Der BVB muss an die Ticket-Börse
Jeder, der schon einmal ein Heimspiel des BVB besucht hat, kennt die Stimme von Hartmut Salmen. Meistens sagt sie so etwas: „81.359 Zuschauer…. ausverkauft“. Das Westfalenstadion bis auf den letzten Platz gefüllt. Mal wieder. Passend dazu die Geschichten entnervter und frustrierter Fans, die regelmäßig erfolglos versuchen, eine der begehrten Heimspielkarten über die Telefonhotline zu ergattern. Karten für den BVB sind einfach ein rares Gut. Umso erstaunlicher ist es, wenn man zumindest auf den Sitzplätzen den Blick etwas schweifen lässt. Häufig genug sieht man dann nämlich etwas, was eigentlich gar nicht geben dürfte: nicht besetzte Plätze.
Die Besitzer der Tages- oder Dauerkarten sind einfach nicht anwesend und die Karten verfallen. Das kann man den Leuten nicht einmal zum Vorwurf machen, wenn sie nicht in irgendwelchen Fanclubs organisiert sind und im Krankheitsfalle kurzfristig keinen Ersatz finden. Oder wenn sie in den Urlaub fahren und für ihre Dauerkarte keine Freunde oder Bekannten haben, die für sie ins Stadion gehen wollen. Fremden Menschen gibt man dieses Objekt der Begierde nur sehr ungern in die Hand. Schade sind solche verfallenden Tickets für alle Beteiligten. Der Besitzer hat dafür bezahlt, ohne einen Gegenwert zu erhalten, andere Fans, die diesen Platz liebend gerne einnehmen würden, müssen draußen bleiben und der Mannschaft fehlen Fans, die sie mit anfeuern würden.
Dabei sollte es eigentlich längst eine Lösung für dieses Problem geben. Im März 2014 beschloss die DFL die Einführung einer ligaweiten Ticketbörse. Ein legaler Zweitmarkt für die Weitergabe von nicht benötigten Eintrittskarten zum Originalpreis. Neben vielen kritikwürdigen Punkten an der Arbeit der DFL ein völlig richtiger und sinnvoller Schritt. Die letzte Meldung zu diesem Thema stammt aus dem September des gleichen Jahres. Demnach erhielt die Karlsruher Firma Objektkultur Software GmbH den Auftrag zur Implementierung und den Betrieb eines entsprechenden Systems für drei Jahre. Starten sollte die Ticketbörse mit der Spielzeit 2015/2016. Aus nicht bekannten Gründen verschiebt sich der Start allerdings bis zur Winterpause. Dem Vernehmen nach sollen sich zu Beginn zwei oder drei Vereine daran beteiligen. Ob Borussia Dortmund einer dieser Vereine ist, ist uns noch nicht bekannt.
Das darf allerdings auch nicht davon ablenken, dass der BVB in diesem Punkt unverständlicherweise bislang selber nicht aktiv geworden ist und damit der Liga hinterher hinkt. Zehn der aktuellen Erstligisten betreiben nämlich längst eine derartige Tickettauschbörse in Eigenregie. Von den „großen“ Vereinen fehlt ein derartiges Angebot nur bei Borussia Mönchengladbach, dem VfB Stuttgart und eben bei uns. Ansonsten bieten alle anderen Vereine bis auf Hannover, Hoffenheim, Darmstadt, Ingolstadt und Wolfsburg ihren Fans diesen Service. Vier von ihnen nutzen sogar das fanSALE Modul der CTS EVENTIM AG & Co. KGaA. Eventim ist passenderweise der Dienstleister, der sowieso den Onlineshop unserer Borussia betreibt. Dass die dadurch entstehenden Kosten für den Verein im überschaubaren Rahmen bleiben sollten, zeigt der Umstand, dass sich sogar der FC Augsburg eine derartige Plattform, wenn auch von einem anderen Anbieter, leistet. Es bestünde sogar die Möglichkeit, über eine ganz eigene Plattform selber noch finanziell zu partizipieren und die Gebühren oder Differenzbeträge im eigenen Hause zu halten. Dass das technisch und organisatorisch möglich ist, zeigt zum Beispiel der Hamburger SV. Wobei hier natürlich die Frage ist, in wie weit bestehende Verträge mit Eventim überhaupt ein eigenes Engagement im Ticketvertrieb zulassen würde.
Das System dahinter ist überall fast schon lächerlich simpel. Man stellt seine Tages- oder Dauerkarte online zum Verkauf. Findet sich ein Abnehmer, wird die Karte gesperrt und der Käufer erhält ein neues Tagesticket. Bei Dauerkarten erhält der Verkäufer 1/17 des DK-Preises zurück, die Differenz zum Tageskartenpreis erhält der Betreiber für seine Dienste. Beim Verkauf von Tageskarten wird für den Service eine Gebühr erhoben. Der Verkäufer bekommt seinen finanziellen Aufwand für dieses eine Spiel ersetzt und der Käufer zahlt den regulären Preis, den er sowieso entrichtet hätte. Dazu ist das System absolut fanfreundlich, da man sich nicht zu einer persönlichen Kartenübergabe verabreden muss und eine Dauerkarte immer bei ihrem Besitzer verbleibt. Und der BVB würde in so einem System dank seiner sagen wir mal großzügig bemessenen Versandkosten mit Sicherheit auch für den Druck und die Versendung einer neuen Tageskarte entschädigt.
Sollte man befürchten, dass eine derartige Tauschbörse ein weiteres Instrument für schmierige Schwarzmarkthändler zur Ticketbeschaffung werden könnte, kann man den Käuferkreis analog zum freien Verkauf auch auf Vereinsmitglieder beschränken und man hätte über die Mitgliedsnummer die Möglichkeit zur Kontrolle, welches Mitglied sich auffällig oft mit Karten über diesen Kanal versorgt. Diese Mitglieder kann man dann im Auge behalten. Ein legaler Zweitmarkt ist eher im Gegenteil ein Baustein im Kampf gegen den illegalen Markt. Er legt den Sumpf zwar nicht trocken, trotzdem wird das Angebot an Tageskarten zum Originalpreis erhöht, den Anbietern vom Verkäufer am Stadion bis hin zu Firmen wie Viagogo ein Teil der Nachfrager weggenommen.
Man sollte sich natürlich nicht der Illusion hingeben, dass ein legaler Zweitmarkt für nicht genutzte Tickets die eine Superlösung für den Überhang an Nachfragern für Tageskarten darstellt und der Schwarzmarkt über Nacht verschwindet, trotzdem stellt er ein sinnvolles und fanfreundliches Mittel dar, das bestehende Probleme mildern kann. Es wäre deshalb mehr als wünschenswert, wenn der BVB dem Trend folgen und auch an die Tickettauschbörse streben würde. Ob es jetzt die eigene ist, oder im Verbund mit der DFL, ist für den Fan auch erst einmal nebensächlich.
Sascha, 02.11.2015