Keine Punkte zum Geburtstag
Ok, bringen wir das Thema gleich zu Anfang hinter uns: Wat is dat nur fürn Wetter? Heute vor genau sechs Jahren waren es so ziemlich satte 35 ! Grad kälter. Celsius, wohlgemerkt. Wer erinnert sich nicht an den Goldkonfettiregen, der in der klirrend kalten Luft wie Eiskristalle glitzerte, und den Rahmen für die tollste 100-Jahre-Choreo für den tollsten Verein der Welt bildete? Im krassen Gegensatz dazu hieß es heute: Jacke aus, Fensterscheibe runter und ab ins Rheinland.
An Remscheid vorbei, wo sich der örtliche Spitzenclubs FC Reeeehmscheid leider schon in der Winterpause befindet. Ansonsten wäre ein Halt sehr verlockend gewesen, um mal bei einer Pressekonferenz die aktuellen Trends in Sachen moderne Trainingslehre abzuklopfen. Kann einen nur weiterbringen. Weiter auf der A1 und die BayArena links liegen gelassen. Der Verkehr läuft flüssig, keine Menschenmassen unterwegs. Hat Bayer etwa ein Heimspiel? Ok, jetzt nicht gerade ein Kracher, aber gegen die Pillen stänkern, geht immer. Ab dem Parkplatz dann die Atmosphäre des wohl entspanntesten Auswärtsspiels der Saison. Selbst bei der Polizei scheint man mittlerweile gemerkt zu haben, dass die jeweiligen Gruppen gut miteinander können und so schienen sich die versammelten Einsatzkräfte eher darüber zu freuen, dass sie eine der erfreulicherweise wenigen Hundertschaftsplätze ergattern und bei Sonnenschein an der frischen Luft ihren Wochenendzuschlag abgreifen konnten. Alles easy und locker.
Im Stadion selber dann mal ein netter Quervergleich für alle, die Borussias Weihnachtsgruß eher so mittel fanden. In Köln wünscht Geißbock Hennes total innovativ „Määääääähry Christmas“.... Klatsch.... Klatsch.... Klatsch. Und dann betretene Stille. Ich muss zugeben, dass ich die Kölner prinzipiell ja mag. Vielleicht schon allein deshalb, weil ich die Ponys aus Rheydt so gar nicht abkann. Aber was vor dem Anpfiff so geboten wird, das lässt mich jedes Mal wieder vor Verzweifelung weinen. Cheerleader. Meine Güte, wer braucht sowas? Papa Sokratis offensichtlich auch nicht, weil der passionierte Hobbybowler von der Keilformation der Tanztruppe angetachelt, erst einmal eine der Hüpfdohlen mit einem amtlichen Warmmachschuss von den Beinen holte. Treffsicher war er heute eben, der Papa. Und dann ist da noch dieser Stadionsprecher. Meine Güte, gehen mir diese Knallchargen auf den Keks, die mit getragenenem Tonfall den Eindruck vermitteln, als würde gleich ein ungeheuerliches, welterschütterndes Ereignis eintreten. Das ist Fußball und schon spannend genug. Da brauchts keine solche Erregungskasper.
Was der Fußball auf jeden Fall braucht, ist Stimmung. Und dafür ist in Köln vorm Anpfiff reichlich gesorgt. Die Heimkurve schmetterte ihr Lied wie gewohnt so stark, dass man sich unweigerlich dabei erwischt, wie man in leichte Schunkelbewegungen verfallen ist. Im Gästeblock dann erst ein graues Banner mit der Aufschrift: „Ein Leben ohne dich: grau, kalt und trist“. Später gefolgt von einem „wie schön, dass du geboren bist“ und einer Vielzahl kleiner Fahnen. Auch an dieser Stelle nochmal: Herzlichen Glückwunsch, Zuckerschnecke. Im weiteren Verlauf taten sich beide Kurven dann nicht viel. Ein paar Durchhänger, ein paar mal ganz kräftig. Auf Dortmunder Seite gab es mit Sicherheit schon schlechtere Auftritte, aber eben auch bessere. Unter dem Strich aber würdig. Die Kölner Südkurve zeigt, dass sie und unsere Süd sich eigentlich ziemlich ähnlich sind. Sie können brutal laut sein. Eine Mannschaft richtig pushen. Und sie können amtlich ausrasten. Trotzdem können sie auch ziemlich leise sein und Lieder so lange wiederholen, bis nur noch der harte Kern mitsingt. Auch in Müngersdorf sind die Außenbereiche der Stehplatztribüne nicht gerade ehrfurchteinflößend in Sachen Aktivität.
