Iiiiieh-ngolstadt - das war wirklich eklig
Wir spielen in der Champions-League und niemand würde es uns abnehmen, wenn wir verneinen würden, dass das auch unser Mindestziel für diese Saison ist. Trotz aller personellen Umbrüche spielen wir eine passable Saison und die Mannschaft hat unter der Woche in Lissabon gezeigt, dass man auch bei zahlreichen Ausfällen noch eine Truppe auf den Platz stellen kann, die hohen Ansprüchen genügt – wenn sie sich anstrengt. Unter diesen Voraussetzungen ist es wohl auch nicht überheblich gewesen, wenn im Vorfeld der Partie in Ingolstadt ein Auswärtsdreier fest auf dem Plan standen. Ein Punkt am siebten Spieltag, sechs Niederlagen in Serie und ein Torverhältnis von 4:14. Das waren die Werte im Vorfeld der Partie, die die Rolle des Favoriten ziemlich eindeutig auswiesen.
Doch bevor wir auf das Spiel eingehen, spiele ich erst einmal den gekonnten Doppelpass mit meiner bezaubernden Redaktionskollegin Michi, die in der Tradition erstklassiger Fieldreporter die Stimmung im Block zusammenfasst:
Nach dem letzten trommellosen Stimmungstiefpunkt beim Club aus der Nachbarschaft (der ebenso die 04 trägt, jedoch läppische 100 Jahre älter ist) durfte man sich heute mit allem bewaffnen, was zur Stimmung im Block positiv beitragen könnte. Und so konnte dieses Mal wieder gemeinsam und im Takt geklatscht werden. Zu Beginn passte sich die Mannschaft der Stimmung im Block an. Vielleicht war's auch umgekehrt. Man übertraf sich gegenseitig an Lieblosigkeit und fehlender Leidenschaft. Besonders zum Ende hin wurde die Stimmung dann zunehmendst besser. Inklusive Eskapaden und wilder Bierduschen wurde der ersehnte Ausgleich gebührend gefeiert. Wenn die Mannschaft ideenlos auf dem Platz rumtingelt, müssen wir die treibende Kraft sein. Vor allem Samstag, beim wichtigsten Spiel der Saison.
Damit geht der Ball wieder zurück an mich, der ich die Bürde hatte, sich mit dem Spiel auseinander setzen zu müssen. Genießt diesen Doppelpass, es wird für längere Zeit die einzig gelungene Kombination zweier Borussen bleiben. Dabei zeigte der „moderne Fußball" gleich zu Beginn seine hässliche Fratze im Audi-Sportpark. Werbung. Da bringen die doch mitten im Spiel einen Werbespot der Commerzbank. Kennt ihr doch alle, wo ein agiler Banker mutterseelenallein durch die leeren Sraßen einer Großstadt joggt und seinen Gedanken nachhängt. Nur das in diesem Fall der Banker eher ein Bankdrücker namens Almog Cohen war, der völlig allein gemächlich durch den Dortmunder Strafraum lief. Dabei dürften ihm allerhand philosophische Gedanken durch den Kopf geschossen sein wie zum Beispiel: „Warum kümmert sich niemand um mich?" oder „Soll ich sofort schießen, oder erst noch anstoppen und ein Käffchen trinken? Zeit genug hätte ich ja" oder „Wenn ich den nicht mache, bin ich ein Volldepp." Leider erwies er sich nicht als Volldepp und hatte keine Mühe, die lange Freistoßflanke völlig blank am Fünfer reinzumachen. Weide, der zur Überraschung aller für Bürki im Kasten stand, dabei total machtlos.
Na prima, eine Standardsituation zum Tor. Die Waffe der Mittellosen. Das 0:1 zweifellos eine kleine Überraschung, aber etwas, das bei 84 Minuten Restspielzeit einfach passieren kann. So wirklich Sorgen dürfte sich da noch kein Schwatzgelber gemacht haben – allerdings wäre das total angebracht. Es war nur der Auftakt zu einer Halbzeit, die zu dem Schlechtesten gehört, was man die letzten zehn Jahre vom BVB gesehen hat. Weiter ging es nämlich mit einem Satz, der bislang nur in einem völlig bizarren Paralleluniversum existierte: In der 13. Minute setzt Hinterseer per Fallrückzieher zum 2:0 für Ingolstadt an, aber Weidenfeller rettet.
