DFB-Pokal kann so schön sein
Es ist wieder so weit: DFB-Pokal! Eigentlich aus Fansicht eine tolle Gelegenheit. Doch seitdem es zum Dauerfinale BVB gegen FCB geht, hört man immer häufiger in Dortmund: „Also Finalniederlage gegen den FC Bayern muss dieses Jahr nicht wieder sein.“ Für den Fußball in Deutschland wäre es sicherlich auch nicht das Schlechteste. Seit der Saison 2010/2011 stand mindestens Borussia Dortmund oder der FC Bayern im Finale. Die zunehmende Verdichtung des Wettbewerbs auf einige wenige Clubs lässt sich auch an den Zahlen immer mehr ablesen. Dennoch möchte man eigentlich nie verlieren und der Pokal bietet zumindest aus Fansicht immer wieder interessante Duelle. Wenn es das Losglück gut mit uns meint, bekommt man Spiele im Moselstadion, tritt in Chemnitz an oder darf das Halbfinale in einem ausverkauften Olympiastadion erleben.
Westfalenstadion, Flutlicht und rund 12.000 Eiserne aus Berlin – es gibt schlechtere Argumente, um zum Fußball zu gehen. Alleine drei komplett ausgebuchte Sonderzüge rollen aus Berlin Richtung Dortmund. Das ist schon einmal eine Hausnummer, die unterstreicht, was der Verein im Osten Berlins für eine Strahlkraft hat. Mit Union Berlin kommt ein Verein mit wirklichem Flair und einer interessanten Fanszene. Der Verein gilt als Beispiel für eine besondere Nähe zu den Fans und hat sich damit deutschlandweit Beachtung erarbeitet. Für Borussen sicherlich bemerkenswert war, wie bei dem Testspiel 2006 der Stadionsprecher in der Alten Försterei die falsch herum hängenden Zaunfahnen öffentlich thematisierte. Das würde vermutlich nicht einmal Norbert Dickel einfallen, der schon ein echter Glückfall zwischen all den Blödelschreiern in der Bundesliga ist. Immer wieder fallen die Köpenicker dadurch auf, dass sie neben St. Pauli aus der angeblichen „Solidargemeinschaft“ Fußball ausscheren, die sich vor allem dann solidarisch zeigt, wenn auf den Fans herumgetrampelt werden kann. Da nimmt sich die BVB-Führung leider kaum selbst aus und agiert im Schatten vom FC Bayern höchst unsolidarisch, wenn es darum geht, die Verhältnisse zu manifestieren.
Dennoch kann ich persönlich dem Kult um Union Berlin nichts abgewinnen. Am Ende ist Union für mich das St. Pauli für Arme. Irgendwo zwischen „Wir sind so anders“ und knuffig duftem Stadionumbau verkultet der Club in der zweiten Liga zusehends. Aber immerhin kann man Union noch so richtig schön scheiße finden. Während die Bundesliga von Vereinen wie Hoffenheim, Wolfsburg, Rasenballsport, Ingolstadt, Leverkusen und vielleicht bald noch Heidenheim (!) so langsam überschwemmt wird, die man im besten Fall noch hassen kann, die einen aber vor allem ob ihrer Sinnlosigkeit und der eigenen Resignation nur noch nerven, ist Union ein Verein, an dem man sich noch richtig reiben kann. Auch die Fanszene muss man nicht mögen, ihre Aktivitäten rund um den Fußball und im Stadion muss man aber respektieren.
