Roman Weidenfeller - Meckern ist silber, Halten ist gold!
Eigentlich liegt es uns fern, auf einzelne Spieler der eigenen Mannschaft einzudreschen. Wo man im Freundeskreis kein Blatt vor den Mund nimmt, schaltet sich beim Schreiben eines Artikels sinnvollerweise die Schere im Kopf ein, bevor es unsachlich wird. Doch jetzt ist ein Punkt erreicht, an dem es einfach mal raus muss: Roman Weidenfeller, immerhin Vizekapitän der Borussia, passt nicht mehr in diese Mannschaft! Er wirkt sowohl von seiner Spielweise her, wie auch in seinem Verhalten gegenüber seinen Vorderleuten wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten.
Was ist passiert? Roman Weidenfeller war mit seiner in der Gerry-Ehrmann-Schule erlernten Art schon immer umstritten. Er ist kein moderner Torhüter, der als Libero agieren kann und mit weiten, präzisen Abwürfen schnelle Gegenangriffe einleitet. Seine Lehrzeit beim Lauterer Schrank spiegelt auch sein Verhalten auf und neben dem Platz: Immer die Ellbogen ausfahren, Fehler nie bei sich selbst suchen, sondern nach Gegentoren die Mitspieler anmotzen. Hier soll auf keinen Fall vergessen werden, dass Weidenfeller mit seinen unbestrittenen Qualitäten auf der Linie und im 1:1-Duell einen großen Anteil an den Titelgewinnen der Ära Klopp hat und seit fast 13 Jahren in guten wie in schlechten Zeiten für den BVB die Knochen hingehalten hat. Aber seit der WM hat Weidenfeller versucht, sein Spiel zu revolutionieren und dabei viel von seinen ursprünglichen Qualitäten verloren. Noch schlimmer aber ist, dass offenbar das gegenseitige Vertrauen in der Dortmunder Hintermannschaft dabei komplett auf der Strecke geblieben ist. Das wurde auch wieder im Spiel der Borussia bei Juventus Turin deutlich.
Rekapitulieren wir kurz, dass die Borussia nach 32 Minuten zum ersten Mal verletzungsbedingt auswechseln musste. Lukasz Piszczek wurde von Matthias Ginter ersetzt. Ginter machte eines seiner besseren Spiele in schwarzgelb und trotzdem geriet Roman Weidenfeller immer wieder mit Ginter aneinander. Wiederholt stauchte der Vizekapitän den Neuzugang zusammen, zuletzt in der 86. Minute, als Ginter bei einem Rettungsversuch auch den aus dem Tor stürmenden Weidenfeller mit einer Grätsche mitnahm. Weidenfeller sprang auf und schimpfte mit Ginter, der nur noch mit Unverständnis den Kopf schüttelte. Viele Beobachter der Szene taten es ihm gleich, denn der Grund für Weidenfellers wiederholte Motzerei war unverständlich und die Art und Weise, in der er ständig aggressiv aus seinem Kasten stürmte und seine Mitspieler zur Sau machte noch viel weniger nachvollziehbar.
Das ist kein neues Phänomen. Weidenfeller ist dafür bekannt, seine Vordermänner mal gerade zu machen – daran ist an sich auch nichts Verwerfliches, wenn man es punktuell und begründet tut. Als Jürgen Klopp seine Nummer 1 gegen Ende der Hinrunde auf die Bank setzte, hörte man aber häufig Gerüchte, dass es zwischen Weidenfeller und der Viererkette vor ihm nicht mehr stimme, dass Klopp selbst eventuell auch Probleme mit der Einstellung seines Torwarts habe. Klopps Begründung für den Wechsel, sprach auch Bände. Er wolle Mitchs Lächeln auf dem Platz sehen, so Klopp. Das Lächeln eines Torhüters wird im Profifußball normalerweise nicht als Kriterium seiner Qualität angesehen. Mitch Langerak kam ins Tor, strahlte Ruhe aus – und fehlte zu Beginn der Rückrunde wegen des Asien-Cups. Seitdem spielte Weidenfeller wieder. Und schon in den ersten Spielen wurde deutlich, dass er weiter versucht, als Ein-Mann-Abwehr alles selbst zu regeln, weil er seinen Vorderleuten misstraut.
