde nach dem Spiel von den Fans auf das Pokalfinale eingestimmt, was nach dem Sieg in München sicher angebracht war, aber andererseits sollte man auch nicht vergessen, dass vor der Kür in Berlin noch die Bundesligapflicht zu erfüllen ist. Als die Spieler dann schon Richtung Kabine unterwegs waren, bewies Kapitän Schmelzer dann Fingerspitzengefühl und rief seine Jungs nochmal zurück, um mit den Fans weiter zu feiern.

Ein ganz Großer wird gebührend gefeiert

Neven Subotic wurde nach Schlusspfiff gefeiert

Direkt nach Schlusspfiff folgte der emotionale Höhepunkt des Spieltags. Die gesamte Süd feierte Neven Subotic, während dieser seine ehemaligen Kollegen umarmte. Dann machte er sich etwas unbeholfen mit seiner aktuellen Mannschaft auf Richtung Norden, doch die große Neven Show sollte erst noch kommen. Denn die Südtribüne wollte Subotic nicht einfach in die Kabine verschwinden lassen. Bereitwillig eilte Subotic vor die gelbe Wand und ließ sich feiern. Dabei bewies er große Textsicherheit und sang nicht nur das Steigerlied unfallfrei mit, achteinhalb Jahre Borussia haben offenbar ihre Spuren hinterlassen. Die Dortmunder Mannschaft begleitete Nevens da capo mit freundlichem Applaus. Jeder im Stadion spürte, wie viel ihm dieser besondere Moment bedeutete. Hoffentlich wird man diesen außergewöhnlichen Menschen noch einmal in schwatzgelb spielen sehen. Aber selbst wenn er sich im Sommer endgültig anderweitig orientieren sollte, steht fest, dass Neven große Spuren in der Vereinshistorie der Borussia hinterlassen hat und Dortmund für immer einen großen Platz in seinem Herzen einnehmen wird.

BVB: Bürki, Durm, Sokratis (74. Piszczek), Ginter, Schmelzer – Weigl, Castro – Pulisic, Kagawa (66. Guerreiro), Reus (66. Dembélé) – Aubameyang

EffZeh: Horn – Klünter, Sörensen, Subotic, Heinz – Lehman, Jojic (80. Özcan), Hector – Rudnevs (55. Zoller), Bittencourt (71. Höger) – Modeste

Tore: Alle Abseits

Torschüsse: 23-5

Aufs Tor: 4-0

Ecken: 9:0

Ballbesitz: 72% - 28%

Web, 29.03+1.2017

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