Spielbericht Profis

Adler gerupft, aber Adventsflair fehlte

15.12.2015, 13:24 Uhr von:  Redaktion

Kritik der JUBOS zum Polizeieinsatz nach dem PAOK-HeimspielZum letzten Heimspiel des Jahres gastierte Eintracht Frankfurt bei unserer Borussia. Normalerweise stehen bei diesem Spiel viele kleine Kinder auf dem Rasen und tanzen zu Jingle Bells, das aus den Boxen schallt... ähm... das von ihnen gesungen wird. Leider hatte der Selmer Kinderchor einen anderen Termin und so musste der Auftritt aus dem letzten Jahr auf der Videoleinwand recycelt werden. Die Süd hüpfte zwar halbwegs mit, aber irgendwie war es nicht dasselbe. Schade, ist das doch mittlerweile noch fast der einzige Moment im Stadionjahr, in dem alle kindlich albern sein können und unbeschwert miteinander gröhlen und springen.

Vorher allerdings zeigte TU im Vorspielheft eine, ganz freundlich umschrieben, diskussionswürdige Vorstellung von Deeskalation im Zusammenleben mit der Polizei. Ich will das jetzt nicht im Wortlaut wiedergeben, möchte aber in meiner Eigenschaft als halbwegs normaler Durchschnittsfan anmerken, dass ich ziemlich angewidert den Kopf geschüttelt habe.

Guter Gastauftritt trotz schwachem Spiel auf dem RasenDoch jetzt rauf auf die Tribüne: Vor dem Anpfiff wirkte es irgendwie anders als sonst. Vielleicht lag es nur am Flutlicht, vielleicht am Wissen, dass es zum letzten Mal in diesem Jahr ins Stadion ging, aber beim YNWA leuchteten die unzähligen gelben Schals ganz besonders kräftig und die ersten Gesänge hatten eine ordentliche Lautstärke. Es klang gut und verheißungsvoll. Leider verflachte das alles im Laufe des Spiels immer mehr und glich sich den teilweise richtig schwachen Leistungen dieser Saison an. Die Gründe sind mit Sicherheit vielschichtig. Dabei dürfte mit Sicherheit auch eine Rolle spielen, dass man in einem paradiesischen Niemandsland herumdümpelt, mit einem Gefühl, dass die Saison irgendwie schon vorbei ist, weil weder nach oben noch nach unten viel gehen wird. Vielleicht sollte man sich jeden Tag aufs Neue bewusst machen, dass 16 andere Mannschaften liebend gerne mit uns tauschen würden und wir vor 365 Tagen von der 40-Punkte-Grenze nur träumen konnten. So reichte den Eintrachtfans, die in ihrem Block erstaunlicherweise auch diesmal keine Jungfrauen schändeten oder Kinder auffraßen, eine durchschnittliche Leistung, die ebenfalls weit, weit weg vom Supportorkan früherer Tage war, um gesanglich zu dominieren. Was dabei auffällt ist, dass man in der Adlerkurve Lieder und Schlachtrufe maximal zwei oder drei Mal wiederholt, sie dafür aber mit ordentlich Schmackes schmettert. Ein langes Austrudeln über mehrere Minuten hinweg, bis wirklich nur noch eine handvoll Leute mitmachen, gab es nicht. Meine ich nicht einmal böse in Richtung unseres Vorsängerpodestes, aber vielleicht denkt man mal darüber nach.

Pierre-Emerick Aubameyang gegen David KinsombiAuf dem Spielfeld zeigte Armin Veh, dass er nicht nur prophetische Gaben (Stichwort: Traum von Europa) besitzt, sondern auch ein ausgesprochener Taktikfuchs ist. Er schickte seine Jungs in einer innovativen 6-3-1 Aufstellung, die situativ in ein 7-3-0, 8-2-0, 9-1-0 oder gar 10-0-0 wechseln konnte, aufs Feld. Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er mit diesem Kniff den Bayern unter Dauerbeschuss ein 0:0-Unentschieden abtrotzen konnte, trotzdem wirkt das alles weit weniger nach stolzen Adlern, denn nach Lämmern, die zur Schlachtbank geführt werden. Und so ging es auch rein in die Partie. Kurz nach Anpfiff kann ein Frankfurter Abwehrspieler noch vor Reus klären und leitet damit eine formidable 4-0-Eckballserie ein. Folgerichtig fällt dann auch das erste Tor nach einer Dortmunder Ecke. Führung Frankfurt. „WTF?" fragt der WhatsApper da wohl. Ein schneller Abwurf des Torwarts und schon bietet sich das altbekannte Bild: Ein Dortmunder hinten alleine gegen einen Gegner. Diesmal ist es Castro, der Seferovic nur stellt, aber nicht den Pass in die Mitte zu Meier verhindern kann. Zwar stehen mittlerweile sieben Borussen gegen drei Adler, aber zur Verwunderung aller kann der Alex aus der Entfernung aufs Tor schießen. Tut er auch und drin ist das Ding.

