Zurück auf der großen Bühne
Nach einem Jahr Abstinenz kehrt Borussia Dortmund in dieser Woche auf die große Bühne der Champions League zurück. Abgehakt sind Auswärtsfahrten, die die BVB-Fans in der Gruppenphase der Europa League nach Krasnodar, Saloniki und Baku führten. Statt dem fernen Aserbaidschan und, bei allem Respekt, für den Betrachter eher unattraktiven Gegnern stehen nun Hochkaräter aus Portugal, Polen und Spanien auf dem Spielplan.
Nicht nur die Reise nach Lissabon zum portugiesischen Traditionsverein Sporting dürfte ein Highlight werden, sondern ebenso der Trip nach Warschau ins Stadion Wosjka Polskiego, dessen guter Ruf ihm bezüglich der Stimmung vorauseilt. Gleichzeitig ist damit auch zu verschmerzen, dass statt dem Arsenal FC in dieser Saison Real Madrid den alten Bekannten spielt, auf den der BVB in der jüngeren Vergangenheit in aller Regelmäßigkeit traf. Als Einstimmung für die anstehende Auswärtspartie in Warschau gibt es heute einen kleinen Überblick über die Entwicklung des polnischen Fußballs in den letzten Jahrzehnten, der sehr lange auf eine eigene Mannschaft in der Gruppenphase der Champions League warten musste.
20 Jahre ohne Champions League-Fußball in Polen
Von großer Bedeutung ist die Qualifikation für die Gruppenphase nicht nur für den kommenden Gegner Legia, sondern ebenso für den gesamten polnischen Vereinsfußball. Zwanzig Jahre sind vergangen, seitdem sich zuletzt ein Team aus Polen in der Gruppenphase der Champions League mit anderen europäischen Spitzenmannschaften messen konnte. Um nochmal zu verdeutlichen, wie lange das bereits her ist: Als letztmals ein Klub aus Polen in der Gruppenphase vertreten war, gewann Borussia Dortmund den Pokal in München. Die Gründe für die lange Abwesenheit polnischer Vertreter sind vielfältig.
Widzew Lodz zog 1996 in die Hauptrunde ein und schon ein Jahr zuvor war es Legia Warschau gelungen, bis ins Viertelfinale des Europapokals vorzustoßen. Schon zu dieser Zeit kündigten sich allerdings Probleme im polnischen Fußball an, deren Auswirkungen über Jahrzehnte Einfluss auf die Entwicklung der Vereine haben sollten. Genannt werden muss an dieser Stelle der Hooliganismus, der sich in den 90ern stetig steigerte und 1997 seinen Höhepunkt erreichte. Im Heimspiel des UEFA-Pokals kam es beim Spiel von Wisla Krakau gegen das italienische Parma zu einem Eklat: Der italienische Mittelfeldspieler Dino Baggio wurde von einem Messer getroffen, welches aus dem Fanblock in Richtung Spielfeld geworfen wurde. Brachte dieser Vorfall für den Spieler glücklicherweise keine Langzeitfolgen mit sich, so fiel die Bestrafung seitens der UEFA für den gastgebenden Verein nicht so glimpflich aus. Wisla wurde für ein Jahr aus allen europäischen Wettbewerben verbannt und auch die Vereinsverantwortlichen gaben im Nachgang kein gutes Bild ab, spielten diese das Ereignis damals doch herunter, um nicht dazu gezwungen zu werden, das polnische Hooliganproblem thematisieren zu müssen.
Sportlich war die Bestrafung vor allem deswegen so hart, weil Wisla zu diesem Zeitpunkt eine sehr vielversprechende Mannschaft besaß, die die Ekstraklasa mit 17 Punkten Vorsprung gewinnen konnte und der wesentlich mehr im internationalen Wettbewerb zugetraut wurde als deren Ersatz Widzew Lodz. Jener Verein wiederum geriet in eine sehr lange Abwärtsspirale, an dessen Ende nach vielen Abstiegen die Insolvenz (2015) stand. Aber nicht nur der Hooliganismus brachte den polnischen Fußball in Verruf, sondern auch die regelmäßigen Gewaltausbrüche, Rassismus und in einzelnen Fällen sogar Todesfälle in der Hooliganszene.