Ok, der Anlauf war jetzt ziemlich lang, aber jetzt kommen wir endlich zum Spiel. Thomas Tuchel nahm zwei wesentliche Änderungen zum Start vor: Für Schmelzer stand Park zu Beginn auf der linken Abwehrseite und im offensiven Mittelfeld durfte Hofmann statt Castro den verletzten Reus ersetzen. Und das Spiel begann gleich wie man es eigentlich erwartet hatte. Köln eher auf die Defensive beschränkt und Dortmund mit Spielkontrolle. Unsere Borussia war dominant und bestimmend, ohne jedoch wirklich zu Chancen zu kommen. Dafür sammelte man fleißig Eckbälle ein. Vor dem dritten hielt Sokratis ein Schild in die Luft mit der Aufschrift „Ich finde kurze Ecken scheiße“ und ermunterte Mkhitaryan dazu, einfach mal so ganz old school den Ball vors Tor zu treten. Der kleine Armenier tat wie befohlen, Papa stieg hoch und nickte locker ein. Geschlagen der Horn, die Borussia vorn. Weihnachtszeit ist Kalauerzeit.
Wenige Minuten später zuckte dann ein ganz fieser Gedanke durch meinen Kopf: Der Dominique Heintz, der hat ja einen Buckel. Fasziniert blieb der Blick für einige Minuten bei der Nummer 3 der Kölner. Tatsächlich. Ein Buckel. Und beim Gehen schiebt sich die Hüfte bemerkenswert weit raus und verursacht einen ziemlichen Watschelgang. Irgendwie erinnerte er mich an den Jungen mit mehr Enthusiasmus als Können, der beim Schulfußball zwar vor dem Seitenscheitel aus der Schach-AG gewählt wurde, aber nicht weit vorher. Mit anderen Worten: Er erinnerte mich irgendwie an mich selbst. Ich habs übrigens auch mal in der Schach-AG versucht, aber nach vier Wochen aufgegeben. Und während ich mir noch vorstelle, wie der Heintz mit Esmeralda im Arm am Glockenseil des Kölners Doms hängt, fast der Ausgleich.
Der Nationalmannschafts-Hector trat einen Freistoß in den Strafraum, die Sörensen aus kurzer Distanz aufs noch kürzere Eck köpfte. Bürki unten. Bürki... Bürki, du Teufelskerl. In dieser Phase zeigte sich auch, warum die Kölner fast genau so oft ein Tor schießen wie sie Rosenmontag feiern. Ziemlich schnell hatten die Domstädter nämlich zwei Dinge rausbekommen: Jonas Hofmann verteidigt nicht und Park ist jetzt auch defensiv nicht gerade ein Meister seines Fachs. Dummerweise spielten beide auf der gleichen Seite und so ging Köln bei seinen Angriffen irgendwann konsequent auf diese Seite. Dass außer der Sörensenchance und ein paar scharfen Flanken, die allesamt an der gegenüberliegenden Auslinie landeten, nichts schlimmeres passierte, grenzte an ein Wunder. Das haben wir nicht zuletzt auch Knuuuuuuuuuut Kircher zu verdanken, der ein ziemlich deutliches Foul von Park im Strafraum einfach mal konsequent übersah.
Trotzdem vor der Pause noch fast die Entscheidung für uns. Irgendwann wurde Weigl das ganze Rumgeschiebe rund um den gegnerischen Strafraum zu bunt und er zog zentral einfach mal ab. Wie beim ersten Treffer konnte Horn einfach nur hilflos aus der Wäsche gucken, aber diesmal pfiff der Ball knapp am Pfosten vorbei. Schade, schade. Zum Schluss noch eine Szene, die mit Sicherheit kein Ruhmesblatt unserer Vereinsgeschichte war. Während ein Kölner verletzt am Boden lag, spielten unsere Leute den Ball fast drumherum und dachten nicht im Traum daran, den Ball fairerweise ins Aus zu schieben. Zum Glück konnte Horn Ginters Schuss locker halten. Erinnert Ihr Euch noch damals an Mainz?
Dann war Halbzeit und in dieser Halbzeit müssen mehrere Dinge passiert sein. Fest steht, dass Bender und Schmelzer das Zeichen zur Einwechselung für Hummels und Park erhielten. Über alles andere kann man nur spekulieren. War der langhaarige Rasenpfleger im Strafraum vor der Südkurve wirklich Marwin Hitz, der den Rasen „reparierte“? Und wurde beim BVB die Pause zur Mannschaftsweihnachtsfeier genutzt und Weihnachtsgans serviert? Für jeden eine. Zumindest wirkte es so, was man in der zweiten Halbzeit spielerisch auf einmal bot.
