Spielbericht Profis

Gruselkick in Köln

10.12.2016, 23:39 Uhr von:  Redaktion

Voller Block - durchwachsener AuftrittZum vorletzten Mal im Jahr 2016 hieß es für uns heute: auswärts fahren mit Borussia. Als Ziel dieser Fahrt stand die wohl entspannteste aller Erstligadestinationen auf dem Programm. Es ging zum 1. FC Köln. Bei freier Fahrt ist es nur eine entspannte Autostunde von der Bierhauptstadt entfernt. Dazu ist das Müngersdorfer Stadion nicht nur ziemlich schön, sondern auch ziemlich atmosphärisch und die Beziehungen zwischen den Fanlagern sind sehr entspannt. In den wärmeren Jahreszeiten kann man schwarzgelb und rotweiss gemischt auf der großen Wiese vorm Stadion herumlungern sehen. Beste Rahmenbedingungen für einen tollen Fußballnachmittag.

Viele dieser Nachmittage haben übrigens die Klappsitze auf der Pressetribüne anscheinend erlebt, die sich nur noch mit roher Körperkraft runterdrücken lassen. Hallo, FC Kölle: gönnt Euren Sitzen da mal eine ordentliche Portion Kontaktfett. Aber ich will ja nicht meckern, die Sicht auf den Platz und ins weite Rund ist dafür von dieser Stelle phänomenal gut. So kann man fast aus nächster Nähe beobachten, welchen Spaß die Ersatzspielertruppe beim berühmten Kreisspiel hat. Als Emre Mor in der Mitte von Bartra getunnelt wird, ist ganz großes Hallo in der Truppe. Mor springt den Spanier an, der Rest feixt sich einen Ast weg. Die Stimmung in der Mannschaft ist auf jeden Fall auf einem ordentlichen Niveau.

Choreografie zu 20 Jahre Wilde Horde in der Südkurve

Dann kommt das, worauf man sich auch als Nicht-Kölner ja doch irgendwie heimlich freut. Die Höhner schmettern aus den Boxen ihr „Mer stonn zo dir FC Kölle“ und das Stadion brüllt wie immer in beeindruckender Lautstärke mit. Für mich mit Abstand die beste Stadionhymne – noch vor dem Zebratwist der Duisburger. Es ist was eigenes, es ist in Mundart und es hebt sich wohltuend ab von all den Baukästenhymnen, in denen sich Herz auf Schmerz reimt und eine bezahlte Dorfdisco-Rampensau von der ewigen Treue zu einem Plastikclub schmachtet. Zum Schluss wedeln nochmal alle kräftig mit ihren Schals und dann kann es auch schon losgehen. Also fast zumindest. Vor dem Anstoß feierte sich die Kölner Ultragruppe „Wilde Horde“ mit einer Choreo zum 20. Geburtstag erst einmal amtlich selbst. Das Motiv dabei sorgte erstmal für offene Münder und dürfte so in dieser Art wohl eher nicht vom Verein freigegeben worden sein. Zentral im Stehplatzbereich wurden die Eckpfeiler des Stadions hochgezogen, dazwischen zwei stilisierte Fans mit ein bisschen Rauch. So weit, so harmlos. Dazu wurden Papptafeln hochgehalten, auf denen unter anderem „UEFA Mafia“ oder Polizei in Kampfmontur dargestellt wurde. Über den ganzen Oberrang dann eine Blockfahne mit einer Kurve, in der massig Bengalos brennen, das Logo der befreundeten Supras aus Paris, die Zahlenkombination „1312“ - also ACAB, die damals geklaute Zaunfahne der Ultras Mönchengladbach und ein brennender Polizeibulli. Dazu noch viele kleinere Details, die Freund und (vermuteten) Feind der Gruppe darstellten. In seiner Gesamtheit dürfte die Choreo vielen Offiziellen bei Verein und Verband sauer aufstoßen und auch aus den Sitzplatzbereichen gab es einige Pfiffe als Reaktion.

Schwerer Stand: Pierre-Emerick Aubameyang

Auf Dortmunder Seite war der Gästebereich natürlich gut gefüllt. Das ist dann aber mittlerweile leider auch schon so ziemlich das einzig wirklich positive, was man über uns noch sagen kann. Nur sehr selten war der schwatzgelbe Anhang im Stadion wirklich gut vernehmbar. Nämlich dann, wenn mal alle an einem Strang zogen und mitmachten. Über weite Strecken kann sich aber sogar der Stehplatzblock kaum noch motivieren und unterm Strich steht nur noch ein Schatten der Kraft und Power, die wir BVB-Fans vor sechs bis sieben Jahren noch auf die Tribüne zaubern konnten. Wirklich schade.

So, jetzt habe ich aber schon ganz viel geschrieben, es war aber noch nicht ein Wort zum Spiel dabei. Seid froh. Das Spiel war die Essenz solcher Kackauftritte wie in Ingolstadt oder in Frankfurt und mittendrin dürfte sich Thomas Tuchel schon geärgert haben, sich den dezenten Hinweis auf technische, taktische und mentale Defizite nicht doch bis heute aufgehoben zu haben.

Dabei versprachen die ersten zehn Minuten noch ziemlich guten und unterhaltsamen Fußball. Kurz nach Anpfiff setzte sich bereits Dembélé bis zur Grundlinie durch und passte auf Marco Reus in den Rücken der Abwehr. Der säbelte leider ziemlich über den Ball, statt ihn ins Tor zu dreschen. Merkt Euch den Spielzug mal für später. Achtung Spoiler: wird noch wichtig.