Nochmal: In der 13. Minute setzt Hinterseer per Fallrückzieher zum 2:0 für Ingolstadt an, aber Weidenfeller rettet.
Und für diejenigen, die es immer noch nicht fassen können: In der 13. Minute setzt Hinterseer per Fallrückzieher zum 2:0 für Ingolstadt an, aber Weidenfeller rettet.
Womit das zweite Tor letztendlich allerdings nur aufgeschoben und nicht aufgehoben war. Ein fast identischer Freistoß von fast identischer Position, aber diesmal waren recht viele Borussen zumindest in der Nähe der Stelle, an der der Ball runterkommen sollte. Bringt aber alles nichts, wenn wirklich niemand energisch zum Ball geht und man lieber zuguckt, wie Lezcano den Ball ins lange Eck köpft. Spätestens jetzt wurde klar, dass das heute eine richtig schwere Nummer werden würde. Und mit der schweren Nummer meine ich, dass es total hart wird, den Spielbericht zu schreiben, ohne die Worte „strunzdämlich", „dilletantisch" und „anfängerhaft" zu nutzen. Auf dem Platz lief die Sache eindeutig für die Ingolstädter. Während Borussia einzig und allein einen Fernschuss von Castro in die Wagschale gefährlicher Szenen werfen konnte, musste Weidenfeller einen 30-Meter-Schuss von Roger parieren, zugucken wie Hinterseer völlig freistehend den Ball über den Kasten setzte und glücklich registrieren, dass der Schuss von Lezcano im Anschluss an sein Solo durch den Strafraum von der Innenseite seiner Schenkel ins Toraus statt ins Netz trudelte.
Zum Ende der ersten Halbzeit durfte man froh sein, mit einem Stand von „nur" 0:2 noch so ein bisschen im Rennen zu sein, statt verdientermaßen noch höher zurück zu liegen. Die gezeigte Leistung hatte auch wenig mit jungen Spieler, Abstimmungsproblemen und Verletztenmisere zu tun. Man ist schlicht und ergreifend jedem Zweikampf aus dem Weg gegangen und zeigte einen Arbeitseifer wie ich in der letzten Arbeitsminute vor dem Beginn eines dreiwöchigen Urlaubs.
Thomas Tuchel schien auch eher so mittelzufrieden mit der Leistung seiner Elf gewesen zu sein und reagierte mit der Auswechselung von Park, der für Pulisic den Platz verlassen musste. Park schaffte es mit seiner Zweikampfleistung sogar noch negativ aus der Mannschaft heraus zu stechen und hätte problemlos und ohne Qualitätsverlust von einem Baustellenpömpel mit aufgemalter Nummer ersetzt werden können. So verzichete man zuerst ganz auf die Planstelle des rechten Außenverteidigers und stellte um auf Dreierkette.
In den folgenden zehn Minuten hat Borussia das Spiel im Griff und schont die Nerven der BVB-Fans mit eigenem Ballbesitz. Viel mehr als ein weiterer Fernschuss von Castro sprang dabei aber auch nicht raus. Bis zum fucking-ersten vernünftigen Angriff in der 59. Minute. Dembelé mit einer Hereingabe, die mal nicht viel zu hoch über den Strafraum hinweg segelte, und in der Mitte sagte Auba „Neuer Spielstand Ingolstadt: 2 - Dortmund: 1 – Bitte, Danke".