Und hier ein paar persönliche Worte an Alexander Meier: Alter, der Dutt sieht so was von scheiße aus!

Jubel um Henrikh Mkhitaryans AusgleichDas Tor mussten unsere Dortmunder erst einmal verdauen und so konnte man die nächsten 15 Minuten mit seinem Nachbarn getrost "Stein-Schere-Papier" spielen, über das Wetter sprechen (das ist doch kein Winter) oder einfach nur still über den Siegtreffer der Augsburger in der Nachspielzeit gegen die Blauen vor sich hin grinsen. Dann aber zeigte sich der deutliche Unterschied zur letzten Saison. Nachdem man sich die besagte Viertelstunde etwas geschüttelt und den Ball quergepasst und quergepasst und quergepasst und... na, ihr wisst schon... schaltete man wieder in den Angriffsmodus und präsentierte das neu erworbene Schneidwerkzeug, mit dem man mittlerweile fast jede Abwehr fein säuberlich auseinandernehmen kann. Hummels mit dem gewohnten Außenrist in die Tiefe auf Aubameyang, der leitet uneigennützig weiter in die Mitte zu Mkhitaryan und der kleine Armenier beweist seinen absoluten... hihi, Achtung: Spoiler!... Killerinstinkt vor dem Tor und zeigt, wie einfach er die Bälle regelmäßig über die Linie drückt. Feines Ding.

Im Stadion war mehr Erleichterung als Jubel zu vernehmen, darüber dass man die Frankfurter Abwehr endlich knacken konnte, bevor man in der 80. Minute das Langholz aus dem Sack holen muss. Nur ein paar Minuten später wandelte sich diese Erleichterung in aufrichtige Empörung. Medojevic senst den dürren Weigl derart heftig hart um, dass er mit gelb noch gut bedient ist. Standesgemäß wird er dafür von den Rängen mit unflätigen Beschimpfungen bedacht. So muss das sein beim Fußball.

Die Vorentscheidung durch PEA17In der Folgezeit verpasste es der BVB, noch in der ersten Halbzeit in Führung zu gehen. Aubameyang zielte erst am langen Pfosten vorbei und pöhlte dann auch noch einen Elfer neben den Kasten. Was war passiert? Castro kam im Strafraum an den Ball und während die ersten schon meckerten, weil er nicht direkt aufs Tor schießt, bekommt er von hinten einen Stoß. Oder Tritt. Oder Schubser. Auf jeden Fall kam Castro ins Straucheln und der Schiri zeigt auf den Punkt und dem Übeltäter die gelbe Karte. Wieder Medojevic und damit gelb-rot. Insofern kurios, als dass dieser Kick in die Annalen des Bundesligafußballs als das fairste Spiel der Geschichte eingehen wird. Schafft auch nicht jeder, mit vielleicht zehn Fouls in 90 Minuten und zwei gelben Karten gleich einen Platzverweis zu fabrizieren. Dummerweise war das ebenso wenig die Führung, wie die Hereingabe von Schmelzer mit gefühlten 500 km/h, die Mkhitaryan halb im Flug über den Kasten schaufelte. Dazwischen die leider erneut verletzungsbedingte Auswechselung von Marco Reus. Für ihn durfte Kagawa auf den Platz. Für das weitere Spiel mit Sicherheit nicht verkehrt, aber für Reus vermutlich die Fortsetzung einer echten Verletzungsseuche. Das war wohl das vorzeitige Ende der Hinrunde für ihn.

