Zum Abschied von Mitch Langerak
Am Wochenende hatte es sich abgezeichnet, nun ist es offiziell: Mitch Langerak unterzeichnet einen Dreijahresvertrag beim VfB Stuttgart. Mit dem Australier verliert der BVB zweifellos einen Sympathieträger. Als Mitch im letzten Herbst Roman Weidenfellers Posten im Tor übernahm, begründete Jürgen Klopp dies mit den Worten: „Ich wollte Mitchs Lächeln“ – und jeder verstand, was gemeint war. Fünf Jahre stellte sich der australische Nationalkeeper hinter Roman Weidenfeller an, ohne sich jemals zu beklagen. Eine perfekte Nummer Zwei.
Für eine Nummer Zwei hat Mitch zudem verhältnismäßig viele denkwürdige Spiele für die Borussia abgeliefert, namentlich gegen die Bayern. Zum Beispiel beim 3:1 Sieg in München in unserem ersten Meisterschaftsjahr unter Klopp. Mit dem Sieg unterstrich der BVB seinen Anspruch auf den Titel, wies die Bayern endgültig ab und baute seinen Vorsprung auf Leverkusen auf 12 Punkte aus. Der Höhepunkt von Langeraks Dortmunder Karriere war sicher das 5:2 von Berlin 2012, als er in der 34. Minute für den verletzten Weidenfeller kam und den Pokal holte. Die dritte denkwürdige Begegnung gegen die Bayern, das diesjährige Pokalhalbfinale, in dem er grandios hielt und mit der Kickernote „sehr gut“ bedacht wurde, ist ebenfalls noch in bester Erinnerung.
Aber ist eine gute Nummer Zwei auch eine gute Nummer Eins? In den vergangenen Jahren war oft davon die Rede, dass die sportlich Verantwortlichen beim BVB in Mitch den geeigneten Nachfolger für Roman Weidenfeller sehen würden. Vermutlich steckte hinter diesen Aussagen mehr als nur das Bemühen, den jungen Keeper bei Laune zu halten. Und tatsächlich schien Langerak in der vergangenen Saison nah daran, sein Ziel zu erreichen: Neun Spiele machte er in der Bundesliga, alle sechs im DFB-Pokal. In der Champions League durfte er im abschließenden Gruppenspiel gegen Anderlecht ran. Doch dann verpflichtete der BVB Roman Bürki mit der Aussicht auf den Stammplatz im Tor und schon damals wurden Stimmen laut, es handele sich um einen Affront gegen Langerak. Und nach dem Wechsel Langeraks ist das Geschrei groß, das habe Mitch nicht verdient!
Sportliche Zweifel an Langeraks Fähigkeit zum Stammtorhüter
Es ist gar keine Frage, dass so ziemlich jeder Borusse Mitch von Herzen den Posten als Stammtorwart beim BVB gegönnt hätte. Doch maßgeblich für die Zusammenstellung eines Bundesligakaders sind weder Sympathie noch Dankbarkeit (bezeichnenderweise werfen viele Klopp vor, zuletzt zu sehr nach Dankbarkeit aufgestellt zu haben), sondern nach Leistung. Ein Blick auf die Kickernoten Langeraks in den vergangenen fünf Jahren zeigt dabei ein eher durchwachsenes Bild:
2010/11: 2,00 (1 Spiel)
2011/12: 4,25 (2 Spiele)
2012/13: 2,67 (3 Spiele), 4,17 bei drei Spielen in der dritten Liga
2013/14: 3,00 (4 Spiele)
2014/15: 3,22 (9 Spiele)
Und dann war da noch das Pokalspiel gegen Wolfsburg, bei dem eine wackelige Dortmunder Mannschaft einen sicheren Rückhalt nötig hatte. Doch beim ersten Gegentor klatschte Langerak den Ball nach vorne ab, beim 1:2 sah er ebenfalls nicht gut aus. Die Kickernote „mangelhaft“ trifft Langerak völlig zu Recht. Es war übrigens schon sein zweites Spiel gegen die Wolfsburger, das ihm in dieser Saison misslang: In der Hinrunde ließ er einen recht harmlosen Freistoß von de Bruyne durchrutschen. Es sind solche immer wieder auftauchenden Unsicherheiten oder Fehler, die Zweifel säen an Langeraks Eignung als Stammtorwart des BVB.
Natürlich kann man auch einiges zugunsten von Mitch in die Waagschale werfen und anmerken, dass er nie die nötige Spielpraxis bekam, um sich Stabilität zu erarbeiten. Aber es ist angesichts solcher eher durchmischter Leistungsnachweise völlig legitim seitens des BVB, sich die Dienste eines jungen talentierten Torhüters wie Roman Bürki zu sichern, wenn dieser für einen günstigen Preis auf den Markt kommt. Wenn angesichts dieser Neuverpflichtung wiederum Mitch Langerak zu der Entscheidung kommt, dass er lieber einen Neustart beim VfB Stuttgart versuchen möchte, dann ist es seitens des BVB auch ein Zeichen der Anerkennung, ihn ohne große Diskussion (und für eine offenbar sehr attraktive Ablösesumme) ziehen zu lassen. In dieser Personalie steckt einfach kein Potential für eine Dramatisierung der Dortmunder Transferpolitik, wie überhaupt bislang mit der Verpflichtung eines jungen Talents (Weigl), eines jungen und doch schon erfahrenen Torhüters (Bürki) und eines umworbenen, hochkarätigen Mittelfeldspielers (Castro) eine sehr gesunde Mischung zustande gekommen ist – auch wenn sich sicher sowohl bei Ab- als auch bei Zugängen noch etwas tun wird, weshalb eine grundsätzliche Bewertung der Transferbilanz aktuell verfrüht ist.
An dieser Stelle geht aber noch einmal ein Dank an Mitch Langerak, einem super Typen, mit dem wir immer ganz besondere Erinnerungen teilen werden. Mach’s gut Mitch, viel Erfolg in Stuttgart, man sieht sich!
PatBorm, 29. Juni 2015
Für die Nostalgiker noch einmal zum Nachlesen unser Interview mit Mitch Teil I und Teil II, das wir kurz nach seinem Wechsel zu uns mit ihm führten.