Der unvergoldete Oktober
Warm-Up
Es gibt Dinge, die ändern sich nie. Und das ist auch gut so. So auch vor dem 149. Revierderby. Immer noch das Spiel der Spiele, immer noch absolut elektrisierend, immer noch Gänsehaut. Sportlich der BVB momentan eher Achterbahn und unter dem Motto „Harte Arbeit“ unterwegs, kam das Derby zum wohl genau richtigen Zeitpunkt. Der Oktober sollte für die Dortmunder in der Bundesliga wenigstens noch ein paar goldene Tropfen abbekommen, wartete man doch seit drei Partien auf einen Sieg. Die Blauen kamen mit der Empfehlung von sechs ungeschlagenen Pflichtspielen in Folge im Gepäck in den Tempel. Doch fern von allen Zahlen, Fakten und Statistiken zählte wie immer nur das eine: Königsblau mit einer Niederlage wieder nach Hause zu schicken.
Taktik & Personal
Zum wichtigsten Spiel der Saison lichtete sich das Lazarett von Schwarz-Gelb wieder erheblich. Schürrle und Guerreiro kehrten in den Kader zurück und begannen auf der Bank. Youngster Bruun Larsen durfte dort ebenfalls Platz nehmen, genauso wie Rückkehrer Bartra. Kagawa durfte von Beginn an ran und ersetzte den angeschlagenen Castro, auch Pulisic kehrte ins Team zurück. Den Abwehrriegel bildeten Piszczek, Sokratis, Ginter und Passlack. Weigl, Götze und Dembélé komplettierten das Mittelfeld. Auba ersetzte Ramos im Sturm.
Erste Hälfte
Auf der PK vor dem Spiel lobte Thomas Tuchel noch den „Männerfußball“, den die Blauen aus seiner Sicht in dieser Spielzeit zu praktizieren scheinen. Die Wahrheit sah zu Anfang der Partie allerdings anders aus. Schwarz-Gelb war es, die dort hinlangten, wo es weh tat. Nach knapp elf Minuten hatten sowohl Shinji als auch Weigl schon den gelben Karton gesehen. Auch spielerisch stockte es im ersten Abschnitt noch gewaltig. Das System der Mannschaft von Markus Weinzierl bereitete dem BVB erhebliche Probleme. Zwar nicht qualitativ, jedoch von der Art und Weise, erinnerten viele Elemente im Spiel von Königsblau an das seit Jahren von Juventus Turin präferierte Spiel. Das Zentrum wurde komplett dicht gemacht, bei Dortmunder Ballbesitz mutierten die nominellen Außen Schöpf und Kolasinac zu zusätzlichen Verteidigern. So konnte der BVB weder Tempo, noch Überraschungsmomente kreieren. Weitestgehend einfallslos präsentierte sich die momentan eher formschwache Truppe im heimischen Tempel. Die Statistik von null Torschüssen nach knapp 20 Minuten, sollte leider als Fingerzeig für den restlichen Spielabschnitt dienen. Auch die zwischenzeitliche griechische Initialzündung von Sokratis in alter Lucio-Manier konnte für die erste Hälfte kein Feuer mehr entfachen.
Über weite Strecken des ersten Abschnitts blieb auch die Süd eher blass und entschloss, nach einer knappen halben Stunde mit geklauten königsblauen Zaunfahnen wenigstens ein bisschen Alarm zu machen. Generell wurde die Stimmung eines Derbys eher selten gerecht. Zwar trugen 0:4 Torschüsse nach 42 gespielten Minuten erheblich dazu bei, ein bisschen mehr Atmosphäre hätte aber trotzdem nicht geschadet. Halbzeit eins ging zu Ende, und das mit genau null (!) Torschüssen. Viel brotloser Ballbesitz gepaart mit wenig Tempo und Tiefe. Als Borusse galt: schnell abhaken.
Zweite Hälfte
Zu Beginn von Hälfte zwei zeigte die Borussia ihr eigentliches Gesicht. Mit Dampf kam man unverändert aus der Kabine, erhöhte den Druck auf den Defensivverbund von GE, kam aber nicht unmittelbar zu gefährlichen Abschlusssituationen. Die erste richtige Torchance der Partie gehörte jedoch den Blauen: Nach eigener Ecke rannte man in einen Konter, bei dem Meyer mit einem langen Diagonalball Kolasinac fand. Der Bosnier scheiterte jedoch an Bürki.
