Hoffenheim: Angstgegner oder nächstes Opfer?
Seit jeher besteht der Fußball aus verschiedenen Phänomenen. Ein eben solches ist der Mythos des Angstgegners, einer Mannschaft, gegen die der eigene Club regelmäßig größte Probleme hat. Bei uns hat sich die TSG Hoffenheim in den vergangenen Jahren zu einem derart unbequemen Gegner entwickelt. Speziell auswärts gab es für den BVB gegen die Hoffenheimer wenig zu holen. Das Spiel am Mittwoch ist der ultimative Test, ob bei der TSG wirklich der rational unerklärliche Mythos des Angstgegners greift. Denn deutlicher könnten die Zeichen für einen schwatzgelben Sieg nicht stehen.
Das 3:0 gegen Leverkusen am Sonntag war bei unserer Borussia der vorläufige Höhepunkt einer bisher nahezu perfekten Saison. Spielerisch, kämpferisch und taktisch war der BVB einem vermeintlichen Konkurrenten um die Champions-League-Plätze haushoch überlegen und feierte den nächsten in einer beeindruckenden Reihe von Kantersiegen. Während in der vergangenen Saison ganze Wochen ohne eine herausgespielte BVB-Chance vergingen, erspielen sich Aubameyang und Co. derzeit im Minutentakt beste Möglichkeiten, von denen sogar ein akzeptabler Prozentsatz verwertet wird.
Die Erinnerungen an 2010
Die Mannschaft von Thomas Tuchel befindet sich auf einem Höhenflug, den ihr wohl niemand zugetraut hätte. Im aktuellen Rausch scheint die Borussia unaufhaltsam. Und während der Autor diese Vorberichts fünf Mark für’s Phrasenschwein aus seiner Hosentasche kramt, entschuldigt er sich vorab dafür, dass er ein wenig nach Matthias Sammer klingen mag, wenn er warnt und mahnt: Wir dürfen bei aller Euphorie nicht den Boden unter den Füßen verlieren.
Mit unserer attraktiven und effektiven Spielweise erinnern wir gewiss sehr stark an die Anfänge der Saison 2010/11. Es scheint derzeit unmöglich, dass diese gefestigte Mannschaft im Laufe der Saison irgendwann mal richtig einbrechen könnte. Und dann rückt nun mit Marco Reus auch noch der vermeintliche Star zurück in den Kader. "Er ist auch sofort ein Thema für die Startelf", sagte Thomas Tuchel. Doch die vergangene Spielzeit hat uns gezeigt, wie schnell es plötzlich bergab gehen kann. Ein verletzter Spieler hier, ein, zwei unglückliche Niederlagen dort, und schon ist man wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Die vergangene Hinrunde macht ganz deutlich, dass unser aktueller Höhenflug alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Dieser Höhenflug ist das Ergebnis harter Arbeit im Training, konzentrierter Leistung in den Spielen und dem viel zitierten Glück des Tüchtigen (Last-Minute-Tor gegen Krasnodar, Felipe in Höchstform bei Hannover). Und alle drei Komponenten sind am Mittwoch nötig, wenn wir in Hoffenheim bestehen wollen. Dort erst recht, denn auf die ganz große Unterstützung der Fans müssen Hummels, Kagawa und Co. am Mittwoch aus bekannten Gründen wohl verzichten. Und so schlecht die TSG auch in die Saison gestartet sein mag, es handelt sich bei 1899 Hoffenheim immer noch um eine etablierte Bundesliga-Mannschaft, die niemand im Vorbeigehen schlägt. Das scheint der eine oder andere Dortmunder zu vergessen, der Hoffenheim, Darmstadt und PAOK überspringt und gedanklich schon beim Spiel in München am Sonntag der kommenden Woche ist.
Endlich mal wieder gegen Kuranyi
Eine besondere Warnung wird Thomas Tuchel seinen Spieler wohl in Bezug auf die Tatsache geben, dass es gegen Hoffenheimer wichtiger denn je ist, von der ersten Sekunde an defensiv hellwach zu sein. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, war in jüngster Vergangenheit beim BVB alles andere als eben das. Die Hoffenheimer kommen offenbar stets top-motiviert aus der Kabine, haben sie doch bisher alle Saisontreffer in den ersten Minuten nach Anpfiff einer Halbzeit erzielt.
Das ist dann allerdings auch die einzige erkennbare Stärke der Hoffenheimer in dieser Saison. In der Offensive wirkt die Elf von Coach Markus Gisdol seit dem Abgang von Roberto Firmino harmlos. Zwar haben die Hoffenheimer die Firmino-Millionen re-investiert und gefühlt alle Stürmer gekauft, die nicht bei drei auf den Bäumen waren. Doch weder Eduardo Vargas, noch Mark Uth, Joelinton oder ein gewisser Kevin Kuranyi, auf den wir uns natürlich schon besonders freuen, konnten dem TSG-Angriff bisher nachhaltig ihren Stempel aufdrücken. "Der Tabellenplatz und die Leistung sind gerade unter dem, was das individuelle Potenzial bietet", sagte Tuchel über den kommenden Gegner. "Wir schätzen die Leistungsfähigkeit deutlich höher ein", so der BVB-Coach.
In der Defensive ist Hoffenheim gewohnt anfällig, wobei in den vergangenen Jahren bei der TSG zumindest die Aggressivität in der Arbeit gegen den Ball stimmte. Dieses forsche Gegenpressing ist dieses Jahr nicht erkennbar. Und all das resultiert dann in einem einzigen Punkt nach fünf Spielen. Wenn der BVB weiter so konzentriert spielt wie bisher, dann wird am Mittwoch auch kein weiterer Punkt auf das Konto der TSG dazukommen. "Wenn wir aber dominant spielen, können wir das Spiel auch gewinnen", so Tuchel selbstbewusst. Doch wer weiß, was an diesem Mythos des Angstgegners dran ist…
So könnten sie spielen:
Hoffenheim: Baumann – Kim, Schär, Süle, Kaderabek – Schwegler, Polanski, Rudy – Schmid, Volland, Vargas
Dortmund: Bürki – Schmelzer, Sokratis, Hummels, Ginter – Weigl, Gündogan – Kagawa, Mkhitaryan, Reus – Aubameyang
Ort: bei Mannheim
Schiedsrichter: Tobias Welz