Eine neue Liga ist wie ein neues Leben
Nach dem bitteren und vermeidbaren Abstieg aus der 3. Liga in der vergangenen Saison spielen die Amateure von Borussia Dortmund in der kommenden Spielzeit „nur“ noch in der Regionalliga. Schon am Montag rollt für die BVB-Bubis wieder der Ball. Grund genug, kurz vor dem Saisonstart einen Blick auf den neuen Kader und die Erwartungen an ihn zu werfen.
Torhüter
Nach dem Abgang von Zlatan Alomerovic zum 1. FC Kaiserslautern ist Hendrik Bonmann die neue Nummer eins. Der 21-Jährige kam in den letzten zwei Spielzeiten auch aufgrund einer schwerwiegenden Verletzung auf gerade einmal sieben Einsätze bei den Amas. Dennoch gilt er als großer Hoffnungsträger beim BVB. Sein großes Potential ist unübersehbar. Im Sommer begleitete er die Profis sowohl nach Asien als auch nach Bad Ragaz. Während der Trainingseinheiten fiel immer wieder auf, dass er fußballerisch eine Klasse besser ist als Alomerovic und Weidenfeller. Die Erfahrung mit den Profis dürfte ihm auf der einen Seite guttun, andererseits konnte er so keine Spielpraxis sammeln. Weder bei den Profis noch bei den Amateuren kam er auch nur zu einem einzigen Testspieleinsatz.
Hinter Bonmann wird die Luft jedoch schon sehr dünn. Der 20-jährige Steffen Göcke, bisher Nummer drei, wäre Bonmanns erster Ersatzmann. In den Testspielen gegen Lünen und Aplerbeck wusste er, wenn er denn mal gefordert war, durchaus zu überzeugen. Ob er jedoch die Klasse hat, im Fall der Fälle einen Bonmann aus welchem Grund auch immer zu ersetzen, darf arg bezweifelt werden. Alternativen gibt es jedoch nicht viele. Einen jungen talentierten Keeper, der sich in der Regionalliga freiwillig auf die Bank setzt, wird man so leicht nicht finden.
Innenverteidigung
Sofern der BVB nicht allzu viele Verletzungsprobleme bekommen wird, ist er vielleicht auf keiner anderen Position so stark wie besetzt wie in der Innenverteidigung. 1,94m-Hüne Christoph Zimmermann ist grundsolide und leistete sich im vergangenen Jahr fast keine Fehler, Jon-Gorenc Stankovic ist sogar so talentiert, dass er durchaus in naher Zukunft auch mal bei den Profis in Pflichtspielen zum Einsatz kommen könnte, wenn da die Konkurrenz auf seiner Position nicht derart extrem wäre.
Darüber hinaus verfügt Coach Dave Wagner über zwei weitere talentierte Verteidiger: Marian Sarr und Mohamed El-Bouazzati. Beide sind zwar sehr verletzungsanfällig, gelten aber zu Recht als große Talente. Sarr konnte sich ja schon Einsätze in Bundesliga und Champions League erkämpfen, bevor ihn hartnäckige Knieprobleme aus der Bahn warfen. El-Bouazzati feierte seinen bislang größten Erfolg, als er die U17 des BVB im Jahr 2014 als Kapitän zur Meisterschaft führte. In der letzten Saison spielte er meist in der U19 und brachte es auf vier Einwechslungen in der Dritten Liga.
Linke Verteidiger
Auf der linken Verteidigerposition war Wagner aufgrund diverser Verletzungsprobleme bei den Profis und Amateuren sowie vieler Sperren im eigenen Team immer wieder gezwungen, Experimente zu wagen. Sollte es bei den Profis keine Ausfälle geben, dürfte Jeremy Dudziak einige Spiele bei den Amas bestreiten. Da er jedoch in der Vorbereitung unter Tuchel keinen schlechten Eindruck hinterließ, wird Wagner sich nicht immer auf den Junioren-Nationalspieler verlassen können. Nico Knystock dürfte dann erste Wahl sein, Maximilian Güll bliebe dann nur die Ersatzbank.
Rechte Verteidiger
Etwas entspannter sieht die Situation rechts hinten aus – trotz der Abgänge von Marc Hornschuh (FSV Frankfurt) und Khaled Narey (Leihe nach Paderborn). Burak Camoglu machte im vergangenen Jahr bei der U19 einige gute Spiele und rückt nun auf. Zudem kann der bereits erwähnte Knystock dank seiner Beidfüßigkeit auch die Seite wechseln. Mit Beiden ist aber zunächst einmal nicht unbedingt in der Startelf zu rechnen. Viel mehr konnte Pascal Stenzel auf sich aufmerksam machen und das ohne bei den Amas überhaupt mal trainiert oder gespielt zu haben. Der 19-Jährige machte die Sommervorbereitung bei den Profis mit und hinterließ dabei einen sehr guten Eindruck. Dies war vorher nicht unbedingt zu erwarten, da Stenzel in der U19 nicht immer zu den Besten auf dem Platz gehörte. Vielleicht lag es da aber tatsächlich an der geringen Qualität seiner Mitspieler.
