Spielbericht Profis

Castro, Spitze - und viel Lärm um nichts

30.11.2015, 20:18 Uhr von:  Redaktion

Ab dem 2-0 war die Luft rausFür den BVB ging es nach zuletzt zwei Pflichtspielniederlagen in Folge darum, einen gefährlichen Trend bereits in seinem Frühstadium im Keim zu ersticken. Besonders aufgrund der Leistung in Hamburg am Spieltag zuvor erwartete nicht nur Trainer Thomas Tuchel eine deutliche Reaktion seiner Mannschaft. Doch auch bei diesem Bundesligaspiel drehte sich im Vorfeld leider nicht alles um die sportliche Komponente.

Im Zuge der neu entflammten und andauernden Debatte um verschärfte Sicherheitsmaßnahmen in und um Großveranstaltungen herum waren Zuschauer und Besucher der Partie gegen den VfB aus Stuttgart dazu angehalten, frühzeitig zu erscheinen, um potenzielle Verzögerungen im Rahmen zu halten. Mit intensiveren Taschen- und Rucksackkontrollen an den Einlasstoren sowie Metalldetektoren und vereinzelt installierten Sicherheitsschleusen fielen dem Beobachter jedoch nur bedingt weitreichende und sichtbare Veränderungen auf. Zu anfangs befürchteten Problemen beim Einlass an den Eingängen oder gar einer Verschiebung der Anstoßzeit kam es glücklicherweise nicht.

Taktik & Personal

Bei den Stuttgartern war erst nach der Halbzeit die Luft rausDer BVB wartete nach dem Spiel in Südrussland bei Krasnodar mit einigen Veränderungen und durchaus auch Überraschungen auf. Mit Ginter und vor allem Hummels und Weigl nahmen drei absolute Stammkräfte zunächst Platz auf der Bank. Piszczek, Bender und Castro übernahmen die vakanten Positionen in der Startelf. Bürki, Sokratis, Schmelzer, Gündogan, Castro, Mkhitaryan und die wiedergenesenen Reus und Aubameyang bildeten den Rest der Anfangsformation. Der VfB, im Zuge des Trainerwechsels mit neuem Übungsleiter an der Seitenlinie, überraschte lediglich mit der Berufung Georg Niedermeiers in die Startelf, der in dieser Saison noch gänzlich ohne Spielpraxis geblieben war. Den Kern des Abwehrverbunds bildeten mit Baumgartl, Insua und Schwaab die altbewährten Kräfte. Das Mittelfeld um Gentner und Rupp komplettierten auf den offensiven Positionen Maxim, Kostic und Didavi. Die einzige Spitze verkörperte der junge Timo Werner.

