In Wochen wie diesen...
... wünscht man sich Beständigkeit. Sportlich, ja, vor allem aber im Umfeld unseres Ballspielvereins, wo mittlerweile an manchen Stellen eine zumindest fragwürdige Mentalität Einzug hält. 5.1 bei den Bayern. Ja. Richtig auf den Sack bekommen. Ja. Tabellenletzter, so wie zu Beginn des Jahres? Nein!
Das klingt tatsächlich total abgedroschen und floskeliger als so manche Floskel, aber verdammt noch mal, Anfang Februar waren wir so gut wie tot, die Köpfe voll, die Beine schwer – die Lust auf Fußball war erstmals seit 2005 wieder brutal aus unseren Körpern verbannt worden. Das Ganze scheint eine Ewigkeit her. Zugegeben, seitdem ist auch einiges passiert: Kloppo und seine Ära sind mittlerweile Geschichte. Spieler, die diese Ära aktiv mitgestaltet haben, haben unseren Ballspielverein leider verlassen (müssen). Ein neuer Trainer ist im Boot. Ein neuer Koch auch. Und nebenbei haben wir in den ersten Wochen der nach wie vor jungen Saison die Sterne vom Himmel gespielt, grüßten von der Tabellenspitze und spürten in Ansätzen den Geist von 2010.
Ich möchte mich da nicht ausnehmen, das gebe ich an dieser Stelle gerne zu. Nach dem 3:0 gegen Leverkusen hüpfte auch ich die Süd hoch und runter zu einem uns allen nur allzu gut bekannten Song. Träumen an sich ist ja bei weitem auch keine Schande. Schlimm wird es erst, wenn der Traum die Realität verwässert und feste Strukturen aufweicht. Und so teilt sich das Lager der BVB-Anhänger derzeit anscheinend in drei Gruppen auf. Diejenigen, die diese momentane Situation bodenständig einschätzen können und nüchtern die Fakten beurteilen (wir sind Tabellenzweiter!). Dann gibt es die Gruppe derer, die ohnehin nicht primär auf Momentaufnahmen bauen und ihrem Ballspielverein in jeder nur denkbaren Konstellation die Treue halten, ohne Tabellenstände und einzelne Ergebnisse großartig zu hinterfragen. Der Übergang zwischen den beiden ersten Gruppen ist in einigen Fällen sicherlich fließend. Auf alle Fälle aber ist eine klare Abgrenzung zur dritten Gruppe nicht von der Hand zu weisen. Denn diese Gruppe fühlt sich vom ach so geliebten BVB doch tatsächlich im Stich gelassen, weil doch einfach die Ergebnisse nicht stimmen und die Lücke zum FC Bayern größer und größer wird – verständlich, denn die beiden Unentschieden zuletzt gegen Hoffenheim und Darmstadt waren schon eine bodenlose Frechheit, wenn man Meister werden will. Da sind die Pfiffe völlig angebracht, denn schließlich wurde man nicht maximal befriedigend unterhalten. Da muss mehr kommen...
Die dritte Gruppe ist dabei offensichtlich (und hoffentlich nur) das Produkt der Ära Klopp. Immer weiter, lauter! Manch einer hat diese Textzeile nicht einordnen können und daraus den wegweisenden Claim seines Fan-Daseins gebastelt. Das ist mehr als schade, denn eine derartige Erwartungshaltung an die Zukunft schmälert das Erreichte in der Vergangenheit. Dieser unabdingbare Hunger kann dann irgendwann auch einfach mal als gestillt angesehen werden, sonst bewegt man sich da ganz schnell mal in den Sphären solcher Fans, die wir ja nie sein wollten – nicht zuletzt nach dem uns gestern bei einer solchen Gala-Vorstellung der Roten und dieser miesen Arena-Stimmung doch wieder vor Augen geführt wurde, wie kacke das sein muss. Aber aufgepasst, einige von uns (und blöderweise irgendwie auch nicht wenige) zeigen schon deutliche Anzeichen und haben da einen äußerst zweifelhaften Weg eingeschlagen.
Unser Urgestein Kevin Großkreutz hat das schon ganz korrekt aufgegriffen, als er vor ein paar Tagen genau diese Mentalität abgemahnt hatte. Seine Worten waren zwar wie gewohnt sehr direkt und hätten sicherlich auch anders formuliert werden können, doch den Kern der Sache haben sie mal wieder getroffen und auch ihre Wirkung nicht verfehlt - auch Dauer-Meckermann Watzke sah sich gewzungen darauf einzugehen (aber worauf geht er dieser Tage eigentlich nicht ein?). So oder so, Unrecht hat der Kevin mit seiner Behauptung jedenfalls nicht.
Diese Zeilen klingen jetzt schon wieder so arg nach Bashing in den eigenen Reihen. Sorry, hatte ich gar nicht vor und sollte wirklich nur eine aktuelle Bestandsaufnahme werden. Aber so ein bisschen Frustschreiben sollte auch erlaubt sein. Und der Frust rührt überhaupt nicht von den letzten vier Partien her. Gestern war ich in Bezug auf ein Spiel gegen die Bayern so entspannt wie lange nicht. Ich freute mich riesig über den schön herausgespielten Anschlusstreffer, genoss die erste halbe Stunde und hatte die dreißig Sekunden zu Beginn der zweiten Hälfte (berechtigte) Hoffnungen auf den Ausgleichstreffer. Dann legten die Roten los und zeigten erneut, warum ihre Vormachtstellung nicht anfechtbar ist. Alles also halb so wild. Es ging um drei Punkte. Punkt. Haben wir nicht geholt, ist nicht weiter schlimm. Die Zielsetzung, nächste Saison wieder die Granden Europas herauszufordern, ist nach wie vor greifbar und nicht wirklich in Gefahr.
Ganz ehrlich, wer soll denn den zweiten Leuchtturm in Deutschland auch fordern. Mega arrogant, was ich hier schreibe, aber irgendwie stellt sich das Ganze zurzeit doch genau so dar. Leverkusen? Niemals. Mönchengladbach? Überfordert dank eigener Probleme. Die Blauen? Bitte!? VW? Software-Probleme. Und schon wird klar, dass wir in Ruhe unseren Stiefel weiterspielen können und kleinere Rückschläge weiterhin Teil des Ganzen sind und auch sein dürfen - sie sind sogar essenziell für die Etablierung der Spielphilosophie. Unsere Mannschaft entwickelt sich von Spiel zu Spiel weiter und wird uns am Saisonende dann ein rundes Ergebnis präsentieren. Wie genau das aussieht, wissen wir jetzt doch noch nicht. Der eingeschlagene Weg kann so falsch jedoch nicht sein und wird uns noch viele tolle Momente bescheren. Hoffentlich ziehen wir Fans bis dahin wieder an einem Strang und erleben diese Momente nicht isoliert voneinander. Das wäre ein riesiges Unglück für diesen Verein.
Aber eins, aber eins...
Tim, 06.10.2015