Die ersten zehn Minuten des zweiten Spielabschnitts boten mehr Action und Spannung als die komplette erste Hälfte. Youngster Pulisic brach auf rechts durch, die Flanke erreichte über Umwege am langen Pfosten Dembélé, der Franzose drosch die Kugel aber leider nur an den Querbalken. Die Borussia entriss sich selbst aus dem Tiefschlaf, war nun endgültig im Spiel angekommen. Die Torgelegenheiten häuften sich, Pulisic, Aubameyang und Götze mit ihren Versuchen. In Minute 74 der BVB mit der wohl größten Chance: Dembélé spielte einen feinen Steilpass auf Aubameyang, die gabunische Tormaschine chippte den Ball an Fährmann rechts vorbei Richtung des heran eilenden freistehenden Pulisic, Kolasinac machte sich mit seiner klärenden starken Grätsche dann wohl zum Matchwinner für die Blauen. Fraglich nur, ob der Außenverteidiger zu diesem Zeitpunkt jedoch überhaupt noch auf dem Platz hätte stehen dürfen. Angesprochen auf das überharte Einsteigen des Bosniers gegen US-Amerikaner Pulisic in der ersten Halbzeit an der Seitenauslinie kommentierte Tuchel nach Abpfiff mit den Worten: „Das soll Herr Brych erklären, wieso das Spiel da fortgesetzt wird.“
Von Blau-Weiß kam offensiv so gut wie nichts mehr, der BVB agierte nicht mehr so zwingend in seinen Offensivaktionen. Schürrle und Guerreiro betraten noch den Platz, konnten aber ebenfalls keine entscheidenden Impulse mehr versprühen. So endete das Derby relativ unbefriedigend mit einer Nullnummer und ließ Blau zufriedener zurück als Schwarz-Gelb.
Fazit
Vier Bundesligaspiele in Folge ohne Sieg. Es hakt bei Schwarz-Gelb. Eine eher triste Begegnung mit einer teilweise sehr unglücklichen ersten Hälfte. Nach 45 Minuten konnte die Borussia keinen einzigen (!) Torschuss verzeichnen. Ein absolutes Novum und seit der ersten detaillierten Datenaufzeichnung 2006 das allererste Mal in einem Heimspiel. Die zweite Hälfte konnte man deutlich positiver gestalten, die Borussia drückte auf den Treffer und war die bessere Mannschaft. Kolasinac, die Latte und Pech verhinderten am Ende einen so wichtig gewesenen Derbysieg. Die Borussia ist damit in den letzten vier Derbys ungeschlagen und baute gleichzeitig den Vereinsrekord an ungeschlagenen Bundesligaheimspielen auf stolze 26 aus. Nächsten Mittwoch kommt Sporting aus Lissabon zum erneuten und vorentscheidenden Duell in der Champions League in den Tempel.
Abseits
Rund ums Stadion, am Hauptbahnhof und in der Stadt blieb es relativ ruhig. Der Polizei zufolge kam es nach dem Spiel seitens Dortmunder „Problemfans“ zu einer Auseinandersetzung mit den Gesetzeshütern. Die Darstellungen beider Seiten unterscheiden sich allerdings deutlich. Auch in der Nähe befindliche Schwatzgelb.de Redakteure konnten nicht beobachten, dass die BVB Fans versuchten zu den Schalkern durchzubrechen. Stattdessen wurde der übliche Abmarschweg von der Polizei blockiert. In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen, der genaue Anlass war nicht zu erkennen. In Anbetracht der Umstände rund um das Spiel gegen den 1.FC Union Berlin sind wir zumindest kritisch ob der derzeitigen Einsatzkonzepte rund um Risikospiele in Dortmund.
Statistik
BVB: Bürki - Piszczek, Sokratis, Ginter, Passlack (71. Guerreiro) - Weigl - Pulisic, Kagawa (79. Schürrle), Götze, Dembélé (87. Rode) - Aubameyang
Die Blauen: Fährmann - Höwedes, Naldo, Nastasic - Geis, Kolasinac - Meyer (75. Konoplyanka), Bentaleb (90. Stambouli), Goretzka, Schöpf - Di Santo (62. Choupo-Moting)
Schiedsrichter: Felix Brych
Assistenten: Mark Borsch, Stefan Lupp
Vierter Offizieller: Christian Dietz
Tore: Fehlanzeige
Zuschauer: 81.360 (ausverkauft)
Karten: Kagawa, Weigl, Dembélé, Sokratis - Nastasic, Bentaleb, Kolasinac
Chancenverhältnis:
Ecken: 1:4
Ballbesitz: 62:38 %
Stimmen zum Spiel
Thomas Tuchel: „Wir hatten größere Probleme in der ersten Halbzeit, haben viele unerzwungene Fehler gemacht, viele Fehler im Aufbauspiel. Wir hatten keinen Torschuss, das nimmt dir das gute Gefühl. In der zweiten Halbzeit haben wir es viel besser gemacht, die Positionen besser besetzt und konnten dadurch das Tempo erhöhen. Insgesamt haben wir einen enormen Aufwand betrieben und uns drei hochkarätige Torchancen herausgespielt. Mit der Leistung in der zweiten Halbzeit bin ich sehr zufrieden.“
Markus Weinzierl: „Wir haben in der ersten Halbzeit nichts zugelassen und ein sehr diszipliniertes Spiel abgeliefert. Offensiv hat der letzte Pass gefehlt, um ein Tor zu erzielen. 0:0 - passt. Wir müssen so weitermachen, um den Start zu korrigieren.“
30.10.2016, Boris Davidovski