Erste Hälfte

Bei strömendem Regen, Wind und Wetter versuchte der VfB von der ersten Minute an durch Aggressivität in den Zweikämpfen ins Spiel zu kommen. Bereits nach 55 Sekunden nahm Emiliano Insua das ein wenig zu wörtlich und stellte sich gleich mal bei Mkhitaryan mit einem harten Foul vor. Der Sokratis und Bender bildeten die IVanschließende Freistoß verpuffte zwar ergebnislos, das Erfolgserlebnis für den BVB ließ aber trotzdem nicht lange auf sich warten. In der 3. Minute, nachdem Stuttgart versuchte, den BVB früh in der eigenen Hälfte zu pressen und den Aufbau zu stören, brach Marco Reus nach einem Pass auf der rechten Seite durch. Pass in den Rückraum, Schuss von Mkhitaryan, den Tyton erst abwehrte - dann aber zusehen musste, wie Gonzalo Castro unbedrängt und mit Anlauf den Ball zum 1:0 ins Tor köpfte. Castros erster Bundesligatreffer für den BVB. Der perfekte Auftakt, da die Borussia sofort die Räume nutzte, die der VfB durch das frühe Attackieren in Gegners Hälfte anbot. Im Anschluss näherte sich Stuttgart langsam dem Dortmunder Strafraum an. Kurz nach der ersten Ecke gab es die erste gefährliche Halbchance durch Maxim. Nach Flanke aus dem rechten Halbfeld von Kostic verpasste der Rumäne nur knapp, da Bürki gut antizipierte und schneller am Ball war. Der BVB war in dieser Phase vor allem bemüht, das Spiel ruhig aufzubauen und den Ball durch die eigenen Reihen laufen zu lassen. Jedoch streuten die Dortmunder immer wieder Fehlpässe und Unkonzentriertheiten ein, so dass der VfB im Spiel gehalten wurde. Vor allem durch den agilen und beweglichen Timo Werner in seinem 75. Bundesligaspiel brachen die Stuttgarter immer wieder durch und brachten die Borussia mindestens zweimal in mittelgroße Verlegenheit. Durch unnötige Fouls des BVB in den Halbfeldern vor dem Strafraum hatten die Cannstätter zudem die Chance, durch Standardsituationen gefährlich vors Dortmunder Tor zu kommen. Aus dem Stuttgarter Unvermögen, ihre Angriffe gefährlich auszuspielen, resultierte Didavi gegen Gündoganschlussendlich auch das Tor zum 2:0 durch Aubameyang. In Minute 19 wurde Castro zentral vor dem Strafraum von Bender angespielt, leitete das Leder in absoluter Weltklasse-Manier mit der Hacke nach außen weiter zum völlig allein gelassenen Aubameyang, der den Ball annahm, auf Tyton zuging und den Ball über den Tormann hinweg zum 2:0 ins Tor chippte. Die kurzzeitige Gegenwehr und das Aufbäumen der Stuttgarter schien schon nach knapp 20 Minuten gebrochen. Vor allem die linke Abwehrseite um Insua wirkte ein ums andere Mal überfordert und wurde wiederholt für Dortmunder Angriffe in Anspruch genommen. Die Ballbesitzstatistik von 68:32 % nach 22 Minuten unterstrich die in dieser Phase immer deutlich werdende Überlegenheit der Borussia. In Minute 26 war der BVB durch Piszczeks scharfe Hereingabe, erneut freigespielt durch den sehr starken Castro, wiederholt gefährlich im Stuttgarter Strafraum unterwegs. Eine Minute später brach im Stadion erneut lauter Torjubel nach Aubameyangs vermeintlichem 3:0 aus, Reus stand einen Augenblick zuvor jedoch im Abseits und das Tor wurde zu Recht nicht gegeben. Die Stuttgarter dagegen hatten in der 28. Minute ihre erste richtige Torchance: Didavi scheiterte an Bürki, es gab die zweite ergebnislose Ecke für den VfB. Nach einer guten halben Stunde prüfte Mkhitaryan Tyton mit einem strammen Schuss, für den erneut Castro die starke Vorarbeit lieferte. Der BVB verpasste es in dieser Phase, den Sack endgültig zuzumachen, ließ den VfB jedoch durch die altbekannte In der ersten Halbzeit gab es Protest gegen Metalldetektorenmangelnde Chancenverwertung im Spiel und am Leben. In Minute 40 war es dann leider so weit. Erneut war es Timo Werner, der steil geschickt wurde und knapp hinter der Mittellinie nur noch weites Grün vor sich fand. Lediglich Sokratis versuchte sich im Laufduell mit dem pfeilschnellen Stürmer. Vom Griechen dann im Strafraum halbwegs gestellt, tanzte der Stuttgarter den Verteidiger plus Torwart Bürki noch aus, drehte sich um die eigene Achse und spielte den Ball durch die Schweizer Hosenträger. Obwohl gerade noch so auf der Linie geklärt, klingelte es wenige Sekunden später trotzdem im Dortmunder Kasten. Der von Piszczek gerettete Ball gelangte direkt wieder in die Füße von Rupp, der ließ mit einer Bewegung zwei Borussen stehen, spielte auf den völlig freien Kostic raus und Didavi staubte den Ball am langen Pfosten nach einem Flachpass vors Tor zum Anschlusstreffer ab. Interessante Randnote: die letzten drei Stuttgarter Treffer im Westfalenstadion erzielte somit Daniel Didavi. Vom Anschlusstreffer beflügelt, agierte der VfB plötzlich viel aktiver und war wieder präsenter in den Zweikämpfen. Immer wieder war es Werner, der mit seinen Tempodribblings für Gefahr sorgte. Die Borussia verlor unverständlicherweise den Faden und den Spielfluss, produzierte Fehlpässe und war froh, den Halbzeitpfiff zu hören.

