Ein Bonbon zum Wiedersehen
Ricken. Lupfen jetzt! Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!
Ein jeder, der es mit der Borussia hält und im Jahre 1997 schon in irgendeiner Form aufnahmefähig war, erinnert sich an den 28. Mai dieses Jahres, an dieses Zitat des häufig so gescholtenen Fußball-Kommentators Marcel Reif, das auch heute noch dafür sorgt, dass man direkt wieder Gänsehaut bekommt, wenn man an diesen ehrwürdigen Moment zurück denkt. Lars Ricken erzielt in der 71. Minute des Champions League Finals das 3:1 für Borussia Dortmund, der Treffer wird zwölf Jahre später zum Jahrhunderttor gewählt, der BVB die erste deutsche Mannschaft, die die Champions League gewinnt. Gegner damals wie auch im morgigen Achtelfinale des Wettbewerbs: Juventus Turin.
Schon vor mittlerweile knapp 18 Jahren ging der BVB als Außenseiter in die Partie. Doch Stefan Klos, der Fußballgott Jürgen Kohler, Paulo Sousa, Kalle Riedle und Stéphane Chapuisat ringen Perruzi, Deschamps, Zidane und Vieri nieder. Wiederholung gerne erwünscht, denn auch in der aktuellen Verfassung ist die Borussia nüchtern betrachtet wohl eher Außenseiter. Man steckt trotz drei Siegen in Serie und einer deutlich positiveren Tendenz als noch vor kurzem immer noch im Abstiegskampf, hat am Samstag mit dem Derby das Spiel des Jahres vor der Brust. Da kommt so ein Champions League-Spiel gegen den unangefochtenen Tabellenersten der italienischen Serie A vielleicht nicht unbedingt auf Wunsch. Andersrum ist das Spiel irgendwo auch eine Chance, sich noch mehr Selbstvertrauen zu holen, den derzeitigen Aufwärtstrend zu bestätigen und dann am Samstag mit massig Rückenwind die Blauen wegzuhauen. Und seien wir mal ehrlich: es war auch zu Hochzeiten unserer sportlichen Krise nicht das Problem unseres Ballspielvereins, keine Motivation für die Champions League mehr auftreiben zu können. Und wirklich etwas zu verlieren hat man ja nun auch nicht.
Auch vom Kader her sehen die Zeiten bei Borussia mittlerweile ja doch schon wieder wesentlich besser aus. Bis auf Kevin Großkreutz (verletzt), Erik Durm (noch angeschlagen) und Milos Jojic, der in der Champions League nicht (mehr) spielberechtigt ist, reist die gesamte Mannschaft mit nach Turin. Ich weiß nicht, wann ich diesen Satz das letzte Mal schreiben konnte, aber ich bin ja fast davor, zu sagen, dass Jürgen Klopp aus dem Vollen schöpfen kann. Zugegebenermaßen noch nicht ganz, aber aktuell muss man ja auch die kleinen Erfolge ausgiebig feiern. Die Schlüsselfrage, die sich stellt, ist wohl die, wie Klopp diese neue Situation ausnutzt. Haut man gegen die alte Dame alles raus, was man hat, bietet das beste Aufgebot auf, das man zu bieten hat und riskiert damit, in der Liga und vor allem im Derby vielleicht einige Krafteinbußen aufnehmen zu müssen? Oder versucht man es mit einer Art B-Elf beziehungsweise einer Menge Rotation, damit auch Spieler, die zuletzt doch weniger Pausen machen konnten, wie beispielsweise Marco Reus oder gerade Pierre-Emerick Aubameyang mal durchatmen können? Oder macht es wie so häufig die Mischung? Es ist eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist, da alle Seiten ein Für und Wider haben. Schließlich steckt in der Champions League ja auch noch eine ganze Menge Geld, Prestige und – nur, damit ich es mal erwähnt habe – ja auch die Möglichkeit, sich wieder für die kommende Auflage 2015/2016 zu qualifizieren, was über die Liga ja doch schon von zumindest erhöhter Schwierigkeit sein dürfte. Persönlich würde es mich allerdings überraschen, wenn die Jungs in schwarzgelb morgen wirklich vornehmlich aus der zweiten Reihe stammen. Es würde nicht wirklich zu Klopps Marschroute passen, nicht zum öffentlichen Bild von Borussia Dortmund, das als Verein ja auch Sponsoren und sonstige Offizielle zufrieden stellen muss und es wäre wohl auch ein falsches Zeichen. Ja, die Liga und das Derby sind wichtig, aber die Champions League bleibt eine Chance – auf Geld, auf Ehre und auch – und das ist in der aktuellen Situation vielleicht sogar noch das Wichtigste – eben auch auf Selbstvertrauen, das man auch schon aus einem Remis in Turin ziehen könnte. Nicht zuletzt ist der Spielrhythmus in dieser englischen Woche mit einem Spiel am Dienstag und einem am Samstag ja auch durchaus noch verkraftbar.