Defensives Mittelfeld
Mit Evans Nyarko und Mustafa Amini haben zwei Spieler den BVB verlassen, die häufiger auf der Sechs zum Einsatz gekommen sind. Aufgefangen wurden die beiden Abgänge mit zwei 18-Jährigen. David Sauerland, der bei der Borussia zu den größten Talenten zählt, rückt aus der U19 nach oben. Er bestritt ebenfalls einen Teil der Vorbereitung bei den Profis und reiste auch mit nach Asien. Besonders bei ihm darf man sehr gespannt sein, wie er sich auf der Bühne Regionalliga schlagen wird. Körperlich kann und sollte er noch zulegen, spielerisch könnte er den Amas aber durchaus schon von Beginn an eine große Hilfe sein. Zudem verstärkte sich der BVB mit Atakan Karazor aus der U19 des VfL Bochum. Er wurde nach der Abmeldung des VfL Bochum II zu einem Wechsel gezwungen und fand mit Dortmund vermutlich die einzige attraktive Lösung in der Umgebung. Ähnlich wie Sauerland darf auch Karazor gewichtstechnisch noch ein bisschen zulegen. So richtig überzeugen konnte er gegen Lünen und Aplerbeck nicht. Vermutlich wird er erst einmal auf der Bank Platz nehmen und David Solga und/oder Mitsuru Maruoka den Vortritt lassen. Beide Spieler bleiben dem BVB trotz des Abstiegs erhalten. Besonders bei Solga ist dies durchaus von Bedeutung, schließlich ist der neue Kapitän der einzige Spieler im Kader, der älter als 22 Jahre alt ist. Und trotz seiner nachlassenden Schnelligkeit dürfte Solga mit seiner Erfahrung und Ruhe am Ball eine wichtige Option für Dave Wagner bleiben.
Offensives Mittelfeld
Mit Oguzhan Kefkir und Julian-Maurice Derstroff hat der BVB auch auf den Offensivpositionen zwei Spieler abgegeben, die in der Vergangenheit häufig zum Einsatz gekommen sind. Während Kefkir, der Liebling des sg.de-Amateurfunks, der mit seiner Wahnsinnstat gegen Großaspach maßgeblich zum Abstieg der BVB Amateure beigetragen hat, in die zweite türkische Liga zu Adanaspor wechselte, schaffte Derstroff mit seinem Wechsel zu Mainz II unverständlicherweise den Klassenerhalt in Liga 3. Verzichtet werden muss zudem auf Joe Gyau, der nach seinem erneuten Knorpelschaden im schlimmsten Fall sogar die komplette Saison verletzungsbedingt nicht zur Verfügung stehen wird. Eine ganz bittere Geschichte für den pfeilschnellen Amerikaner, der es zwischenzeitlich sogar zu zwei Länderspielen gebracht hatte. Da Halbstürmer Tammo Harder alleine etwas wenig ist, war der BVB also gezwungen, sich zu verstärken – und tat das auch.
Die beiden wichtigsten Neuzugänge hier sind Alen Ozbolt und Philipp Hanke. Ozbolt, der wie Jon-Gorenc Stankovic vom slowenischen Klub NK Donzale zum BVB kam, trainierte bereits im Winter als Gastspieler bei der Borussia, wurde damals aber nicht fest unter Vertrag genommen. Jetzt im Sommer dann zumindest ein Jahr ausgeliehen und das dürfte keine Fehlentscheidung gewesen sein. Ozbolt machte eine gute Vorbereitung, der 19-Jährige ist stark im Dribbling und sucht häufig den direkten Weg zum Tor. Noch mehr überzeugen konnte aber Hanke. Der geborene Lüner spielte vor wenigen Jahren noch Westfalenliga, über Brambauer und Rhynern wechselte er nun nach Dortmund. Auch wenn er von weitem aussieht wie ein kleines Kind, der Junge ist eine Granate! Gegen Lünen und Aplerbeck war er jeweils bester Mann auf dem Platz. Es gab gefühlt keinen einzigen Angriff, der nicht über Hanke führte. Er wird dem BVB mit Sicherheit viel Freude bereiten.