Zweite Hälfte

Zur zweiten Halbzeit wurde es dann ungemütlichEs schien, als hätte Thomas Tuchel in der Halbzeitpause die richtigen Worte gefunden, und so kam der BVB mit erheblichem Schwung wieder aus der Kabine. Knapp fünf Minuten nach Wiederanpfiff konterte Borussia über Castro, der bediente Micki auf rechts und in der Mitte rutschte Reus vorbei und Aubameyang beförderte den Ball im Fallen übers Tor. Den ersten große Aufreger des Spiels bot dann die 55. Minute: Mkhitaryan zog im Zweikampf gegen Niedermeier in den Strafraum und kam zu Fall. Über einen Elfmeterpfiff hätten sich die Stuttgarter in dieser Situation sicherlich nicht beschweren können. Sowohl Stadion als auch Trainer Tuchel reagierten mit lauten Unmutsbekundungen und Schiri Gräfe, zuvor vom Publikum schon zur Reizfigur auserkoren, sah sich gezwungen, beruhigend mit dem Dortmunder Cheftrainer in den Dialog zu treten. Die nächste strittige Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Mkhitaryan wurde auf Höhe der Mittellinie steil geschickt und stand deutlich nicht im Abseits und wäre sonst allein auf weiter Flur durch gewesen. Dortmund drängte jetzt verstärkt auf den dritten Treffer. In der 62. Minute war es zum wiederholten Male die Hacke von Gonzalo Castro, die einen Angriff überragend einleitete und Aubameyang eine erneute Torchance eröffnete. Tytons Fuß behielt in dieser Situation jedoch die Oberhand. Drei Minuten später war es dann doch so weit. Reus’ Pass von außen in den Strafraum durch die Beine von Baumgartl grätschte Niedermeier äußerst unglücklich Richtung eigenes Zunächst jubelt Marco Reus noch vergebensTor ab. Tyton rundete das Bild schließlich noch ab und bugsierte den Ball halbwegs selbst ins Tor. Für den BVB fiel das Tor zum genau richtigen Zeitpunkt. Durch die Einwechslung von Weigl in Minute 60 sollte die defensive Balance und Ordnung im Spiel, in der ersten Halbzeit nur teilweise vorhanden, wiederhergestellt werden. Vor dem Tor war an der Seitenlinie unter anderem oftmals ein stinkwütender Thomas Tuchel zu beobachten, dem das falsche Besetzen der Räume im Mittelfeld deutlich zu missfallen schien. Das Stuttgarter Offensivspiel war nun so gut wie nicht mehr vorhanden und die Borussia kam fast im Minutentakt zu Torchancen. In der 68. Minute verpasste es wieder einmal Aubameyang, das Ergebnis in die Höhe zu schrauben. Baumgartl wurde mit einer einfachen Bewegung verladen, der Schuss ging aber zu zentral auf Tyton. Kurz darauf vergab auch noch Reus völlig freistehend im Strafraum und schoss links am Tor vorbei. Der VfB griff nun nach dem letzten Konterstrohhalm, brachte Robbie Kruse und hoffte weiterhin auf Ballverluste des BVB und auf eigene schnelle Umschaltangriffe. Zunächst stand aber wieder einmal Castros an diesem Abend goldene Hacke im Mittelpunkt. Diese bediente Reus, der in den Strafraum zog und fiel. Auch diesmal blieb der Pfiff von Schiri Gräfe, vermutlich zu Recht, aus. In der 80. Minute wechselte dann nochmals die Kapitänsbinde ihren Träger und gelangte zum eigentlichen Besitzer Hummels. Für ihn vom Platz ging der relativ blass gebliebene Reus. Mit der fast letzten Aktion des Spiels machte Dann legt sich der VfB das 3-1 selbst ins Torder BVB dann den Deckel drauf. Der eingewechselte Ramos schickte noch einmal Auba auf die Reise, der zog mit Leichtigkeit am bemitleidenswerten Baumgartl vorbei und vollstreckte mit links ins lange Eck. Mit Saisontor Nummer 17 setzt sich Aubameyang an der Spitze der Torjägerliste fest und hält seinen engsten Verfolger Lewandowski somit auf Distanz.

Fazit

Ein letztlich über weite Strecken ungefährdeter 4:1-Erfolg über einen vor allem defensiv eklatant schwachen VfB Stuttgart. Doch auch in diesem Spiel gab es Phasen, vor allem gegen Ende der ersten Hälfte, in denen der BVB in der Defensive alles andere als sattelfest aussah und enorm mit der Beweglichkeit und Agilität der Stuttgarter Offensive zu kämpfen hatte. Auch die Passsicherheit und Körpersprache insbesondere in Hälfte eins geloben, vor allem mit Ausblick auf das nächste schwierige Bundesligaspiel beim VfL Wolfsburg, definitiv einer Verbesserung. Auf Seiten der Borussia machte vor allem Gonzalo Castro sein vermutlich bis jetzt bestes Spiel im schwarzgelben Dress. Auch Sven Bender überzeugte, größtenteils als Innenverteidiger, mit fast schon rekordverdächtigen 173 Ballaktionen.

