Neue Einlasssituation vor der Nordtribüne
Das Westfalenstadion ist in vielerlei Hinsicht einzigartig in Deutschland. Es hat das größte Fassungsvermögen, die größte Stehplatztribüne – und wohl die bemerkenswerteste Einlasssituation aller Bundesligastadien. Spätestens im Zuge der WM 2006 und den damit verbundenen Um- und Neubauten ist eine strikte Trennung von Heim- und Gästefans im Profifußball die absolute Regel. Gästefans haben ihren eigenen, abgetrennten Einlassbereich und werden idealerweise schon ab den Parkplätzen auf separaten Wegen zum Stadion geschleust. In Dortmund ist das baubedingt alles ein wenig anders. Das Stadion Rote Erde, der Parkplatz Luftbad sowie das Freibad und die Bahnstrecke hinter der Süd begrenzen die Zugangsmöglichkeiten auf ein Minimum.
So kommt es zu der eigentümlichen Situation, dass die Zuschauer auf dem absoluten Herzstück des Stadions, der Südtribüne, einen eigenen Eingang für sich haben, während sich auf dem Vorplatz der Nordtribüne Heimfans, die Karten für die Ost-, West- oder Nordtribüne haben, mit den ankommenden Gästefans durchmischen. In jedem Fall sorgt dieser Andrang, zumindest zu den absoluten Stoßzeiten, zu langen, entnervenden Warteschlangen vor den Stationen zur Leibesvisitation und vor den Drehkreuzen. Bei Hochrisikospielen wie dem Derby kommt es zudem zu sicherheitsgefährdenden Situationen.
Um die Einlasssituation zu entspannen, hat der BVB in den letzten drei Heimspielen gegen Frankfurt, Berlin und Bremen ein neues Konzept ausprobiert, das vor jedem Spiel etwas abgewandelt getestet wurde. Vor der Nordtribüne wurde ein ca. 20 x 20 Meter großes Rechteck mit Stahlgittern abgezäunt, mit insgesamt 22 Einlasspunkten allein für männliche Fans längs zum eigentlichen Stadioneinlass. Die weiblichen Fans wurden separat im Innenraum des Rechtecks kontrolliert, anstatt jeweils einen männlichen und einen weiblichen Kontrollpunkt wie vor den Drehkreuzen zu haben. Dadurch konnten auf dem gleichen Tribünenabschnitt mehr Kontrollpunkte als zuvor eingerichtet werden. Eine durchaus logische und sinnvolle Idee, stellt das Abtasten doch den zeitneuralgischen Punkt beim Betreten des Stadions dar. So sollte mit der gleichen Anzahl an Drehkreuzen die Durchlaufgeschwindigkeit deutlich erhöht werden.
Hier muss man die Verantwortlichen beim BVB auch einfach mal grundsätzlich für eine gute Idee und sinnvolle Verbesserung loben. Die Bebauung direkt um das Stadion lässt eine grundlegend veränderte Zuführung zum Stadion einfach nicht zu und so muss man versuchen, aus den Gegebenheiten das Beste zu machen. Durch die höhere Anzahl an Kontrollpunkten sorgt man einerseits dafür, dass in der gleichen Zeit mehr Menschen kontrolliert werden können, andererseits hat diese neue Aufteilung auch den positiven Effekt, dass z.B. die fast schon rituellen Blockstürme im Derby der Vergangenheit angehören dürften. Die neue Lage der Kontrollpunkte verhindert ein frontales Anrennen einer großen Gruppe und die Zugänge wirken wie kleine Flaschenhälse, die eine Menschenmenge in kleine Ströme aufspaltet. Was allerdings nicht bei allen auf Begeisterung stoßen dürfte: die so besser durchführbaren Kontrollen sollen mit Sicherheit auch dafür sorgen, dass weniger Pyromaterial ins Stadion gelangt.