Özcan gegen DembeleGemerkt hatten sich das auf jeden Fall die Kölner, die mit einer exakten Kopie fast die Führung erzielt hätten. Rudnevs schüttelte Papa Sokratis auf dem Weg zur Grundlinie ab und in der Mitte kam Özcan deutlich kontrollierter zum Schuss als Reus zuvor, aber zum Glück setzte er den Schuss dann doch ziemlich deutlich übers Tor.

Wieder nur kurze Zeit später, wir sind gerade mal in der neunten Minute, lupfte Dembélé einen Pass auf Reus, der in die Mitte zu Auba, der natürlich locker einnetzt. Dummerweise aus dem Abseits heraus. Das war es dann zumindest auf Dortmunder Seite für laaaaaaaaaaaaaaange Zeit mit der Schilderung fußballerisch auffälliger Aktionen. Abgelöst wurden sie von Unkonzentriertheiten, schlampigem Passspiel, viel Einfallslosigkeit und individuellen Fehlleistungen. Vermutlich aber auch dadurch begünstigt, dass Tuchel bereits in der 27. Minute den etatmäßigen Rechtsverteidiger Piszczek auswechseln musste. Statt entweder positionsgetreu Passlack zu bringen oder einen offensiven Spieler wie Pulisic und Erik Durm dafür in die Abwehr zu ziehen, entschied der Trainer sich dafür, Marc Bartra zu bringen und auf Dreierkette umzustellen. Damit, dass die Kölner Augenblicke später jubelnd übereinander herfielen, hatte diese Umstellung jedoch wenig zu tun. Hector schlug einen Freistoß lang in den Strafraum und Rudnevs köpfte ziemlich allein gelassen ins Netz. Kann ja keiner ahnen, dass das so geht. Ist ja nicht so, als hätte Ingolstadt unserer Mannschaft zwei Mal intensiv erklärt, wie man so eine Situation genau nicht verteidigt. Einfach albern, erneut so hilflos auf ganz simple und klare Spielsituationen zu reagieren.

Musste später raus: Sokratis, hier gegen Rudnevs

Dann war zum Glück bald Halbzeit und auf dem Weg in die Kabine gelang es Ousman Dembélé, sein Gegenüber Heintz noch so zu bepöbeln, dass Schiedsrichter Zwayer die gelbe Karte zeigte. Chapeau, das schafft auch nicht jeder.

Direkt nach Wiederanpfiff wäre auch schon fast direkt Ende im Gelände gewesen. Castro ermöglichte Modeste mit einem katastrophalen Ballverlust, alleine aufs Tor zu laufen. Weide konnte ihn zwar zur Seite abdrängen, aber auch nicht verhindern, dass der Kölner Stürmer den Ball an ihm vorbeilegte. Das reichte zum Glück zumindest so weit, dass der Winkel spitz genug wurde, so dass der Franzose nur das Außennetz traf.

Kurze Zeit später war dann auch schon für Gonzalo Castro Feierabend und er wurde für Sebastian Rode vom Platz genommen. Eine Auswechslung, die auch dann ihre Berechtigung gehabt hätte, wenn nur noch Erstazkeeper Bonmann auf der Bank gewesen wäre. Rabenschwarzer Tag für Castro und die Fortsetzung einer Serie von Spielen mit maximal durchschnittlichen Leistungen. Schade, dabei kann er viel mehr.

In der Folge wurde die Partie hektischer und auch härter. Viele kleinere und größere Fouls, bei denen Zwayer nicht immer wirklich auf der Höhe wirkte. Vor allem der Ex-Blaue Höger hätte sich nicht beschweren dürfen, wenn sein Foul an Sokratis härter als mit der gelben Karte geahndet worden wäre. So durfte er auf dem Platz bleiben, für Sokratis war aber leider Schluss. Verletzungsbedingt schlich er vom Platz und wurde von Adrian Ramos ersetzt.

Marco Reus bejubelt den Ausgleich

Viele, viele eher planlos in den Strafraum der Kölner geschlagene Bälle später dann endlich der erste wirklich vernünftige Angriff unserer Borussen seit der neunten Minuten. Ich habe ja am Anfang geschrieben, dass man sich die Szene mit Reus im Rücken der Abwehr in Erinnerung behalten sollte. Diesmal konnte Ramos zur Grundlinie durchlaufen und den erneut besten Dortmunder Offensivspieler mustergültig bedienen. Entsetzen bei den Domstädtern, die die drei Punkte gedanklich schon im Sack wähnten. War ja auch die 90. Minute. Vier Minuten später dann noch endlich der verdiente Platzverweis für einen Kölner. Nach Foul an Dembélé durfte sich Özcan etwas früher unter die Dusche verabschieden und sich so den begehrten Platz in Nähe der Heizung sichern. Ein Freistoß später war dann aber auch wirklich Ende.

Unterm Strich ein Spiel, bei dem der BVB wie gewohnt fast durchgängig deutlich mehr Ballbesitz verzeichnen konnte, aber erschreckend wenig damit anfing. Ein Sieg der Kölner wäre nicht unverdient gewesen und der Ausgleich, nicht nur aufgrund des Zeitpunkts, eher glücklich.

Sascha, 10.12.2016

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