Jubel nach Abpfiff vor der SüdtribüneObwohl spielerisch über weite Strecken souverän, wurde die Mannschaft stimmungsmäßig eher mau unterstützt. In der ersten Hälfte noch mit gelegentlichen Versuchen als Antwort auf den Gästeblock Stimmung zu erzeugen, verpuffte in Hälfte zwei vor allem auf der Süd sogar das Bemühen. Zudem zeigten vermummte BVB - Fans auf der Südtribüne kurz nach der Halbzeitpause reihenweise entwendetes Stuttgarter Fanmaterial, und ernteten dafür berechtigte Pfiffe. Daraufhin stellte der Stuttgarter Block den bis dahin außerordentlich guten Support komplett ein. So zeigten die Mannschaften an diesem Tag zumindest teilweise eine deutlich engagiertere Leistung als die Fans auf den Tribünen.

Statistik

Das Debüt von Jürgen Kramny misslang

BVB: Bürki - Piszczek, Sokratis, Bender, Schmelzer - Gündogan (89. Ramos), Castro - Reus (80. Hummels) (C), Kagawa (60. Weigl), Mkhitaryan - Aubameyang

Stuttgart: Tyton, Schwaab, Baumgartl, Niedermeier, Insua - Gentner (C), Rupp (86. Wanitzek) - Kostic, Didavi, Maxim (70. Kruse) - Ti. Werner (82. Tashchy)

Schiedsrichter: Manuel Gräfe

Assistenten: Guido Kleve, Christoph Bornhorst
Vierter Offizieller: Robert Schröder

Tore:
1:0 Castro (3.)
2:0 Aubameyang (19.)
2:1 Didavi (40.)
3:1 Eigentor Niedermeier (65.)
4:1 Aubameyang (90.)

Zuschauer: 81.359 (ausverkauft)

Karten: Gelbe Karte Sokratis (52.)

Torschüsse: 14:8
Ecken: 5:4
Flanken: 10:8
Ballkontakte: 65:35 %
Zweikämpfe: 59:41 %
Fouls: 10:13
Abseits: 8:6

Meiste Torschüsse: Aubameyang (6) / L. Rupp (3)
Meiste Ballkontakte: S. Bender (134) / F. Kostic (59)
Zweikampfstärkste: Schmelzer (83 %) / Niedermeier (64 %)

Stimmen zum Spiel:

Tuchel: „Das frühe Tor hat uns leider nicht die Sicherheit gegeben, die wir uns gewünscht hätten. Es hat an der Passschärfe und der Das frühe Tor hat uns leider nicht die Sicherheit gegeben, die wir uns gewünscht hättenPositionsdisziplin gemangelt. Wir waren nicht immer auf den richtigen Positionen, um die Konter zu verhindern. Wir wussten um die individuelle Qualität und die Offensivstärke des VfB. Wir wussten damit auch, wie intensiv wir aufgrund dessen heute verteidigen mussten. In der zweiten Halbzeit ist uns das herausragend gut gelungen und wir haben keinen Torschuss mehr zugelassen. Umso höher bewerte ich die zweite Halbzeit und freue mich sehr über einen sehr wichtigen Sieg.“

Kramny: „Wir haben eine turbulente Woche hinter uns gehabt. Wir wollten in gewissen Bereichen eine Stabilität in die Mannschaft bekommen. Auch nach dem 2:0 haben wir ein gutes Umschaltspiel gehabt und hatten immer wieder mal gefährliche Momente nach vorne, vor allem durch Timo Werner unter anderem vor dem 2:1. Nach der Pause wollten wir in der Grundordnung bleiben, bekommen dann leider den Konter zum 3:1 und auch noch das unglückliche Eigentor von Niedermeier. Das 4:1 hätte dann nicht mehr sein müssen. So müssen wir die Niederlage akzeptieren und uns mit anderen Gegnern messen. Jetzt kommt mit Werder Bremen ein Gegner, gegen den wir die richtige Reaktion zeigen müssen.“

Boris Davidovski, 29.11.2015

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