Warmlaufen

Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz

06.04.2015, 18:18 Uhr von:  Redaktion

3-1 schlug der BVB im Jahre 2008 das DorfEs war der 26.02.2008, kurz vor sieben Abends, als im Westfalenstadion ein Blitzlichtgewitter losbrach, das mit einer Oscarnacht hätte mithalten können. Was war passiert? Die Südtribüne hatte gerade alle Schals in die Höhe gestreckt, um mit einem lautstarken „You’ll never walk alone“ ihre Jungs auf dem Rasen für das Pokal-Viertelfinale gegen die TSG aus Hoppenheim einzustimmen.

Nichts außergewöhnliches, sagt ihr? Das sah der Gästeblock anders. Der von Hopp gesponserte Auswärtsmob (ja, es waren tatsächlich sehr viele, was angesichts der vom Verein bezahlten Fahrt nicht weiter verwunderlich war) des Zweitligisten auf Eventtour ins schönste Stadion der Welt hatte mal kurz den Fotoapparat gezückt. In ungefähr 3000-facher Ausführung.
Tatsächlich war das die erste echte Begegnung des BVB mit dem Plastikfußball und ein Vorgeschmack auf das, was in der Hinsicht noch kommen sollte. Außer für die wenigen Fans, die sich außerhalb des Stadions engagierten und in Sportpolitik und Fankultur bekannt waren, dürfte das Kunstprodukt für die meisten neu gewesen sein. Und dann war es da, auf dem Präsentierteller der großen Fußballbühne und ein jeder konnte sehen, was der FIFA-Entwurf des modernen Fußball sein sollte. Und vor allem was wir selbst niemals werden wollen. Denn natürlich kam nach dem Blitzlichtgewitter 90 Minuten lang andächtige Stille vom zahlenmäßig gut vertretenen Gegenüber.
Beim letzten Pokalspiel war selbst noch Robert Kovac mit dabeiIronischerweise war nach dem Sieg gegen Hoppenheim im Halbfinale Carl-Zeiss Jena zu Gast. Der spätere Zweitligaabsteiger formte ein wunderbares Gegenstück zu den Plastics. Ein Traditionsverein auf dem absteigenden Ast, wie so viele vor und nach ihm, der sich auf dem Rasen und auf den Rängen mit Kampf und Leidenschaft wehrte und um das größte Highlight der jüngeren Vereinsgeschichte kämpfte. Es sollte zwar nicht sein, aber immerhin ist Jena seither Teil eines Pokalrekords: mit 80‘708 Zuschauern hält das Spiel bis heute den Rekord als meistbesuchtes Pokalspiel aller Zeiten. Ein Halbfinale zwischen einem strauchelnden Erst- und einem scheiternden Zweitligisten. Das ist das Phänomen Tradition, gepaart mit dem Hauch eines Erfolges vor Augen, was weder Hoppenheim, noch die FIFA, noch die Verantwortlichen des FC Bayern jemals verstehen werden, was aber die Zuschauer in die Stadien lockt und den Fußball ausmacht. Den echten Fußball, der mit den dreckigen Kleidern, den fluchenden Zuschauern und den blauen Flecken nach dem Spiel.
Die BVB-Fans selbst waren zu dem Zeitpunkt gerade am Ende einer Selbstfindungsphase – nach den Erfolgen, dem großen Crash und dem überstandenen Abstiegskampf – und in Topform. Gezwungenermaßen auf einem „back-to-the-roots“-Trip konnte genau dieser echte Fußball auch auf den Rängen wieder Oberhand gewinnen. Gute Choreographien, lautstarker Support und eine vorher und nachher kaum je dagewesene Harmonie zwischen den unterschiedlichsten Teilen der Tribüne unter dem Motto „Wir haben zwar kein Geld, aber die besten Fans der Welt“ sorgten für eine Stimmung, die gerade in solchen Flutlichtspielen, in denen es um etwas ging, zum Tragen kam. Eine Entwicklung, die sich getragen von den erneuten Erfolgen Und auch Morgen soll nur schwatzgelb jubelnnoch eine Weile fortsetzen konnte, aber spätestens nach dem Championsleague Finale definitiv verloren ging.
Jetzt scheint sich die Geschichte also zu wiederholen. Ein – größtenteils – überstandener Abstiegskampf, eine verkorkste Saison und die Aussicht auf ein Highlight in Berlin, wo man als krasser Außenseiter auf die Superbayern treffen könnte. Und vielleicht könnte man sich dabei ja mal kurz erinnern wie das war, damals, als man geschlossen auf der Tribüne stand, ohne Aussicht auf Erfolge, dafür aber mit einem unbändigen Stolz auf den Verein.
Wir sind alle verwöhnt, haben noch nicht wieder ganz auf den Boden zurückgefunden. Wer will es uns verübeln, nach dem Höhenflug den wir hatten. Ab einer bestimmten Geschwindigkeit ist es schlicht nicht mehr möglich, die Bodenhaftung zu behalten. Aber nachdem alles nun schon eine Weile etwas langsamer geht, ist es angebracht, sich Gedanken darüber zu machen, was jeder einzelne tun kann.
Dabei kommt der Gedanke an das Pokalviertelfinale von 2008 eigentlich gerade recht. Eine Mannschaft, wenn auch spielerisch alles andere als überragend, die sich auf ihre Stärken beruft und alles gibt, um den großen Traum vom Finale in Berlin leben zu lassen. Eine Führung, die jeden Schritt als Erfolg sieht und nicht immer zu den Überbayern schielt. Und Fans, die geschlossen und mit einer großen Portion Leidenschaft eine Nation beeindruckt haben.
Ganz ehrlich, Leute, auch wenn das Pokalfinale vielleicht nicht das Finale in Berlin ist, von dem die meisten von Euch vor der Saison geträumt haben, war das damals nicht ein tolles Gefühl? Können wir nicht alles daran setzen, um das nochmals zu erleben? Wenn der Stadionsprecher in Eine klare Ansage die auch für Morgen giltBerlin vor aller Welt ins Mikrofon sagt „Liebe Bayern-Fans, ich will euch nicht zu nahe treten, aber seid ihr noch da?“, dann ist das auch ein geiles Gefühl. Und dieses Gefühl nochmals zu erleben, das haben wir alle zusammen selbst in der Hand!
Gebt Gas, jeder einzelne! Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz!!!

So könnten sie spielen


Borussia Dortmund: Weidenfeller - Sokratis, Subotic, Hummels, Schmelzer - Bender, Gündogan - Blaszczykowski, Reus, Kampl - Aubameyang
TSG Hoppenheim: Baumann - Beck, Strobl, Bicakcic, Kim - Polanski, Rudy - Volland, Zuber, Roberto Firmino - Schipplock

Schiedsrichter: Aytekin

Stadion: Westfalenstadion, 80'667 (ausverkauft, zweitbestbesuchtes Pokalspiel aller Zeiten)

Nadja, 06.03+1.2015

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