Sportliches
Obwohl Union Berlin lange Jahre der Krise erlebt hat, in denen es bis in die damalige Oberliga herunter ging, bewegte der Verein mehr Fans als mancher Verein aus Liga eins. Mittlerweile kann man sagen, dass sich die Köpenicker wohl in der zweiten Liga etabliert haben. Zurzeit bekleidet das von Jens Keller geführte Team den zweiten Platz der zweiten Bundesliga. Wie viel mit diesem Trainer noch geht, wird man sehen. Mit Jens Keller scheint man auf jeden Fall den richtigen Griff getan zu haben und kann sich bei unseren Nachbarn bedanken, dass sie ihn in ihrer so eigenen Hybris vom Hof gejagt haben. Aber wer weiß, vielleicht sieht man sich nächstes Jahr in einer der beiden Bundesligen wieder. Die Ost-Berliner haben sich in einem mühseligen Spiel gegen Duisburg durchgesetzt. In der Liga läuft es dafür deutlich besser. Jens Keller setzt auf dem taktischen Tableau auf Flexibilität. Gesetzt ist Torwart Busk und eine Viererkette davor. Die Außen werden von Trimmel und Pedersen besetzt. Die Innenverteidigung bilden Leistner und Schönheim. Für Schönheim kann aber auch Puncec den Platz neben Leistner einnehmen. Vor der Viererkette wird dann aber deutlich flexibler in unterschiedlichen 4-4-2 oder 4-3-3 Varianten agiert. Es wird interessant sein, was Jens Keller sich für das Spiel im Westfalenstadion einfallen lässt. Mit Collin Quaner hat Union auf jeden Fall einen der Topscorer der zweiten Bundesliga in seinen Reihen.
Beim BVB ist die Lage derzeit etwas unklar. Nach dem ordentlichen Auftritt in der Champions League folgten indiskutable sechzig Minuten in Ingolstadt. Erfahrung hin, Verletze her, wie man sich den Schneid in Ingolstadt abkaufen ließ, erinnert schon an die Hinrunde der letzten Klopp-Saison. Für die Zuschauer im Gästeblock war das eine echte Zumutung. Sollte man so in den kommenden wichtigen Spielen auftreten, wird es gegen Union schwierig und das Derby eine Katastrophe (das Spiel in Hamburg haben die meisten Fans sowieso schon abgeschenkt – Erfahrung prägt). Bei einem motivierten Zweitligisten wird man direkt gegenhalten müssen und auch bereit sein, die Zweikämpfe anzunehmen. Nach der Überraschung mit Weidenfeller gegen Ingolstadt im Tor wird man sehen, ob Tuchel ihn auch im DFB-Pokal nun drin lässt. Die Aufstellung davor ist beim aktuellen Lazarett schwer abzusehen. Auf jeden Fall haben sich Passlack und Pulisic auf einen Startplatz beworben, wohingegen Kagawa und insbesondere Park ihre Chance am Samstag nicht nutzen konnten. Dennoch kann es gerade bei Kagawa sein, dass er mit Blick auf die kommenden Spiele noch einmal eine Chance bekommt. Der Spielplan bis zur Winterpause bleibt ein hartes Programm.
Rahmenbedingungen
Westfalenstadion und Flutlicht unter der Woche bedeutet viel Fußballflair, aber auch, dass es voll wird. Die sowieso schon chronisch überlastete B1 wird noch voller und trotz der drei Sonderzüge wird mit etlichen motorisierten Gefährten aus Berlin zu rechnen sein. Eine frühe Anreise ist also geboten. Vermutlich wird sich StraßenNRW aber noch etwas wie eine baubedingte Vollsperrung der B236 oder ähnliches einfallen lassen. Leidgeplagte Pendler würde das sicherlich nicht überraschen. Sollte sich die Wettervorhersage halten, steht einem stimmungsvollen Abend hingegen nicht viel entgegen. Bei sieben bis zehn Grad und keinem Regen ist alles angerichtet für ein stimmungsvolles Spiel auf dem Rasen und den Rängen. Eine volle rote Nordtribüne und eine gelbe Südtribüne können für beste Atmosphäre sorgen, da man auch völlig vom Diktat einer Liveübertragung der ARD verschont bleibt.
Es gibt übrigens noch auf mehreren Tribünen Tickets zu erwerben, wer also immer schon einmal ins Westfalenstadion wollte, Mittwoch hat man die Chance.
Nicolai, 25.10.2016