Bittere Pille in Leverkusen
Die Vorzeichen schienen vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen nach dem großartigen, aber kräftezehrenden Kampf gegen Real Madrid am Dienstag gut. Seit 2007 hatten die Schwarzgelben Leverkusen nicht mehr ohne Punkt(e) verlassen und auch dieses Mal hatte man sich ähnliches zumindest vorgenommen. Daraus geworden ist nichts. Aber der Reihe nach.
Neben den Langzeitverletzten fielen auf Dortmunder Seite weiterhin Bartra und wieder einmal Schürrle aus. Zusätzlich rotierte Tuchel auf beiden Seiten und brachte Pulisic anstatt Götze und Rode für Schmelzer.
Erste Halbzeit
Die ersten Minuten auf dem Rasen zeigten ein zerfahrenes Spiel, in dem beide Teams versuchten ihre Linie zu finden. Leverkusen gelang das in Form eines Freistoßes von Calhanoglu um einiges besser als den Dortmundern, die früh gewarnt waren. Vor allem die Ballverluste im Mittelfeld machten ein ruhiges Aufbauspiel nahezu unmöglich. Wenig überraschend klingelte es bereits nach neun Minuten im schwarzgelben Kasten. Nachdem Pulisic nicht energisch genug in den Zweikampf gegangen war, konnte Bürki Chicharitos Kopfball nach der Flanke von links zwar noch zur Ecke klären, den darauffolgenden Kopfball nach der Ecke jedoch nicht mehr. 1:0 für die Pillen durch Mehmedi. Es stellt sich die Frage, ob es bei Eckbällen nicht cleverer ist beide Pfosten zu besetzen.
Wer darauf gehofft hat, dass Dortmund sich einmal schüttelt und dann Gas gibt, konnte noch lange warten. Immer wieder führten ungenaue Pässe zu Ballverlusten und auch in der Offensive fand zu wenig Bewegung statt. Leverkusen stand dicht, Leverkusen drängte, Leverkusen lauerte. Dass Dortmund mit insgesamt 70 Prozent Ballbesitz nicht viel anfangen konnte, lag eben auch an den klug und früh störenden Leverkusenern. Versuchte man es mal schnell zu spielen, war Leno die Endstation, wie auch Aubameyang nach schnellem Zuspiel von Piszczek feststellen musste (20.). Und auch Standards wusste man nicht zu nutzen. Eckbälle landeten meist in Lenos Armen. Nach einem haarsträubenden Fehlpass von Guerreiro landete der Ball in der 32. Minute plötzlich bei Kampl, der draufhielt und knapp verzog. Glück gehabt.
In der 38. Minute kam es dann doch noch zu einem Aufreger: Nach scharfer Flanke von Dembélé ging Sokratis plötzlich in der Mitte zu Boden. Sokratis reklamierte im Glauben, einen Schubser gespürt zu haben, ehe er zum Ball kommen konnte. Es soll Schiedsrichter geben, die in so einer Situation auch schon einmal Elfmeter gepfiffen haben. Dembélés Versuch, in der letzten Minute der ersten Halbzeit noch den Ausgleich zu erzielen, landete, wie auch schon gegen Real Madrid, eher in den Wolken als im Tor. So ging es mit einem 1:0 Rückstand und der Erkenntnis, dass man heute noch mehr als 10 Prozent drauflegen müsste, um aus Leverkusen etwas mitzunehmen, in die Halbzeit.
Zweite Halbzeit
Zur Halbzeit wechselte Tuchel gleich zweimal und brachte mit Schmelzer für Castro und Mor für Pulisic frischen Wind in das Spiel. Doch auch nach dem Seitenwechsel zeigte sich ein ähnliches Bild wie in Halbzeit eins. Eine doppelte Ecke nach Aubameyangs abgeblocktem Schuss in der 50. Minute brachte keinen Ertrag und auch sonst war Dortmunds Überlegenheit mehr Schein als wirkliche Gefahr. So kam es, dass die erste gefährliche Chance wieder auf Leverkusens Seite zu verzeichnen war. Chicharitos Pass konnte gerade noch so von Schmelzer abgeblockt werden. Auf der Gegenseite setzte sich Dembélé stark auf der linken Seite durch und spielte den Ball geschickt in die Mitte, wo Schmelzer den Ball unglücklich mit der Hacke verlängerte – Chance vertan. Auch nach schönem Zusammenspiel von Guerreiro und Dembélé auf links verzieht Schmelzer den darauffolgenden Ball weit.