Aus der dritten (!) Mannschaft von Real Madrid wechselte außerdem Agoney Gonzalez nach Dortmund. In den zwei besagten Testspielen wirkte er jetzt aber nicht wie der Spieler, der uns groß verstärken wird – vor allem noch nicht jetzt sofort. Er könnte aber durchaus davon profitieren, dass er nicht allzu viel Konkurrenz auf seiner Position befürchten muss. Die aus der U19 hochgezogenen Flores, Drozdek und Dieckmann dürften ohne Leistungsexplosionen keine größere Rolle in Wagners Planungen spielen.
Sturm
Nach der Sommervorbereitung dürfte Nikolaos Ioannidis vorerst erste Wahl sein. Der Grieche, der in der vergangenen Rückrunde nicht wirklich Eigenwerbung betreiben konnte, netzte in nahezu jedem Testspiel. Aber auch Neuzugang Michael Eberwein darf sich nach überstandener Verletzungspause Hoffnungen auf die erste Elf machen. Sollten Ioannidis und/oder Eberwein ausfallen, kann Wagner im Notfall aber auch Harder, Ozbolt oder Hanke nach vorne ziehen. In ein paar Wochen könnte zudem Marvin Ducksch ein wenig Spielpraxis bei den Amas sammeln, falls er keinen neuen Verein findet.
Ausblick
Dave Wagner kann auf eine Truppe zurückgreifen, die durchaus kicken kann. Mit Hendrik Bonmann hat der BVB vermutlich einen der besten Keeper der Regionalligen, die Defensive muss vor keinem Gegner Angst haben und in der Offensive schlummert enormes Potential. Gleichzeitig stellt der BVB mit einem Altersdurchschnitt von 20,7 Jahren auch das jüngste Team der Regionalliga West. Die mangelnde Erfahrung könnte also durchaus zum Problem werden, insbesondere in Phasen, in denen es nicht so läuft.
Wenn man dann immer wieder hört und liest, dass die BVB-Fans die Amateure ganz automatisch zu Aufstiegsfavoriten erklären, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Zunächst sollte hier nochmal das behämmerte Reglement in Erinnerung gerufen werden: Ein direkter Aufstieg in die Dritte Liga ist überhaupt nicht vorgesehen. Der Meister der Regionalliga-West muss sich also zunächst der Playoff-Lotterie stellen. Wie knapp es da zugehen kann, musste zuletzt Mönchenkackbach II erleben, die gegen Werder II bis zur zweiten Halbzeit der Verlängerung des Playoff-Rückspiels vom Aufstieg träumen durften, bevor sie vor eigenem Publikum zwei Gegentreffer kassierten.
Neben dem Titelverteidiger werden auch die zuletzt knapp an der Aufstiegsrunde vorbeigeschmierten Alemannia Aachen und Victoria Köln alles daran setzen, diesmal die Nase vorn zu haben. Oberhausen, Essen und Lotte sind auch ambitioniert. Der Klassenerhalt in der Dritten Liga ist insgesamt sicher deutlich leichter zu erreichen als ein Aufstieg aus der Regionalliga. Davon auszugehen, dass der BVB direkt um die Spitzenplätze mitspielt, wäre vermessen. Coach Dave Wagner hat entsprechende Ambitionen auch weit von sich gewiesen.
Beim BVB II steht auch eine Liga tiefer die Ausbildung im Mittelpunkt und es bleibt abzuwarten, wie schnell sich die neuformierte Mannschaft zusammenfinden wird. Ungeduld und überzogene Erwartungen sind bei diesem Prozess sicher nicht hilfreich. Man sollte aber auch in der Nach-Klopp-Ära durchaus Vollgasveranstaltungen von unserer Zweitvertretungen erwarten können und, soweit es der Rasen in der Roten Erde zulässt, auch spielerisch hochwertigen Fußball. Den Umgang mit Negativerfahrungen und Rückschlägen müssen die Jungs erst noch lernen, während sie ihre ersten Schritte im Seniorenbereich gehen.
Die schwatzgelb.de Amas-Crew freut sich auf jeden Fall schon wie Bolle auf den Saisonstart und daher werden wir trotz der unmenschlichen Anstoßzeit von 14:00 Uhr am Montag auch das volle Programm mit Amateurfunk (ab sofort auch ohne Anmeldung erreichbar) und Live-Ticker bieten, damit die arbeitende Bevölkerung die Chance hat, mit unserer Zweitvertretung am Ball zu bleiben. Immerhin sind noch Schulferien, so dass man darauf hoffen kann, dass die Amateure vom BVB 09 in Düsseldorf nicht komplett ohne Unterstützung antreten müssen. Wer es irgendwie einrichten kann, sollte auf jeden Fall die Reise zum Paul-Janes-Stadion in Flingern antreten und unsere Jungs unterstützen.