Hotte stellt frei
Unser Autor Stefan ist Jurist, Fußballfan und liebt den BVB. Er schreibt zu rechtlichen Themen rund um Fußball und den BVB. Ihr findet Stefan auch bei Twitter unter @surfin_bird.
Was noch ein bisschen geiler ist, als die Möglichkeit die Saison so abschließen zu können — mit UEFA-Pokal-Qualifikation (natürlich heißt der noch so, Messe-Pokal war noch besser) und DFB-Pokal — ist die mit den Händen greifbare Möglichkeit, vor den Blauen ins Ziel zu laufen. Auf den letzten Metern vorbeiziehen auf der langen Strecke und noch genug Luft haben, um sich kurz nach dem Mitläufer im durchgeschwitzten blauen Leibchen umzudrehen, der mit knallrotem Kopf versucht, sich beim Laufen die offenen Schnürsenkel zuzubinden, ins Stolpern gerät und in Superzeitlupe der Länge nach hinschlägt.
So könnte es laufen und die Blauen setzen alles dran, dass es auch so kommt. Denn was zur Hölle treibt Hotte Heldt da?
Kevin-Prince Boateng und Sidney Sam sind, so die offizielle Verlautbarung, freigestellt. Das heißt aus der juristischen Fachsprache übersetzt, dass sie von der Pflicht zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung dauerhaft durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers (hier: S04) entbunden sind. Schalke verzichtet also auf die weiteren Dienste der beiden, muss aber das Grundgehalt ohne einsatzbedingte Prämien bis zum Vertragsende weiterzahlen. Einsatzunabhängige Prämien würden anfallen. Wird Schalke also Meister, dann muss der Verein zahlen. Merkt ihr selbst, oder?
Die beiden könnten sich also bis zum Ende ihrer Vertragslaufzeit in der Trainingsgruppe 2 fit traben und gegen Albert Streit Trainingsspiele absolvieren.
Werden sie aber nicht. Ein Verein agiert hier nicht anders als ein normales Wirtschaftsunternehmen. Will man sich trennen, geht man auch irgendwie auseinander. Sidney Sam hat noch einen Vertrag bis zum 30.06.2018 und ein von mir geschätztes Jahresgrundgehalt von 2,0 Mio. Euro. Über drei Jahre könnte er also auf der Tribüne 6 Mio. verdienen. Oder halt 4 Mio. oder 3,75 Mio., was auch immer die korrekte Zahl ist, mir geht es um die Erläuterung der dahinter liegenden internen Prozesse und der Vertragsdynamik. Schalke und Sam werden sich jetzt nach einigen Tagen zusammensetzen und erörtern, wie der Vertrag beendet werden kann. Denn eine Freistellung beinhaltet gerade keine Vertragsauflösung. Die kann nur durch eine Aufhebungsvereinbarung oder eine Kündigung zustande kommen. Letztere Möglichkeit wird nicht mal ein Horst Heldt wählen wollen, brächte sie doch ein öffentliches Gerichtsverfahren mit sich, wenn sich Sam gegen die Kündigung wehrt. Was er macht, wenn er nicht völlig durch ist.
Also kommt es, wie es immer kommt: Es treffen sich die Anwälte und machen einen schmutzigen Deal. Der wird erfahrungsgemäß aus einer Abfindungszahlung zwischen 50% und 60% der in den nächsten drei Jahren zu verdienenden Grundgehaltssumme bestehen, einer Sprachregelung über die einvernehmliche Aufhebung und allerlei sonstigen Regelungen. Ich lehne mich aus dem Fenster und sage, dass eine solche Vereinbarung vor Saisonende steht, um Planungssicherheit im Sommer zu erzielen.
Bei Boateng gilt im Prinzip dasselbe, allerdings läuft sein Vertrag nur noch ein Jahr. Er könnte also sagen: Ein Jahr sitze ich einfach aus, denn ihr, Verein, müsst mir ein adäquates Training weiter ermöglichen. Darum rechne ich damit, dass seine Abfindungssumme prozentual höher ausfällt. Aber auch er wird im Sommer weg sein. Glaube ich.
Wenn Hotte zu den beiden sagt, die Entscheidung sei endgültig, dann kommt er da nicht raus, ohne sich gleich selbst zu demontieren.
Und Höger? Die Nummer ist skurril. Glaubt man seinem Berater, stand man kurz vor der Unterschrift unter eine Vertragsverlängerung. „Es ist bereits ausgehandelt und müsste nur noch unterschrieben werden."
Warum dann die Suspendierung? Damit ist er nicht freigestellt wie die anderen beiden, aber man sagt ihm klar: „Du läufst jetzt mal hübsch Runden um den Platz.“ Für eine solche Maßnahme gibt es eine Erklärung, die mir plausibel erscheint. Fragte man mich als Anwalt bei einem (unterstellt) unterschriftsreifen Vertrag, wie man aus diesem möglichst reibungslos wieder herauskommt, ich antwortete, dass es dafür einer Pflichtverletzung bedürfte, die ein weiteres Zusammenarbeiten unzumutbar macht. Vor Unterzeichnung hat ein Vertrag zwar keine rechtliche Bindungswirkung, wohl aber eine faktische. Und eine (unterstellte) erzielte Einigung ist ein Momentum, das man nicht ohne Widerstände wegdiskutiert bekommt. Hottes Kommentare lassen mich mutmaßen, dass man sich zumindest auch gegenüber Höger alle Möglichkeiten offenhalten will und die Suspendierung als Argument in die Verhandlungen über einen neuen Vertrag einbringen möchte, wenn man nicht sogar die Verlängerung insgesamt torpedieren möchte.
Fazit: Wenn die UGE sagt, „Wir haben nur halb so viel Bock“, dann möchte ich sagen: Schalke, ey, kleinerdrei, du machst richtig Bock gerade.
Stefan, 13.05.2015