Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
„Jeder Italiener hat seinen Fußballverein. Daneben muss er sich noch entscheiden, ob er für oder gegen Juventus Turin ist.“ Dieses Zitat habe ich vor Jahren gelesen und irgendwie hat es sich eingeprägt. Juventus ist also so ein bisschen der FC Bayern von Italien und wenn man die Titel zu Rate zieht, passt das auch. Alleine 30 Mal wurde Scudetto nach Turin geholt, dazu kommen neun Coppa Italia, zwei Mal der Europapokal der Landesmeister, einmal der Europapokal der Pokalsieger, drei Mal der UEFA-Pokal. Nebenher holte man einige Male den Supercup (national wie international) und den Weltpokal (zwei Mal) sowie den Exoten UEFA Intertoto Cup (1999).
Für Fans von Borussia Dortmund, die die Neunziger mitgemacht haben, hat der Name Turin eine besondere Bedeutung. Es gibt so viel zu erzählen, so viel zu berichten, man kann das gar nicht alles in einen Text packen. Zwei Finals wurden gespielt mit der Niederlage im UEFA Pokal 1993 und dem Sieg von München 1997. Dazu kamen noch eine Reihe von Spielen im Vorfeld, die meist die Italiener für sich entscheiden konnten. Besonders in Erinnerung aus den Neunzigern ist die Clublegende Alessandro Del Piero geblieben. „Der böse Geist, wenn es gegen Borussia Dortmund geht“ (Marcel Reif) war einer jener großen Spieler, die einfach jeder kannte. Auch nach dem Zwangsabstieg auf Grund von Spielmanipulationen blieb Del Piero seiner Dame treu ("Un cavaliere non lascia mai la sua signora"). Aber auch Namen wie Zidane, Edgar Davids, Filippo Inzaghi, Baggio, Ravanelli und Deschamps sind vielen in Erinnerung geblieben.
Doch das Juventus nach dem Jahrtausendwechsel war nicht mehr das der Neunziger. Insbesondere nach dem Zwangsabstieg konnten die Turiner nicht mehr an ihre internationalen Erfolge anknüpfen. Sicherlich spielen dabei auch die wirtschaftlichen Probleme des Fiat-Konzerns eine Rolle, mit dem der Verein durch die Agnelli-Familie eng verbunden ist. Im darbenden italienischen Fußball nimmt Juventus aber immer noch eine führende Rolle ein und konnte zuletzt wieder souverän die Meistertitel erringen und auch für dieses Jahr scheint Platz 1 nur noch Formsache zu sein. Auch wenn die Gründe ganz andere sind, eine gewisse parallele Entwicklung der Vereine kann man schon erkennen, wenn man denn will. Daneben konnten die BVB-Fans beim Hinspiel erleben, dass das erste vereinseigene Stadion in Italien auch in Wolfsburg, Sinsheim oder Mönchengladbach stehen könnte. Eine austauschbare Arena, die vor allem durch ihre nervigen Sicherheitskontrollen in Erinnerung geblieben ist.
In der Champions League überstanden die Turiner die Vorrunde hinter Atletico Madrid auf dem zweiten Rang und bekamen so unseren BVB zugelost. Im Hinspiel im neuen Juventus Stadium setzten sich die Italiener mit 2:1 durch. In einer Partie mit teilweise haarsträubenden Fehlern auf beiden Seiten war am Ende das Heimteam die etwas gefährlichere Mannschaft. Dazu kommt eine ergebnisorientierte Spielweise, die Borussia immer wieder vor Probleme stellt. Wie schon im Hinspiel wird Andrea Pirlo ausfallen. Dafür wird man im Westfalenstadion das zweifelhafte Vergnügen haben, Arturo Vidal und seine Interpretation von Fußball zu bewundern.
Dem BVB wird auf jeden Fall Sahin fehlen. Nimmt man die vergangenen Spiele als Maßstab ist das eine echte Schwächung, insbesondere da mit defensiven Italienern zu rechnen ist, die ihre Chance im Konter suchen. Dass die Turiner dies können, haben sie beim Hinspiel gezeigt. Es ist nur zu hoffen, dass die Abwehrkette und dort besonders unsere Innenverteidiger absolut auf der Höhe sind. Vorne wird man sich auf jeden Fall cleverer anstellen müssen als zuletzt gegen den HSV und den 1. FC Köln. Ansonsten wird das Spiel ein entspannter Verwaltungsakt für die Turiner im Westfalenstadion.
Ob Jürgen Klopp auf Grund der vergangenen Spiele vorne etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. In der ersten Halbzeit des Hinspiels ist man mit Immobile im Sturmzentrum und Aubameyang und Reus dahinter ganz gut gefahren. Doch mit Sahin fällt einer der beiden offensiven Sechser definitiv aus. Zusätzlich hat die zweite Halbzeit gezeigt, dass Trainer Massimiliano Allegri bereit ist, im Spielverlauf seine Taktik anzupassen. Danach verlor dann der BVB den Zugriff auf das Spiel und seine Torgefährlichkeit.
Wie auch immer, wir können uns kaum darauf verlassen, dass ein eins zu null reicht. Dafür ist der Gegner zu torgefährlich und unsere Abwehr zu anfällig. Sollten die elf Borussen Zugang zum Spiel gewinnen und die nötigen Tore machen, könnte sogar mal eine Verlängerung anstehen. Gab es auch schon länger nicht im Westfalenstadion. So oder so heißt es, die eventuell letzten Minuten internationalen Fußball genießen, denn für die kommende Saison wird es wohl nicht reichen. Lasst uns alle das Westfalenstadion noch einmal in seinem besonderen Glanz unter Flutlicht erstrahlen. Die Mannschaft kann es sicher gebrauchen und unser Verein hat es verdient!
So könnten sie spielen:
BVB: Weidenfeller - Kirch, Subotic, Hummels, Schmelzer - Kehl, Gündogan - Blaszczykowski, Kampl, Reus - Aubameyang
Juventus: Buffon - Lichtsteiner, Barzagli, Bonucci, Chiellini - Vidal, Marchisio, Pogba - Pereyra - Tevez, Morata
mrg, 17.03.2015