Was passiert da auf dem Feld?
Der aufmerksame Beobachter wird gegen Juventus Turin den ein oder anderen durchdachten Spielzug mit System erkannt haben. Feine Diagonalbälle von Hummels oder Subotic raus auf die am Strafraumeck postierten Außenspieler, ein hinterlaufender Außenverteidiger, der Ball in die Tiefe und dann eine punktgenaue Flanke von der Grundlinie. Das sah nach einem Plan aus und erinnerte ein bisschen an die polnische Achse Kuba und Pischu vor vier Jahren. Leider gab der Co-Trainer dann das Signal zum Beenden des Aufwärmprogramms und die Spieler zogen sich um für den Anstoß.
Im Spiel selber konnte man dann, wie gehabt, zwei völlig andere Interpretationen vom „Spiel über die Außen“ bestaunen. Flacher Ball vom Innenverteidiger auf die Außenbahn. Entweder auf den offensiven Mitspieler, der den Außenverteidiger schickt, selber Richtung Strafraum joggt und dem Verteidiger viel Glück gegen drei Gegenspieler wünscht, oder direkt auf den Außenverteidiger, der dann seinerseits den Offensiven anspielt, an der Mittellinie wartet und sich von dort anschaut, ob der Kollege sich gegen die drei Gegner geschickter anstellt. Manchmal wurden derartige Aktionen sogar von so etwas wie einer Flanke gekrönt.
Und sonst so? Die gleiche spielerische Armut wie in dieser Saison gegen jeden Gegner, der rudimentäre Grundkenntnisse in Sachen Defensivbewegung hat. So hat man diese Saison häufig genug auf der Tribüne Zeit und Muße, die Phasen spielerischer Armut mit der Überlegung zu überbrücken, warum man mit stoischer Beharrlichkeit etwas beibehält, das offensichtlich nicht funktioniert. Den vier torreichen Begegnungen mit der leider viel zu selten möglichen Kombination Sahin und Gündogan als Sechser und Achter stehen eine Reihe von Spielen gegenüber, in denen man zusammen auf vielleicht eine handvoll echter Torchancen kommt. Exemplarisch das Viertelfinale gegen Juventus Turin. In 180 Minuten haben wir uns nicht eine einzige Szene mit wirklicher Torgefahr selber erspielen können. Der neutrale Beobachter wird sich nicht zu Unrecht gefragt haben, wie eine so limitierte Mannschaft die Gruppenphase überstehen konnte.
Wählt man nicht den eingangs erwähnten Weg über die Außen, um dem Gegner den Ball zukommen zu lassen, versammelt man sich mit bis zu fünf Spielern am Strafraumeck, zieht die Gegenspieler auch noch in den Raum – und ist dann erst einmal aufrichtig ratlos. Der Ball wird so lange quer gelegt, bis sich jemand erbarmt und den komplizierten Pass in die Tiefe durch drei gegnerische Beinpaare wagt. Der Ball ist dann in Regel natürlich ebenfalls weg. Das wirklich Überraschende an unserer Spielweise ist nur noch der Umstand, dass wir den nächsten Angriff ebenso aufziehen. Und den übernächsten. Und so weiter. Es ist fast schon bewundernswert wie kompromisslos man das durchzieht. Irgendwann im Laufe eines Spiels müsste doch nicht nur dem Trainer Klopp, sondern auch jedem Spieler folgender Gedanke kommen: „Hey, das was wir hier probieren, hat überhaupt keine Aussicht auf Erfolg. Lasst uns doch einfach mal was anderes machen.“ Wozu rühmt man bei Spielern wie Reus, Kampl, oder auch Aubameyang deren Schusstechnik, wenn der Torschuss von außerhalb des Fünfers offenbar verpöhnt ist? Warum wird der Weg zur Grundlinie mit dem flachen Ball in den Rücken der Abwehr so häufig verschmäht, wenn sowohl Flankbälle als auch Kurzpassspiel nicht zum Erfolg führen?
Zu den wenigen Dingen, die klar sind, gehört die Erkenntnis, dass man unsere Art Fußball „zu machen“ nicht mehr mit WM-Fahrern und problematischer Vorbereitung erklären kann. Und selbst wenn Lewandowski noch bei uns spielen würde, dürfte er bei diesem „Verdichtungsfußball“ in der laufenden Saison massive Probleme haben.
„Wir haben eine Art Fußball gespielt, die absolut keinen Sinn macht“ – das sagte Jürgen Klopp nach dem Hinrundenspiel in Köln. Fünf Monate später besitzt dieser Satz immer noch eine erschreckende Gültigkeit.
Sascha, 20.03.2015