Dabei hatte man zehn Minuten nach Wiederanpfiff sogar ein dickes Ding, um die Führung auszubauen. Feine Passstaffette zwischen Mkhitaryan und Ginter auf der rechten Außenbahn und Kopfballmonster Kagawa nickte den Ball am Tor vorbei. Hinter ihm stand Gündogan frei und Durchlassen wäre hier vielleicht besser gewesen. Das war es dann aber auch erst einmal mit Offensivaktionen. Köln übernahm das Ruder und wirkte druckvoller, ohne jedoch seinerseits Chancen zu erarbeiten. Dann mal wieder eine Ecke für den BVB. Tuchel nutze die Gelegenheit, um noch eben den deutlich längeren Ramos für Hofmann einzuwechseln. Die Situation wie gemalt für ein Heldenepos. Der Ball ruhte auf dem Halbkreis an der Eckfahne. Der Kolumbianer scharrte an der Linie mit den Hufen wie ein Stier. Gierig auf den Einsatz. Sofort nahm er Fahrt auf, nahm einen langen Anlauf und rannte durch bis in den Strafraum.... die kurz ausgeführte Ecke endete dann mit Einwurf Köln.
Ich nutzte die ziemlich ereignislose Zeit, um ein Rezept für Zwiebel-Sahne-Schnitzel zu googlen. Der Heilig-Abend-Kompromiss zwischen Schickimicki-Filet und bodenständigen Würstchen mit Kartoffelsalat. Aha. Schnitzel in die Auflaufform legen, Sahne und eine Tüte Zwiebelsuppe drüber und fertig. Es wird vermutlich nicht ganz für einen Michelin-Stern reichen, aber genau meine Kompetenzklas.... Büüüüüüüürki!
Was war das denn bitte für eine geile Parade? Ballverlust im Spielaufbau und Gerhard hielt aus gut zwanzig Metern einfach mal drauf. Roman der Zweite machte sich ganz megadollsuperlang und schaffte es gerade noch, den Ball mit den Fingerspitzen an den Außenpfosten zu lenken. Tza, da schreibt sich die Überschrift doch glatt von selber: Bürki rettet dem BVB drei Punkte zum Geburtstag. Solides Ding.
Leider musste das in der 82. Minute wieder durchgestrichen werden. Mittlerweile bin ich mir total sicher, dass es der Hitz war, der da in der Pause am Werk war, um seinen Nationalmannschaftskonkurrenten eins anzuhängen. Eigentlich eine ziemlich harmlose Szene, in der sich Bürki einen Ball vorlegen wollte, der dann aber vor dem Schuss einmal kurz hoppelt. Wohl der Alptraum aller Keeper. Der Abstoß geriet unkontrolliert, viel zu kurz und landete leider bei Simon Zoller. Freie Schussbahn und das Stadion bejubelte den Ausgleich. Irgendwie bezeichnend, zum Jahresende noch einmal so ein dummes Ding zu kassieren.
Und mit spätestens diesem Tor war der Tank bei unseren Jungs völlig leer. Ja, die zweite Halbzeit war mieser Fußball und eine ziemlich blutlose Vorstellung. Aber auch das 30. Pflichtspiel der Saison und der Kick in Augsburg unter der Woche hat noch richtig reingehauen. Wäre zwar schön gewesen, wenn man noch Saft für weitere 45 Minuten gehabt hätte, aber hätte spielt eben Klarinette.
Und so kam, was irgendwie kommen musste. Ein nicht ganz souverän geklärter Eckball landete auf dem Kopf von Sörensen und von dort rollte er genau Linie durchs Niemandsland entlang. Schmelzer, Bender und Sokratis kommen nicht mehr ran und auf einmal stand Modeste zentral vor dem Tor und ließ Bürki mal so absolut gar keine Chance. O-Ton mein Hirn (kleine Kinder und Zartbesaitete mögen jetzt weglesen): „AchleckmichdochdubeschissenerArschlochFußball“. Ist einfach ein doofer Schluss einer an sich grandiosen Halbserie und nicht das, was sich die Mannschaft eigentlich verdient hat. Einfach schade.
Muss man jetzt einfach abhaken und sich darauf freuen, was die Mannschaft nach einer Regenerationszeit und einer intensiven Vorbereitung wieder zu leisten im Stande ist. Da kommt noch einiges auf uns zu. Und vor allem auf die Gegner.