Mars macht mobil - bei Arbeit, Sport und Spiel
Es ist so eine Krux mit der Wahrheit. Wir möchten Spieler, die nicht weichgespült vorher vom Berater freigegebene Sachen ins Mikro säuseln. Wir möchten gleichzeitig aber auch professionelle Maschinen, die gefälligst in jeder Lebenslage zu funktionieren haben. Blöd ist, wenn manchmal eben nicht beides zusammen zu bekommen ist.
Mats Hummels ist sich in den letzten Jahren nie zu schade gewesen, um unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Sei es nun in Bezug auf allgemeine Fußball- und Bundesligathemen oder aber eben wie in diesem Fall seine eigenen Fehler zu reflektieren. Ich persönlich finde das erfrischend, viele andere sind aber der Meinung, dass ein hochdotierter Fußballprofi diese Fehler nicht begehen darf, denn immerhin verdient er massig Geld und hat sein Arbeitsgerät gut in Schuss zu halten.
Ich mag es nicht mehr hören. In erster Linie ist Mats Hummels ein Mensch und deswegen wie wir alle nicht davor gefeit, falsche Entscheidungen zu treffen und sich in einer Krise seinen Schwächen auszuliefern. Natürlich hat dies in diesem Zusammenhang andere Auswirkungen wie bei uns Otto-Normalverbrauchern. Essen wir ein Mettbrötchen zu viel, essen wir halt nur ein Mettbrötchen zu viel. Dann rollt man sich eben ein bisschen schwerfälliger am nächsten Tag zur Arbeit. Dennoch ist der Auslöser der gleiche. Wir kompensieren ein Problem oder eine Situation durch Essen. Und wie intensiv Hummels versucht hat, aus diesem Teufelskreislauf auszubrechen oder worin sein Problem genau bestand, kann von uns niemand beurteilen.
Tatsächlich ist es gerade für Menschen, die unter einem so großen medialen Druck stehen, wichtig, dass sie über diese Dinge sprechen können. Sie müssen Fehler laut eingestehen dürfen, auch wenn diese Fehler bescheuert sind. Seit Jahren predigen wir den Wunsch nach mehr Offenheit und Toleranz in der Bundesliga. Wir reden von Depressionen und Homosexualität, gehen aber schon auf die Barrikaden, wenn jemand 'ne Ritter Sport vor der Glotze zu viel gegessen hat. Ernsthaft, Leute? Im Übrigen hätte Mats darüber gar nicht zu reden brauchen. Die verkorkste letzte Saison ist Vergangenheit, ein Großteil der Mannschaft war in einem Formtief und niemand käme auf den Gedanken, Mats als den Schuldigen auszumachen. Tatsächlich kommt er mit dieser Beichte ohne Not um die Ecke und gerade deswegen ist sie bewundernswert.
Natürlich schlagen sich viele von uns mit Gewichtsproblemen rum. Man muss nur mal den Blick über die Südtribüne schweifen lassen. Im Zweifelsfall gucken aber nicht Millionen Leute vor der Glotze, wie viele Schwabbelstellen man gerade vor sich her trägt. Mats darf sich schon mal darauf freuen, dass in dieser Saison bei jedem unglücklichen Schnappschuss, wo das Trikot merkwürdig sitzt, das letzte Bananensplit verantwortlich gemacht wird. Willkommen in der deutschen Wirklichkeit!
Dem Deutschen ist sein Pöbeln heilig. Der verdient mehr Geld, der hat ein größeres Auto, wieso hält sie immer den teuren Verlobungsring in die Kamera? Ja, wer mal die absolute Peinlichkeit und Widerwärtigkeit der Spezies Mensch betrachten möchte, muss sich in den letzten Wochen nur mal auf Cathy Hummels Instagram Account umschauen. Man könnte meinen, sie selbst sei persönlich verantwortlich für sämtliches Leid dieser Erde, solcher Hass schlägt ihr dort entgegen.
Läuft es letztendlich wirklich darauf hinaus, dass sich Menschen, die viel Geld verdienen oder in einer verantwortungsvollen Position befinden, keine Fehler erlauben dürfen oder muss man nicht sogar akzeptieren, dass gerade diese Menschen besonders gefährdet sind. Die Jungs sind eigentlich fast nur noch dazu da, um zu trainieren und zu spielen und genau das ist doch das Problem. Gerade Fußballprofis leben heutzutage in einer Blase, in der man ihnen alles abnimmt. Sind diese Spieler verheiratet, wird ihnen wahrscheinlich zu Hause zusätzlich der Rücken freigehalten. Und wenn dann jahrelang, wie beim BVB, alles was man sich nur erträumen könnte, wahr wird und jeden Tag die Sonne scheint, man plötzlich sogar Weltmeister wird, dann weiß man vielleicht gar nicht mehr, wie man mit einem alltäglichen Problem umzugehen hat, dann wirft einen plötzlich etwas vollkommen aus der Bahn. Warum gehen Hollywoodschauspieler an Drogen und Alkohol zu Grunde? Weil man sich als stinkreicher Mensch genauso scheiße fühlen kann wie jeder andere Mensch auch! Und ich möchte betonen, wir reden hier immer noch von Schokolade.
Ja, für uns sind das alles Kinkerlitzchen und wir alle müssen mit unseren kleinen und großen Sorgen und Problemen fertig werden. Aber wir leben ein anderes Leben mit anderen Problemen und können uns in diese abgehobene Welt nicht mehr hineindenken. Das ist sicherlich eine Sache, die es zu diskutieren gilt. Spieler werden für Unsummen gekauft, man zahlt ihnen horrende Gehälter, die weit von jeglichem moralischen Sinn entfernt sind und die auch unseren Sport immer weiter verändern, aber dies ist ein anderes Thema. Im Übrigen ein viel wichtigeres Thema als die Frage, ob Mats heimlich abends leere Snickersfolie in der Sofaritze versteckt.
Steffi, 30.07.15