Kredit verspielt
Niemand hat erwartet, dass die Borussia Juve an die Wand spielt. Gegen den italienischen Meister und Tabellenführer würde es schwer werden, das war klar. Die Art und Weise, wie die Mannschaft ausgeschieden ist, ist kaum akzeptabel.
Die Borussia war in zwei Partien die deutlich schlechtere von zwei eigentlich nicht der Champions League würdigen Mannschaften. Mehr noch: Gegen das vielleicht schlechteste Juventus Turin, das jemals im Westfalenstadion angetreten ist, war das gestern der wohl schwächste und chancenloseste Auftritt in der gemeinsamen Historie beider Mannschaften.
Man muss sich das mal vor Augen führen: Mit Aubameyang, Reus, Mkhitaryan und Kampl stand eine Offensivformation auf dem Rasen, die insgesamt rund 70 Millionen Euro gekostet hat – und deren Gehälter jenseits von Gut und Böse liegen. Vom später eingewechselten Adrian Ramos oder dem Bankdrücker Ciro Immobile ganz zu schweigen.
Klar, Geld schießt keine Tore, außer eben bei Bayern, Wolfsburg und zahlreichen anderen Teams. Aber das drei Spiele in Folge – und gegen beim besten Willen nicht gegen Mannschaften, die die Sterne vom Himmel holen – praktisch keine zwingende Torchance herausgespielt wurde, ist ein Armutszeugnis. Tatsächlich wusste man gestern praktisch zur Halbzeit bereits, dass auch nach 90 Minuten keine aussichtsreiche Gelegenheit auf dem Zettel stehen würde. Zu planlos, zu ideenlos präsentierte sich die gesamte Mannschaft:
Wo früher Handlungsschnelligkeit, Offensivgeist und schnelle Kombinationen vorhanden waren, agiert die Truppe inzwischen behäbig. Jeder einzelne Spieler hält den Ball deutlich zu lange, Mitspieler sind nicht anspielbar und Pässe werden bestenfalls zur Seite, meist aber rückwärts gespielt.
Das macht die Situation sogar gefährlicher als in der Hinrunde, als man zumindest in den meisten Spielen sogar mehr (ungenutzte) Chancen als der Gegner vorweisen konnte. Denn noch ist die Borussia bei Weitem nicht gerettet. Und mit der Leistung der letzten drei Partien wird das so schnell auch nicht passieren.
Nach der desaströs schlechten Hinrunde ist die Zeit der Ausreden jedenfalls lange vorbei und die Mannschaft steht deutlich in der Bringschuld, was bis zum Derby auch ganz gut geklappt hatte. Seither aber versagt das Team bereist bei kleineren Aufgabenstellungen – und liefert so ein deutliches Indiz dafür, dass hier mehr im Argen liegt. Wenn man es positiv sehen will, überlagert ein gutes Abschneiden in der Champions League diese Probleme nun wenigstens nicht. Doch man muss daraus auch die richtigen Schritte ableiten.
Mit Blick auf die gesamte bisherige Saison gibt es nur ein paar wenige Ausnahmen, die ansatzweise ihr Normalniveau abrufen. Nuri Sahin gehört unbestritten dazu. Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus mit Abstrichen ebenfalls. Dahinter wird es schnell dünn.
Dass Spieler wie Ilkay Gündogan offenbar einen längerfristigen Kontrakt scheuen, steht in krassem Missverhältnis zu ihrer Leistung. Aktuell jedenfalls ist es sogar eher im Interesse des BVB, nicht lange an den Spieler gebunden zu sein.
Für den Sommer jedenfalls gehört die gesamte Mannschaft auf den Prüfstand.
Aber auch die sportliche Leitung muss sich am Saisonende einige Fragen stellen. Das gilt für Jürgen Klopp, aber genauso auch für Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke.
Ohne von Flops sprechen zu wollen, lässt sich festhalten, dass kein einziger Sommertransfer den Kader nennenswert nach vorn gebracht hat. Teilweise ist nicht einmal erkennbar, was man sich von den Spielern wirklich versprochen hat. Das gilt insbesondere für die Offensive, wo die Frage „Immobile oder Ramos“ inzwischen längst mit „Aubameyang!“ beantwortet wurde.
Der teuerste Borussen-Kader aller Zeiten jedenfalls verfehlt aller Voraussicht nach mehr als deutlich sämtliche Saisonziele – und kommt den Verein mit dem Verpassen der neuerlichen Champions-League-Qualifikation noch einmal teurer zu stehen. Und ob die Jungs in der kommenden Saison derart fulminant die Kurve kriegen, sodass die Abstinenz in der Königsklasse nur eine Spielzeit währt, darf bezweifelt werden.
Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Mit Ausnahme von Aubameyang und dem gebürtigen Dortmunder Reus ist praktisch jede Transferausgabe oberhalb von 10 Millionen Euro tendenziell gescheitert. Es ist paradox: Je reicher der BVB geworden ist, je mehr Geld in den Kader gesteckt wurde, desto schlechter schneidet das Team ab. Vielleicht also ganz gut, wenn im Sommer weniger Geld für Investitionen vorhanden ist.
Die Verantwortung hierfür jedenfalls trägt jeder in dem Triumvirat. Entsprechend gut wären die Drei beraten, auch die eigene Rolle zu hinterfragen.
Die Mannschaft selbst jedenfalls ist nach kurzem Aufwärtstrend auf einem guten Weg, den wenigen Kredit, den sie nach der Hinrunde noch besessen hat, ebenfalls zu verspielen. Höchste Zeit, da gegenzusteuern. Sonst kann die Saison ganz schnell noch viel bitterer werden.
Arne, 19.03.2015