Alles roger in Leverkusen
In einem taktisch interessanten ansonsten eher mittelmäßigen Bundesligaspiel schlägt Borussia die „Werkself“ mit 1:0 und zieht nun einsam auf Platz zwei in der Liga seine Kreise, fern der Meisterschaft und noch ferner von Platz drei.
Eine Reise nach Leverkusen hat sich in den letzten Jahren für unsere Borussia „fast“ immer gelohnt. Seit neun Jahren ist der BVB in Leverkusen ungeschlagen. Hinzukommt der recht schöne Gästeblock, die Stehtickets für 15 Euro, die teuren Sitzplatzkarten verschweigen wir besser an dieser Stelle besser, die relativ kurze Anreise und die immer freundlicher werdenden Ordner am und im Stadion. Musste man die Jahre zuvor noch sein Nasenspray in die Mülltonne werfen, schließlich könnte es als Wurfgeschoss genutzt werden, konnte es dieses Mal mit ins Stadion genommen werden. Auch wenn das Gebiet um das Stadion, gemessen an den eingesetzten Polizisten, einem Hochsicherheitstrakt glich, verlief die Anreise relativ reibungslos. Begriffe wie „Pillendreher“ oder „Majas“ („wie süß- so hat uns schon lange niemand mehr genannt“ wurden zwar häufig zwischen den beiden Fanlagern ausgetauscht, dennoch herrschte rund um das Stadion eine angenehme Atmosphäre in den Fastfood-Läden und Kneipen rund um das Stadion. Im Stadion selbst wird die Musik immer gewöhnungsbedürftiger. Zum einen liegt es an der Beschallungsanlage, die, man mag es kaum glauben, noch übler als im Westfalenstadion ist. Zum anderen liegt es an der abgespielten Musik die irgendwie gar nicht in ein Fußballstadion passt. Lediglich das Leeeeeeeverkussssen zum einlaufen der Mannschaften, dessen Text auf der Anzeigentafel zum mitsingen angezeigt wird, passt i in ein Fußballstadion. Inwiefern die Pyroeinlage der Dortmunder-Ultras zum Einlaufen der Mannschaften in ein Stadion gehört, steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben....
„Mannis“ Comeback und Pulisic Startelfdebüt
Überraschungen gab es an diesem Nachmittag zu genüge. Die erste gleich schon vor dem Spiel mit der Startelf der Borussia. Zu seiner eigenen Überraschung fand sich Christian Pulisic neben Moritz Leitner, Mathias Ginter, Eric Durm, Sokratis und „Manni“ Bender in der Startelf. Tuchel ließ zwischen den Euro-League-Spielen ordentlich rotieren. Reus, Kagawa, Schmelzer, Weigl, Subotic, Ramos und der wieder von der Grippe genesene Roman Weidenfeller saßen „nur“ auf der Bank.
Schach auf hohem Niveau
Mit viel Respekt vor einander plätscherte die Partie zwischen zwei sich gut kennenden Mannschaften in den ersten Minuten dahin. Einzige Highlights waren die mit Leidenschaft geführten Zweikämpfe im Mittelfeld. Vor den Toren beider Mannschaften passierte zunächst nichts. Beide Parteien neutralisierten sich. Der ein oder andere begeistere Schach-Fan mag dabei auf seine Kosten gekommen sein, wenn Tuchel und Roger Schmidt ihre Spielerpüppchen neu formierten bzw. in ihre Positionen stellten. Scheinbar dankbar waren beide Trainer, wenn einer der Spieler verletzt am Boden lag, damit sie schnell ihrer Taktik den Feinschliff geben konnten und auf den ein oder anderen Spieler noch Einfluss nehmen konnten. Es war so ein Kick, bei dem der Spruch: „ Ein Tor würde dem Spiel gut tun“ 100% zutraf. Auch wenn beide Mannschaften redlich bemüht waren, wollte in der ersten Halbzeit kein Tor „fallen“. Es roch nach einer Nullnummer und so manch ein Fan hatte seine Erwartungen an einen spannenden und spektakulären Fußball zwischen zwei Spitzenmannschaften schon begraben.
Doch immer dann, wenn man nichts mehr erwartet, kommt es meistens viel besser als man denkt. Natürlich reagierten beide Trainer auf die destruktive Vorstellung ihrer Mannschaften. Tuchel brachte Reus zu Beginn der zweiten Halbzeit, es war der Auftakt zu einem interessanten Fußallnachmittag.
