Einfach mal nicht scheiße sein
Bei allem Ärger über eingeschränkte Bewegungsfreiheit in meiner eigenen Heimatstadt, muss ich zugeben, dass das neue Wegekonzept der Polizei offenbar weitgehend funktioniert. Dabei hatte doch das (friedlichste) Derby (aller Zeiten) in der vorigen Saison gezeigt, dass es auch mit Ultras möglich ist, ein Derby ohne große Randale zu erleben. Ja, auch damals gab es ein riesiges Polizeiaufgebot.
Bloß nicht! Denn in meinen Augen stellt jegliches Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen einen großen Selbstbetrug dar.
Die Polizei bejubelt ein Einsatzkonzept, bei dem sie ihren kompletten Fuhrpark inklusive Wasserwerfer aufgeboten hat, und feiert sich für ihren Erfolg. Was für ein Erfolg? Es ist nichts passiert – toller Erfolg, oder besser gesagt: ein Schein-Erfolg!
Denn was hätte schon groß passieren sollen? Es war ja keiner da! Ohne Feindbild werden beim Derby sogar hartgesottene Ultras handzahm und gehen einfach nur zum Stadion. Wobei ihnen dieses Gehen dann von der Polizei wieder negativ als unangemeldeter Marsch ausgelegt wird, statt als nette Dienstleistung. Für die Polizei muss es doch ein Traum sein, dass ausgerechnet die Fans, die offenbar schlimmer sind als NSU und RAF zusammen, gerne als Gruppe auftreten und sich somit wunderbar kontrollieren lassen.
Doch zurück zum Thema – Polizei-Kritik hatten wir hier auf schwatzgelb.de schließlich schon. Ich möchte auf etwas anderes hinaus. Ich kann mich nicht wirklich über das friedliche Derby freuen, weil mir der Preis für diesen Frieden zu hoch war. Vor allem aber fürchte ich, dass "wir" Fans den Preis noch unbewusst in die Höhe getrieben haben.
Seien wir ehrlich: Das Derby war nur deshalb friedlich, weil die Ultras aus der hässlichsten Stadt der Welt das Spiel boykottiert haben und somit den BVB-Ultras schlichtweg der Schlüsselreiz für Provokation und Aggression fehlte. Auf der anderen Seite nervte keine Gruppe mit Blocksturm, Randale oder sonstigen Schwachsinnsaktionen. Der Adrenalinspiegel konnte also gaaaanz in Ruhe im mittleren Bereich rumpegeln.
Dennoch sollte man kurz innehalten und überlegen, ob das Fernbleiben der Ultras und eines großen Teils der aktiven blauen Fanszene nicht das genau falsche Signal war. So berechtigt der Ärger über das reduzierte Kartenkontingent und eventuell personalisierte Tickets ist, so falsch war meiner Ansicht nach der Boykott. Die Polizei kann jetzt total stolz auf sich sein, weil sie dafür gesorgt hat, dass es weniger Gästekarten gab und am Ende sogar die (blaue) Hälfte ihrer Problem-Klientel zu Hause geblieben ist. Mit anderen Worten: Die Ultras haben Polizei und Politik gezeigt, dass Ticketreduzierungen und Stadion- und Betretungsverbote eine supertolle Sache sind. Wer nicht da ist, macht auch keinen Ärger. Da wäre es doch der nächste logische Schritt, bei kommenden Derbys erst recht auf personalisierte Tickets zu bestehen und darauf zu hoffen, dass die Ultras dann wieder zu Hause bleiben.
Bei allem Ärger über eingeschränkte Bewegungsfreiheit in meiner eigenen Heimatstadt, muss ich zugeben, dass das neue Wegekonzept der Polizei offenbar weitgehend funktioniert. Dabei hatte doch das (friedlichste) Derby (aller Zeiten) in der vorigen Saison gezeigt, dass es auch mit Ultras möglich ist, ein Derby ohne große Randale zu erleben. Ja, auch damals gab es ein riesiges Polizeiaufgebot.
Die Fans, insbesondere die Ultras beider Lager, sollten sich aber fragen, ob es nicht scheinheilig ist, darüber zu klagen, dass das Gästekontingent reduziert wurde, sondern sich an die eigene Nase fassen und hinterfragen, wie man in Düsseldorf oder Dortmund überhaupt erst auf die Idee gekommen sein könnte, über eine Reduzierung nachzudenken. Keine Gruppe, egal ob blau oder gelb, soll behaupten, sie hätte in der Vergangenheit keine Argumente dafür geliefert, sie eventuell nicht mehr im Stadion haben zu wollen: Blockstürme, Randale und schwachsinnige Pyroaktionen gab es genügend. Und wenn es sie nicht beim Derby gab, dann eben woanders.
Darüber hinaus graut mir vor dem Gedanken, was passiert wäre, wenn die Ultras Gelsenkirchen nicht boykottiert hätten. Angesichts des hohen Aggressionspotenzials einer neuen Dortmunder Gruppe, bei der Randale der einzige gemeinsame Nenner ist, hätte wohl niemand für ein friedliches Derby garantieren können.
Keine Frage, ich lehne reduzierte Kartenkontingente, personalisierte Tickets und all die anderen Daumenschrauben, die der Polizei und den Vereinen zur Verfügung stehen, aus voller Überzeugung ab. Aber meiner Meinung nach lassen sich diese Maßnahmen nicht durch Abwesenheit bekämpfen, sondern durch Anwesenheit. „Wir“ Fans müssen dann nur eines tun: Einfach mal nicht scheiße sein.