Weidenfeller sendet auch ein fatales Signal, wenn er Matthias Ginter öffentlich demontiert. Ginter ist neu beim BVB und er war sicher selbst auch nicht zufrieden mit seinen Leistungen in der Hinrunde. Ginter wurde viel kritisiert und der 21-jährige Newcomer wirkte auf dem Platz oft entsprechend verunsichert. Ob es dann wirklich hilft, einen jungen Spieler, der ohnehin schon nicht das größte Selbstbewusstsein hat und eher ein introvertierter, ruhiger Typ ist, nach misslungenen Aktionen noch weiter zusammenzufalten? Als Vize-Kapitän? Man darf sich vor allem auch mal an die eigene Nase packen. Der zweite Gegentreffer in Frankfurt war beispielsweise zu weiten Teilen Weidenfellers Fehler. Wenn er nicht derart ungestüm herausgestürmt wäre, hätte er Ginters Kopfballrückgabe locker runter gepflückt. Auch gestern sah Weidenfeller beim 1:0 für Juventus Turin alles andere als glücklich aus. Selbstkritik zeigte Weidenfeller nach dem Spiel im Interview bei sky aber nicht, sondern verwies auf generelle Fehler. Das Tor ging sicher nicht alleine auf Romans Kappe, aber es wäre trotzdem angebracht, öffentlich primär den eigenen Beitrag zu beleuchten.
Die Weltmeisterschaft hat Borussia Dortmund nicht gut getan. Nicht nur bei Roman Weidenfeller hatte man das Gefühl, dass sich seine Einstellung seit dem Titelgewinn, bei dem er übrigens exakt null Minuten auf dem Platz stand, geändert hat. Er wirkt seitdem davon besessen, das Torwartspiel von Manuel Neuer zu kopieren und das musste angesichts seiner komplett anders gelagerten Stärken und Schwächen einfach in die Hose gehen. Und je schlechter die Dortmunder Saison lief, desto verzweifelte versuchte Weidenfeller, es hinten ganz allein zu richten.
Kein Borusse wird vergessen, wie Roman mit dem BVB durch schlimme Zeiten gegangen ist. Spielt Roman Weidenfeller am Samstag, zieht er mit Michael Zorc als Rekord-Derbyteilnehmer in schwarzgelb gleich. Er hat Abstiegskampf, Meisterschaft, Pokal, Champions League Finale und Weltmeisterschaft erlebt und er identifiziert sich bestimmt total mit dem Verein. Auch die Tatsache, dass er der erste Spieler war, der nach dem 0:1 gegen Augsburg und der gekippten Stimmung im Westfalenstadion das Gespräch mit den Fans suchte, ist ihm positiv anzurechnen. Allein, dies befreit ihn nicht von jeder Kritik an seiner Position und Persönlichkeit.
Es wird aktuell häufig über Weidenfellers Zukunft beim BVB gesprochen. Durch die Medien geistern potentielle Nachfolger, auch Mitch Langerak wird als Alternative betrachtet. Weidenfeller hat mit 34 sicher noch einige gute Jahre vor sich, ob er die allerdings beim BVB verbringen wird, ist äußerst zweifelhaft. Er wirkt in der Mannschaft isoliert und mit Sebastian Kehl tritt am Saisonende auch der letzte Vertreter seiner Generation zurück. Neben dem Verhältnis innerhalb der Viererkette ist die Abstimmung und die Zusammenarbeit mit dem Torhüter die wohl wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Verteidigen. Und die Abwehrspieler machen mehr und mehr den Eindruck, als ob sie sich einen anderen Hintermann wünschen würden. Es scheint wechselseitig keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich zu sein.
Viele Fans wünschen sich wohl, im Derby am Samstag Mitch Langerak im Kasten zu sehen. Auch in der Mannschaft soll der Australier viele Fürsprecher haben. Jürgen Klopp würde mit seiner Aufstellung jedenfalls ein Zeichen setzen. Ein Zeichen, dass man als erfahrener Vizekapitän, als einer der Köpfe der Mannschaft, der schon fast alles gesehen hat, eben nicht den ohnehin schon verunsicherten Vordermann einen Kopf kleiner macht, wenn er sich nicht so verhält wie man sich das als Tormann vorstellt. Ein Zeichen für einen modernen, kollegialen Umgang auf dem Platz. Und auch wenn Langerak bislang nicht wirklich nachweisen konnte, der bessere Torwart als Weidenfeller zu sein, schien die Abwehr zuletzt mit ihm im Rücken entspannter und sicherer zu agieren.
Generell muss man über Weidenfellers Zukunft nachdenken. Sein Vertrag läuft zwar noch ein Jahr, Anzeichen dafür, dass der Verein ihn verlängern möchte, gibt es aber keine. Es bleibt jedenfalls spannend, mit welchen Torhütern der BVB in die nächste Saison geht. Roman Weidenfeller wünscht wohl jeder Borusse einen würdiges Ende seiner Zeit beim BVB. Ob dieses Ende schon im Sommer kommt, liegt zuallererst bei Roman selbst. Eine gewisse Selbstreflexion würde unserer Nummer 1 auf jeden Fall gut tun. Vielleicht würde er sich dann ja selbst auch mal anpampen und seinen Umgang mit den Kollegen überdenken.