Spielbericht Profis

Wie uns die portugiesischen Ordner das Spiel retteten

19.10.2016, 17:02 Uhr von:  Redaktion

Es ist ca. 18:15 Uhr Ortszeit, als wir an der Haltestelle Anjos in die überfüllte Linie Verde einsteigen, die uns direkt zum Stadion bringen soll. Vermutlich wäre es cleverer gewesen, am Treffpunkt Rossio einzusteigen, aber unsere Unterkunft liegt nun einmal drei Stationen weiter und irgendwas ist ja immer, was man noch schnell im Zimmer erledigen muss. Also rein in die Bahn, die aus allen Nähten platzt. Zwei Stationen später blicke ich, während sich sämtliche Menschen in die Bahn und aus der Bahn raus ins Freie an uns vorbeidrängen, in das panische Gesicht meines Freundes, der die Worte „Portemonnaie geklaut“ von sich gibt. Geklaute Portemonnaies fallen mit Sicherheit immer unter die Kategorie „besonders nervig“, da niemand das Problem der Wiederanschaffung und Sperrung sämtlicher Karten im Alltag braucht. Noch nerviger wird es, wenn man im Ausland ist und plötzlich keine Reisedokumente mehr besitzt. Wenn die eigene Freundin dann aber auch noch ein absoluter Schussel ist und grundsätzlich alles verliert und daher die eigenen Sachen lieber beim Freund parkt, wird es ziemlich bescheiden. Denn so befanden sich neben all den anderen Karten auch unsere beiden Tickets für das Spiel gegen Sporting im Portemonnaie, das sich nun in den Händen einer anderen Person befand.

Völlig orientierungslos stehen wir nun da an einem leeren U-Bahnsteig. Meinem Freund steht die Verzweiflung förmlich ins Gesicht geschrieben, Stadion können wir nun wohl auch vergessen. Blöd, wenn man sich seit Wochen genau darauf gefreut hat. Der Weg zur Polizei ist unausweichlich. Vielleicht hat ja noch jemand zwei Tickets und wir kommen ganz schnell wieder zum Stadion hin – die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Auf der Polizeiwache werden wir mit den Worten „Wollt ihr nicht erst zum Spiel fahren und dann Anzeige erstatten?“ empfangen. Das würden wir ja gern, erklären wir, aber die Tickets sind im geklauten Portemonnaie. Offensichtlich haben wir es mit großen Fußballfans zu tun, denn ihr Mitgefühl war sofort da. Freundlich werden wir rein gewunken und ein sehr netter Officer beginnt, die Anzeige aufzunehmen. Parallel setzen sich zwei seiner Kollegen mit der Stadionpolizei in Verbindung, um unsere Karten zu sperren und einen Weg zu finden, uns ins Stadion zu bringen. Das Telefon klingelt permanent, mal das Handytelefon, mal das Polizeitelefon. Immer ist jemand vom Stadion dran. Man diskutiert, man probiert weiter. Blöderweise läuft auch die Uhr immer weiter. Mittlerweile sind es nur noch dreißig Minuten bis zum Anpfiff. Um halb acht kommt dann die Nachricht, dass man vom Polizeipräsidium aus nichts regeln kann. Wir müssten mit der Polizei vor Ort reden und ihnen die Anzeige vorzeigen. Hoffnung weg. Man muss uns die Enttäuschung angesehen haben, wir wurden prompt eingeladen, Fußball auf der Polizeistation zu schauen. Eine nette Geste von wirklich sehr netten Polizisten.


Zurück im Hotel hat das Spiel gerade angefangen. Was macht man also in so einer gebrauchten Situation? Man hätte frustriert eine Flasche Wein im Hotel köpfen und das Spiel im Fernsehen schauen – oder aber zum Stadion rasen, den Tipps der netten Polizisten folgen und zur Not den Geräuschen vor dem Block lauschen können.

Gesagt getan. Die Anzeige mit dabei, man weiß ja nie. Um 20:15 Uhr erreichen wir den Stadioneingang, treffen auf einen netten BVB-Ordner, der uns sofort zu den Ordnern im Stadion bringt. Dort wird hektisch auf Portugiesisch diskutiert. Ich verstehe kein Wort. Immer wieder wird die Anzeige herumgereicht, ins Stadion geblickt, über die Anzeige diskutiert. Fünf Minuten später der erlösende Beschluss. Wir dürfen rein. Wir sind schon fast am Eingang, da werden wir zurückgepfiffen. Doch nicht rein. Warum nicht? Keine Ahnung, irgendeine Anweisung von oben. Ohne Tickets kein Durchkommen. Alle blicken ratlos. Die Ordner, die Polizisten, wir. Geknickt schleichen wir zum Ausgang, vielleicht ist ja noch ein Ticketshop geöffnet. Angeblich ist das Spiel nicht ausverkauft. Am Ausgang werden wir von den netten Ordnern abgefangen. Auf Portugiesisch wird wieder wild diskutiert und etwas gesucht. Das Ergebnis halten wir wenige Minuten später in der Hand: zwei Karten für die Haupttribüne – geschenkt. Mit einem festen Drücker und einem freundlichen Klaps werden wir zum anderen Tor geschickt. Eine Minute später sind wir drin. In diesem Moment trifft Weigl zum 2:0.



Ich bin nun zum vierten Mal in Portugal, und zum vierten Mal durfte ich die Begegnung mit unfassbar freundlichen, offenen und herzlichen Portugiesen machen. Als BVB-Fan hatte man die letzten Jahre das unglaubliche Glück, an viele Flecken dieser Erde reisen zu können, nicht immer waren die Erfahrungen vor Ort schön. Auf die Menschlichkeit der Polizei und Ordner in Lissabon lasse ich nichts kommen. Sie haben einen mehr als bescheidenen Abend gestern noch zu einem Highlight gemacht.

Muito obrigada!

Ida, 19.10.2016

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