Aber wie so häufig steckt der Teufel im Detail und es gibt ein paar Punkte, die dringend zu berücksichtigen sind. Gegen Frankfurt war es ein Kardinalfehler, die Zugänge zu einer Seite mit dunklen Planen an den Zäunen blickdicht zu machen. Jeder, der schon mal auswärts gefahren ist, weiß, wie intensiv, nervig und oft auch unangenehm intim Einlasskontrollen teilweise gestaltet werden. Veränderungen erfährt man fast ausschließlich als Verschärfung einer sowieso schon ungeliebten Situation und so erweckt ein Bereich ohne direkte Einsicht beim Fan erst einmal Misstrauen. Er sieht nicht das Mehr an Einlasspunkten und den schnelleren Durchlauf, sondern vermutet instinktiv, dass hinter der Plane irgendwas passiert, das ihm nicht gefällt. Ohne Sichtschutz dürfte die Atmosphäre bei allen gleich viel entspannter sein. Gegen Werder Bremen wurde auf einen Sichtschutz komplett verzichtet, dafür wurde der Platz genutzt, um parallel zur Nordtribüne noch weitere 12 Einlassschleusen zu errichten. Insgesamt konnte die Kapazität damit von ursprünglich 26 Einlassschlangen für Männer und Frauen auf 34 Kontrollpunkte allein für Männer, die mit Sicherheit das Gros der anstehenden Fans stellen, erhöht werden. Notwendig wäre bei dieser Variante aber auch eine engere Absprache mit der Polizei. Gegen Werder Bremen postierte sich eine Einsatzgruppe genau neben den Längseinlässen und ließ zu den Paralleleinlässen für die anreisenden Werderaner nur eine schmale Gasse. Die Folge war, dass sich kaum ein Fan der Gastmannschaft an der Polizei vorbei quetschen wollte und diese Eingänge nahezu verwaist blieben.
Problematisch ist bei dieser Aufteilung, dass eine Seite als Einlass für Gäste-, die andere für Heimfans genutzt wird und beide Fraktionen nach erfolgter Leibeskontrolle quasi aufeinanderzugehen. Dazwischen eine Ordnerreihe zur Fantrennung, deren Sinn aber auch eher zweifelhaft ist, wenn sich beide Fangruppen direkt nach den Drehkreuzen gleich wieder durchmischen. Eine Lösung, die in 90 % aller Bundesligaheimspielen völlig problemlos funktioniert, aber scheitern wird, wenn dort zwei Fangruppen aufeinandertreffen, die sich nicht freundlich gesonnen sind. Hier muss mindestens über eine Trennung qua Bauzaun nachgedacht werden. Vermutlich ist es aber praktikabler, wenn man das Rechteck einfach schmaler gestaltet und nur für den Einlass von Gästefans nutzt.
Weiterhin ist im Auge zu behalten, dass bei der Variante mit den zusätzlichen Eingängen parallel zu den Drehkreuzen lange Warteschlangen speziell an diesen Kontrollpunkten vermieden werden müssen, weil die dort Wartenden den über die Strobelallee ankommenden Fans den Weg versperren. Ein paar eher unentspanntere Leute und etwas Ellenbogeneinsatz können daraus eine unschöne Situation machen.
Unter dem Strich hat man sich dort bei Borussia eine sinnvolle Lösung ausgedacht, die variabel genutzt werden wird. Wünschenswert im Sinne einer Willkommenskultur und für die Akzeptanz dieses modifizierten Einlasssystems wäre der generelle Verzicht auf Sichtbeeinträchtigungen. Die gegen Werder Bremen praktizierte Variante bietet darüber hinaus eine vermutlich maximale Anzahl von Einlasspunkten und garantiert ein schnellstmögliches Betreten des Stadions. Interessant wird es, wenn das System für brisante Spiele in puncto Fantrennung angepasst werden muss. Darüber hinaus sollte man auch eins nicht vergessen: Das beste System ist nur so gut wie die Menschen, die es umsetzen. Ein freundlicher Umgangston und ein Mindestmaß an Respekt vor der Privatsphäre anderer sind als Basis für Einlasskontrollen unabdingbar.