Borussia ist immer
Ich beginne den Vorbericht mit einem Outing: Ich mag Bayernfans und habe Respekt vor ihnen.
Landläufig belächelt als Erfolgsfans, die in ihrer Versicherungsbutze am Arsch der Welt sitzen und als Operettenpublikum höflich Pflichtsiege gegen die vorbeiziehende Laufkundschaft beklatschen. Dabei stimmt dieses Klischee schon längst nicht mehr. Ihre Kurve ist zwar jetzt nicht das Nonplusultra in Sachen Lautstärke, aber sie sind im Ligaschnitt durchaus ordentlich. Das ist eine Leistung, die beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass sie 90 % aller Bundesligaheimspiele mit der einzig spannenden Frage „wie hoch heute?“ angehen. Die Bayern mögen Erfolgsfans sein, aber sie haben sich als Erfolgsfans kultiviert und es sich damit gemütlich gemacht.
Am meisten respektiere ich sie aber für ein paar Plakate bei ihrem Auftritt in Dortmund 2012/2013. Während alle Welt über das „deutsche Finale“, ja das „german classico“ in der Champions-League schwadronierte, präsentierten die Bayern folgende Tapeten:
„Alle reden vom deutschen Finale. Wir nicht!“ - „Wir sind Bayern!“ - „Wir sind München!“ - „Scheiss BVB!!!“
Bäm... Ich war kurz davor, aufzustehen und zu applaudieren. Ok, nicht für die letzte Tapete, das sehe ich naturgemäß völlig anders. Aber ich mochte diese Trotzigkeit dahinter, diesen ausgestreckten Mittelfinger in Richtung derjenigen, die das CL-Finale zu einem nationalen Knuddelwuschelgedenktag erklären wollten. Die Aussage dahinter, dass es scheißegal sei, wen man als Gegner da vor die Flinte kriegt, man schaut nur auf sich selbst und alles andere zählt nicht.
So muss das und nicht anders. Und dieses Selbstbewusstsein, diese Wir-Bezogenheit und, ja auch, Selbstgefälligkeit würde ich mir auch für uns wieder wünschen. Wir sind nicht der symphatische, bodenständige und bescheidene Gegenspieler zu den Bayern. Nicht eine Truppe Frodos, die das finstere Mordor zu Fall bringen wollen. Wir sind an der Börse notiert, peilen flockige 400 Millionen Euro als jährlichen Umsatz an und leisten uns einen Kader, bei dem nach überstandener Verletzungsseuche am Samstag eine ganze Reihe von Kickern den Sprung nicht in die Startelf schaffen werden, die bei jedem Verein aus dem Mittelfeld eine absolute Auflaufgarantie hätten. Mit „ganz ordentlich“ kommt man bei uns nicht einmal mehr in den Kader. Es ist albern, noch so zu tun, als wären wir der Underdog, der der großen Eiche Bayern ans Bein pinkeln will. Die Underdogs, das sind im Vergleich zu den Bayern die anderen Mannschaften der Bundesliga.
Aber wir sind auch nicht wie die Bayern. Wir sind Borussia Dortmund. Und was das heißt, das merkt eigentlich jeder, der sonntagmorgens in Dortmund mal beim Bäcker Brötchen holt. Da ist der Rentner, der den schwarz-gelb-weiß karierten Schal unter der Jacke trägt. Das kleine Mädchen, mit einer Emma-Tröte am Fahrrad und der Mittzwanziger, der eine BVB-Kappe trägt. Und es stehen mit Sicherheit mindestens zwei Autos auf dem Parkplatz davor, bei dem klassisch ein Schal auf der Hutablage drapiert ist.
Borussia ist nicht nur die 90 Minuten Fußball am Wochenende. Borussia ist auch, wenn du durch die Straßen läufst und durch etliche Fenster sehen kannst, dass da an der Wand irgendwas Schwatzgelbes hängt. Borussia ist, wenn der Friseur dich mit „Na, wat tippste für heute?“ begrüßt, statt mit einem „Guten Tag“. Borussia ist, wenn im Kindergarten Eltern mit den Erziehern darüber diskutieren, dass das Kind in der gelben Gruppe viel besser aufgehoben sei als in der blauen. Schon schlimm genug, dass es hier überhaupt blaue Gruppen gibt.
Wenn du in Dortmund lebst, dann gilt: „Borussia ist immer“. Die Stadt und der BVB sind unfassbar eng miteinander verwurzelt. So eng, wie es vielleicht nur noch in einer anderen Stadt, leider gar nicht so weit von uns entfernt, möglich ist. Wer das hat, wer braucht da noch andere, um sich zu definieren? Dieses Selbstbewusstsein wünsche ich mir für uns.
Und dass es jeden Samstag heißt: Wir gegen die. Und wir wollen gegen die gewinnen. Scheißegal, wer „die“ jetzt genau sind.