Mats Hummels sorgte für die EntscheidungIn der zweiten Halbzeit mauerten die Frankfurter in Unterzahl. Normalerweise muss man als überlegene Mannschaft in der Folgezeit Flanke auf Flanke und Standard auf Standard in den Strafraum prügeln und hoffen, dass der richtige Mann im richtigen Moment den Kopf an den Ball bekommt und man so den gegnerischen Riegel knacken kann. Tuchel lässt das anders lösen. Er lässt die Aktionsflächen ständig verschieben und geduldig auf den passenden Moment warten. Das mag nicht immer schön anzusehen sein, aber was dann folgte, entschädigte eigentlich für alles. Gündogan lupft den Ball mal eben über die komplette Abwehr auf Kagawa, der sich in Wolfsburg wohl ganz genau bei Mkhitaryan abgeguckt hat, wie man Bälle aus der Luft direkt weiterleitet und in der Mitte staubt Aubamyeang locker ab. 18. Saisontor! Mal zur Einordnung und Würdigung: 2001/2002 sind Marcio Amoroso und Martin Max (das klingt vom Glamourfaktor irgendwie nach Paris Hilton und Alice Schwarzer) mit dieser Anzahl geschossener Tore Torschützenkönig geworden.

Und nur vier Minuten später krönte Mats Hummels eine starke Leistung mit dem wichtigen 3:1. Wichtig deshalb, weil damit jedes Darmstadt-„gleich kommt son dummer Standard"-Gefühl weggewischt war. Wieder ist es Kagawa, der den Ball zurück legt und während ich schon anfange zu fluchen, weil sich Hummels und Mkhitaryan augenscheinlich gegenseitig über den Haufen schießen wollen, nagelte der Kapitän den Ball einfach in die Maschen. Sauber, Mats. Darauf eine Runde Marzipankartoffeln, hast du dir nach dem Spiel wirklich verdient.

Zufriedene Gesichter nach AbpfiffUnd trotz der bis dahin drei Tore sollte die ultimative, megageile Kuba-Gedächtnisszene erst noch kurze Zeit später kommen. Aus dem Gewusel vor dem Tor schaffte es Castro, den Ball erst über den Gästekeeper zu heben, um ihn dann völlig uneigennützig mit dem Kopf noch einmal auf Mkhitaryan weiterzuleiten. Drei Meter vor dem Kasten und das Tor ist frei. Und in diesem Moment kommt unserer Nummer zehn vermutlich der Gedanke, vor dem sich jeder, angefangen vom Hobbykicker bis hin zum Profi, fürchtet: „Scheiße, was passiert, wenn du den nicht machst?" Und dann hast du verloren. Anstatt die Murmel einfach fluffig über die Linie zu drücken, prallt sie von der Schädeldecke über den Kasten. Erschrockener Blick von Mkhitaryan zum Assistenten: „Bitte lass es abseits gewesen sein." Ne, war es nicht. Und so stehen Miki, Castro und Aubameyang zusammen und packen sich an den Kopf. Bei einem 3:1 darf man das dann auch mal ziemlich witzig finden.

Und sonst? Der Autor dieser Zeilen beweist vor Abpfiff noch einmal seinen hervorragenden Fußballsachverstand. Als der eingewechselte Ramos einen Ball im Strafraum an einen Eintrachtler verliert, merkt hinter mir ein unaufgeregter Fachmann an, dass der Kolumbianer mindestens Schuhgröße 50 (nicht bestätigt) hätte und sich deshalb nicht so einfach den Ball klauen lassen dürfe. In bester Meckerkopptradition erkläre ich, dass das Problem eher bei dem zu verorten sei, was in den Schuhen drin steckt... Patsch. Ramos rauscht in den Ball und macht die vierte Bude. Den hab ich mir verdient und ich ziehe mir folgerichtig einen Kartoffelsack an und streue kübelweise Asche über mein Haupt. Ich sag jetzt einfach nichts mehr und freue mich auf Augsburg.

Borussia Dortmund: Bürki – Piszczek, Bender, Hummels, Schmelzer – Gündogan, Weigl, Castro – Mkhitaryan, Aubameyang, Reus
Eintracht Frankfurt: Hradecky – Aigner, Ignjovski, Kinsombi, Abraham, Djakpa, Oczipka – Medojevic, Hasebe, Meier – Seferovic

Sascha, 15.12.2015

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