Dies alles schließt punktuelle Veränderungen in der Startelf natürlich dennoch nicht aus. Mats Hummels saß ja am Wochenende beispielsweise wieder auf der Bank und könnte nun eine Option für die Startelf sein, auch ein Pierre-Emerick Aubameyang könnte eine Pause bekommen, ohne dass die gesamte Elf direkt als B-Truppe deklariert werden müsste. Schließlich sollte Ciro Immobile beim Gastspiel im Heimatland und der Stadt seines letzten Vereins ja auch durchaus einige Extraprozente an Motivation mitbringen. Schaut man sich den Kader der Turiner an, stellt man auch ohne tiefe Kenntnisse des italienischen Vereinsfußballs fest, dass da aus sportlicher Sicht ein echter Brocken auf die Borussia wartet. Auch wenn Gianluigi Buffon genau wie Andrea Pirlo mittlerweile eher im Winter ihrer Karriere denn im Herbst sind, zählen sie nach wie vor zu Spielern mit absolutem Format. Dazu gesellen sich auch durchaus junge Kräfte wie Pogba und im Sturm Waffen wie Llorente und Tevez. Man kann also keineswegs sagen, dass Turin – weder von der Stadt, noch von der sportlichen Geschichte oder Qualität her – eine unattraktives Los für die Borussia ist. Genauso schwer wird es allerdings zu knacken sein.
Wie sollte man nur als Fan mit der Partie umgehen? Am Samstag steht wie beschrieben das Derby vor der Brust, für mich persönlich ist Juve ein absolutes Bonusspiel. Man hat absolut nichts zu verlieren, sondern kann nur gewinnen. Klar, auf eine hohe Niederlage oder Vergleichbares hätte ich nun auch nicht unbedingt Lust, aber ein Ausscheiden nach ordentlicher Präsentation in Hin- und Rückspiel wäre sicherlich nicht der Untergang der Mannschaft, die sich dann auf die Bundesliga konzentrieren könnte. Und wenn man es doch ins Viertelfinale schafft, gibt es nun erst recht, keinen Grund, irgendwie angefressen zu sein. Es kann eigentlich nur Gewinner in schwarzgelb geben. Oder? Wie schon im Jahr 1997 geht der BVB eher als Außenseiter in die Partie. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte ja mal wieder. Nicht im Finale, aber immerhin im Achtelfinale.
Sahin. Lupfen jetzt! Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!
?!
Voraussichtliche Aufstellungen:
Juventus Turin: Buffon - Lichtsteiner, Bonucci, Chiellini, Evra - Marchisio, Pirlo, Pogba - Vidal - Morata, Tevez
Trainer: Massimiliano Allegri
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Schmelzer - Bender, Gündogan - Kuba, Kagawa, Reus - Aubameyang
Trainer: Jürgen Klopp
Stadion: Juventus Arena, Turin (41.000 Plätze)
Vanni, 23.02.2015