Korruption im polnischen Fußball
Im Jahr 2005 kam die weitverbreitete Korruption und Spielmanipulation im polnischen Fußball ans Licht. Michal Listkiewicz, der Präsident des polnischen Fußballverbandes (PZPN), sah allerdings keinen Grund zur Aufregung und reagierte auf die Verhaftung mehrerer Schiedsrichter aus der ersten Liga aufgrund von Manipulationsvorwürfen gelassen: "Natürlich kann es in jeder Gesellschaft passieren, dass ein oder zwei Individuen nicht ehrlich sind, aber ich denke, wir haben nur wenige Schiedsrichter, die nicht ehrlich sind. Es ist sehr schwer zu beweisen. Wenn man nur die Schiedsrichterentscheidungen in Betracht zieht, dann ist es sehr schwierig." Letztlich zeigte der Verband nur wenig Initiative dabei, die Vorwürfe aufzudecken. Dennoch wurden damals 200 Personen verhaftet (Schiedsrichter, Trainer, Spieler und Verantwortliche des Verbandes).
Insgesamt konnten etwa 75 Vereine mit der Manipulation von Spielen oder anderen korrupten Machenschaften in Verbindung gebracht werden, faktisch bestraft wurde allerdings nur eine geringe Anzahl dieser Klubs. Unter den Verurteilten war u.a. Zaglebie Lubin, die 2007 noch polnischer Meister wurden und in Folge des Skandals zwangsabsteigen mussten, sowie die Mannschaft von Widzew Lodz, deren Aufstieg in die Ekstraklasa untersagt wurde. All diese Anschuldigungen und Verurteilungen sorgten wiederum dafür, dass die Zuschauerzahlen der Liga zurückgingen und die Bedingungen für die Vereine immer schwieriger wurden, um sich zu einem Champions League-Aspiranten zu entwickeln.
Pech im Spiel
Aber nicht nur die genannten Umstände sorgten dafür, dass der polnische Fußball in keinem guten Licht stand und lange auf den nächsten Champions League-Verein warten musste. Hinzu kam auch jede Menge sportliches Pech bei den Auslosungen für die Qualifikation. So mussten polnische Mannschaften im genannten Zeitraum beispielsweise dreimal gegen Barcelona und einmal gegen Real Madrid in der letzten Qualifikationsrunde antreten. Ärgerlich waren zusätzlich späte Niederlagen gegen Panathinaikos (2005) und gegen die Zyprioten von APOEL (2011).
Vor zwei Jahren folgte für Legia Warschau eine eigene peinliche Schmach in der Qualifikation zur Champions League: Obwohl man die Schotten von Celtic nach zwei Partien sportlich geschlagen hatte (6-1), konnte man sich wegen eines Regelverstoßes nicht für die nächste Runde qualifizieren. Grund war ein Wechselfehler seitens der Polen, die einen Spieler auf das Feld schickten, der noch eine Sperre aus der vorherigen Runde abzusitzen hatte. Am grünen Tisch wurde das Spiel 3-0 für die Schotten gewertet und so gewannen diese mit Hilfe der Auswärtstorregel.
Die sportliche Unbekannte
Rein unter sportlichen Gesichtspunkten sollte Legia der leichteste Gegner für die Mannschaft von Thomas Tuchel sein. Als polnischer Vorjahresmeister musste Warschau sich ab der 2. Runde durch die Champions League-Qualifikation mühen, konnte sich letztlich aber gegen Gegner wie Zrinjski Mostar (Bosnien-Herzegowina), AS Trencin (Slowakei) und den Dundalk FC (Irland) durchsetzen und für die Gruppenphase qualifizieren - auch wenn die letzte Runde gegen hochmotivierte Iren zu einer echten Zitterpartie wurde. In der polnischen Ekstraklasa läuft es dagegen bisher alles andere als rund: Nach acht gespielten Partien kann Legia lediglich neun Punkte aufweisen und liegt auf dem zwölften Tabellenplatz. Alles in allem bleibt die Mannschaft ob ihrer möglichen Leistungsfähigkeit ein echtes Fragezeichen. Der BVB tut allerdings gut daran, den Gegner nicht zu unterschätzen, gerade vor dem Hintergrund des stimmgewaltigen Stadions und der eigenen mäßigen Leistung im letzten Bundesligaspiel.
Aufmerksam gemacht werden muss noch auf die Vorabinformationen der BVB-Fanbetreuer, die darauf hinweisen, dass das Gewaltpotenzial der aktiven Fanszene Legias höher als das anderer Vereine einzuschätzen sei. Es wird jedem Auswärtsfahrer ans Herz gelegt, die Augen in Warschau offen zu halten.
Mögliche Aufstellungen:
Legia: Malarz - Brozi, Czerwinski, Rzeznicczak, Bereszynski - Odjidja-Ofoe, Moulin, Radovic - Guilherme, Langil, Nikolic.
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Bartra, Schmelzer - Rode, Weigl - Schürrle, Götze, Castro - Aubameyang.
Schiedsrichter: Sergei Karasev (Russland)
DerJungeMitDemBall, 13.09.2016