In der 71. kam mit Kagawa für Rode abermals offensive Verstärkung. Die vielleicht größte Chance auf den Ausgleich verzeichnete Aubameyang in der 73. Minute als er aus spitzem Winkel aufs Tor zielte, aber auch diesmal war Leno zur Stelle. Dortmund agierte weiterhin bemüht, nutzte aber über weite Strecken des Spiels zu wenig die Außenbahnen. Stattdessen versuchte man es durch die Mitte, wo gegen dichtstehende Leverkusener kein Durchkommen war. Ein Freistoß aus der 76. Minute flog zwar gefährlich durch Leverkusens 16er, aber genauso an den Dortmundern vorbei.
Wenige Minuten später wurde die Hoffnung auf zumindest einen Punkt dann endgültig zerstört. Nachdem Piszczeks Flanke am 16er abgefangen wurde, spielt Leverkusen den Ball schnell in Richtung Dortmunder Tor, wo Weigl sich auf rechts überlaufen ließ. Die heranrasende Flanke von Calhanoglu nutzte Chicharito eiskalt zum 2:0. Das war's. Vollands Spaziergang durch die Abwehr und das demnach beinahe 3:0 wurde von Bürki in der 87. Minute sicher abgewehrt. Im Gegenzug wurde uns nach schöner Flanke von Piszczek der Anschlusstreffer durch Aubameyang zurecht aberkannt.
Insgesamt war das Spiel der Schwarzgelben von einer zu hohen Fehlerzahl und Ballverlusten geprägt, die von den lauernden Leverkusenern eiskalt ausgenutzt wurden. Dortmund hingegen wirkte nach dem Spiel am Dienstag nicht wirklich zielstrebig und wenig spritzig. Zu kaum einem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass Leverkusen das Spiel ernsthaft aus der Hand geben würde. Es muss also nach der folgenden Länderspielpause Hertha dran glauben.
Und sonst so?
Auch auf den Rängen passte man sich dem Dortmunder Spiel recht zügig an. Die Stimmung kann man wohl unter 'sie waren stets bemüht' laufen lassen. Dank unkooperativer Ordner musste der Taktgeber, dessen Wert heute besonders deutlich wurde, leider draußen bleiben. Ohne Trommel für einen gemeinsamen Takt zu sorgen erwies sich dann auch von Anfang an als zum Scheitern verurteilt. Unter diesen Umständen schien keiner mehr in der Lage, die linke rhythmisch in die rechte Hand zu klatschen. Besonders merkwürdig erschien dann aber doch, dass durch das Fehlen der Trommel sogar die eigene Sangeskraft nicht in Anspruch genommen werden konnte. Mit einer Klatschgeschwindigkeit, die der eines ICE glich, und nach einer dreiviertel Strophe endenden Lieder sollte der Ball ins Tor geschrien werden. Vergeblich. Für ein kleines Highlight wurde dann doch zumindest am Bierstand gesorgt: Die Köln-Gesänge nach deren Punktgewinn gegen den Rekordmeister und der Versuch, das Trommeln durch ein Pfeifen zu ersetzen.
Schön zu sehen war dann immerhin der Umstand, dass nach dem Zusammenbruch eines Fans der Support sofort eingestellt wurde und man gemeinsam für Hilfe sorgte.
Statistik
Leverkusen: Leno – L. Bender (46. Wendell), Tah, Toprak, Heinrich – Aranguiz (90. Baumgartlinger), Kampl, Brandt (67. Volland), Calhanoglu – Mehmedi, Chicharito
Reserve: Özcan, Dragovic, Havertz, R. Kruse
Trainer: Roger Schmidt
Ballspielverein: Bürki – Piszczek, Sokratis, Ginter, Guerreiro – Weigl – Pulisic (46. Mor), Rode (71. Kagawa), Castro (46. Schmelzer), Dembélé – Aubameyang
Reserve: Weidenfeller, Passlack, M. Götze, Sahin
Trainer: Thomas Tuchel
Tore: 1:0 Mehmedi (10. Calhanoglu), 2:0 Chicharito (79. Calhanoglu)
Schiedsrichter: Manuel Gräfe (Berlin)
BayArena: 30210 (ausverkauft)
02.10.2016, Ida und Michi