„Zwayfelhafte“ Entscheidungen
Der Höhepunkt des Spiels sollte ein Foulspiel bzw. der daraus resultierende schnell ausgeführte Freistoß in der 64. Minute werden. Nach einem Foul von Kießling an Bender führte Ginter den Freistoß schnell, allerdings ein paar Meter vom eigentlich Tatort entfernt, aus. Dann ging es ganz schnell bis letztlich Durm auf Aubameyang passte und der Ball im Tor zappelte. Darüber regte sich Roger Schmidt so sehr auf, dass Schiedsrichter Zwayer ihn auf die Tribüne schicken wollte. Allerdings machte er die Rechnung ohne den Trainer der Leverkusener, der unter keinen Umständen seine Coaching-Zone verlassen wollte. Es folgte ein Spektakel, welches man wohl in der Bundesliga in der Form wohl noch nicht erlebt hat. Es folgt ein Schauspiel mit den Protagonisten Schmidt und Zwayer und mit Kiesling in einer Nebenrolle, der zweimal seinen Coach aufforderte den Innenraum zu verlassen. Alle Versuche blieben vergeblich. Letztlich lockte man Schmidt mit einen Trick in die Kabine, indem man vorgab eine weitere Halbzeit durchzuführen. Den Gerüchten nach wurde Schmidt von Rudi Völler in der Kabine gefesselt und geknebelt, so dass Roger Schmidt daran gehindert wurde, erneut sich den Anweisungen des Schiedsrichters zu widersetzen. Das Spiel konnte nun weitergehen. Die Stimmung bei den Fans kocht zum ersten Mal richtig auf. Beide Fan-Lager feiern die zweiten „Halbzeitpause“ lautstark inklusiver Schmähgesänge. Überhaupt nicht witzig fanden die Leverkusener die FC Köln Schlachtrufe aus dem Gästeblock, was der Stimmung allerdings keinen Abbruch tat- im Gegenteil. Hätte man im Vorfeld von einer zweiten Pause gewusst, wäre die Schlange an den Toiletten in der ersten Halbzeit sicher nur halb so lang gewesen. So aber waren einige Fans mit der Gesamtsituation anscheinend überfordert, dass diese weder auf die Idee kamen sich neues Bier zu kaufen oder aber von den Toiletten Gebrauch zu machen.
Von ihrem Trainer befreit spielten die Leverkusener frei auf. Davon sichtlich irritiert spielte Sokratis im eigenen Strafraum Volleyball, zum Glück hatte Zwayer noch mit seiner „Autorität“ zu kämpfen, sonst hätte es in der 72. Minute Elfmeter für die „Werkself“ gegeben. 10 Minuten vor dem Ende hatte Reus die Entscheidung auf dem Fuß, vergab diese aber kläglich. Am Ende zittern sich die Dortmunder zu einem wohl schmeichelhaften 1:0 Sieg.
Fazit
Ohne Zwayer und Roger Schmidt wäre die Partie gegen Leverkusen sicher ein langweiliger Sonntagskick geworden. So aber wurde es ein kleiner Skandal-Kick mit Happy-End aus schwatzgelber Sicht. Allerdings gerät der sportliche Erfolg der Borussia dabei in den Hintergrund. Es wird darüber diskutiert werden, inwiefern ein Roger Schmidt eine Vorbildfunktion für Trainer in unteren Ligen hat, ob die Entscheidung des Schiedsrichters die richtige gewesen ist und ob man diese Situation nicht auch anders hätte lösen können. In der Kreisliga hätte vermutlich der Vorstand des betroffenen Vereins den Trainer persönlich von der Anlage gescheucht und sich nicht schützend vor ihn gestellt.
So haben sie gespielt
Werkself
Leno - Jedvaj , Tah , Toprak , Wendell - Kramer , Kampl - Bellarabi , Mehmedi - Chicharito , Kießling
Einwechslungen:
46. K. Papadopoulos für Toprak
46. Ramalho für Kampl
57. Hilbert für Jedvaj
Borussia Dortmund
Bürki - Piszczek , Sokratis , Hummels , Durm - S. Bender - Ginter - Leitner - H. Mkhitaryan , Pulisic - Aubameyang
Einwechslungen:
46. Reus für Pulisic
69. Weigl für S. Bender
77. Subotic für Sokratis
Zuschauer: 31.000 (ausverkauft)
Die Spieler in der Kritik
Bürki: Ordentliche Leistung, auch wenn seine Dribblings den Puls steigen lassen (2)
Piszczek: Einige Stockfehler, ansonsten sehr solide auf der Außenbahn (3+)
Sokratis: Fußballerisch eine Bank, beim Handball eher unbeholfen (2)
Hummels: Bärenstark- Denker und Lenker der Abwehr mit super Zweikampfwerten (1-)
Durm: Lief gelegentlich dem Gegner etwas hinterher und konnte kaum Akzente in der Offensive setzen. Ansonsten aufmerksam und fleißig (3)
S. Bender: Tolle Zweikämpfe und ein ordentlicher Staubsauger vor der Abwehr (2-)
Ginter: Leitet das 1:0 ein und ähnlich wie Bender sehr solide im Defensivverhalten (2-)
Leitner: Sehr engagiert mit einigen guten Szenen in 1 gegen 1 Situationen (2-)
H. Mkhitaryan: Arbeitete viel in der Defensive ohne die großen Aktionen in der Offensive zu haben (2-)
Pulisic: Wirbelte ordentlich in der Offensive und gefiel in einigen Situationen durch seine Technik zu glänzen (2-)
Aubameyang: Bis auf das Tor und seinem Tor-Salto eher unauffällig (3)
Christoph, 21.02.2016