Was wir alle in der Sekunde, als der Ball im Netz zappelte, nicht wussten war, dass wir Zeuge der kürzesten Aufholjagd der Welt wurden. Ganze 40 Sekunden später betrieb Bartra an der Eckfahne eine Feldstudie in Sachen Flanke. Und wie es sich aus wissenschaftlicher Sicht gehört, schaute er Hadergjonaij nur aufmerksam zu, statt einzugreifen und das Studienergebnis zu verfälschen. In der Mitte wartete Lezcano noch eben, bis sich Weigl als gefühlt hunderster Spieler an diesem Nachmittag einen Ausrutscher leistete und schob den Ball ins lange Eck.
Und nur eine weitere Minute später tauchte Hartmann völlig frei vor Weidenfeller auf und schoss am Keeper, der vermutlich mittlerweile Tuchel dafür verfluchte, bei diesem Spiel auflaufen zu müssen, vorbei. An den Pfosten und von dort prallte der Ball ins Feld zurück. Mit dieser einen Aktion sicherte sich das Aluminium damit unbestritten den Titel des besten BVB-Denfesiven an diesem Tag. Thomas Tuchel formte derweil an der Seitenlinie mit seinen Händen ein Kissen und deutete in Richtung seiner Spieler einen Tiefschlaf an. Vielleicht wollte er ihnen jedoch auch demonstrieren, dass ihnen Schlafentzug als Belohnung für die bislang gezeigte Leistung winkte. Oder er sie heute Nacht bis in ihre Träume mit Spielkritik verfolgen würde.
Glücklicherweise schienen genau zwei Dinge in diesem Moment zu passieren: Die Ingolstädter registrierten, dass sie gerade dabei waren, den BVB aus dem eigenen Stadion zu schießen und beschlossen, es besser nicht zu übertreiben. Und unsere Elf merkte, dass sie gerade dabei war, aus dem Stadion geschossen zu werden und beschloss, das so nicht auf sich sitzen zu lassen. Spätestens als in der 69. Minute Ramos den über Umwege zu ihm gekommenen Ball ins Netz schoss, zeigte Borussia die Überlegenheit, die man von Anfang an erwartet hatte. Dabei verteidigten die Bayern die drei Punkte mit Mann und Maus und ließen nur wenig zu. Ein richtig geiler Knaller von Passlack wurde leider eben so geil von Keeper Nyland aus dem Winkel gekratzt und kurz vor Feierabend bringt Götze freistehend den Ball nicht ins Tor. Passlack war vorher für Kagawa gekommen und hätte vermutlich auch von Beginn an gespielt, wenn er sich in Lissabon nicht bis zur völligen Erschöpfung verausgabt hätte. Das Kraftpaket entwickelt sich mehr und mehr zum ernsthaften Kandidaten für die Startelf auf einer der beiden Außenpositionen. Defensiv macht er mit viel Einsatz noch vorhandene Taktikdefizite wett und offensiv mit einigen starken Aktionen.
Ihm war es auch vorbehalten, in der 91. Minute eine Flanke in den gegnerischen Fünfer zu schlagen, die Piszczek aufs Tor köpfen konnte. Nyland schaffte es gerade noch, den Ball abklatschen zu lassen und Pulisic haute die Murmel zum Ausgleich in die Maschen. Riesen Jubel – auch wenn das Rot im Gesicht vieler BVB'ler eine Mischung aus Adrenalin und Schamesröte gewesen sein dürfte, dem Gegner doch noch den Sieg geklaut zu haben. Hätte Auba dann in der 94. Minute noch.... ne, also das wäre echt zuviel des Guten gewesen.
Fazit: Häufig spricht man nach so einem Verlauf von gefühlten Siegen und Schüben, die sie für die Moral geben können. Das sollte man sich nach diesem Kick allerdings tunlichst sparen. Der Auftritt war über 2/3 hinweg unterirdisch und vor allem die erste Halbzeit bietet zigfache Ansätze für Kritik. Am offensichtlichsten dabei die gravierende Schwäche bei gegnerischen Standardsituationen. Die Spieler schienen teilweise keinen Schimmer zu haben, um welche Räume und welche Gegner sie sich zu kümmern hätten. Unterm Strich ein Spiel, das nur Ingolstadt als Sieger verdient gehabt hätte und für uns am Ende noch sehr glücklich gelaufen ist.