Flashback des Grauens
Vor allem für Masochisten dürfte die Statistik der Chancenverwertung des HSV in Spielen gegen den BVB interessant sein. Gefühlt gewinnt der HSV Jahr für Jahr die Spiele gegen uns mit ordentlichen Leistungen, weil wir zu blöd sind, gute Ansätze in echte Torchancen umzumünzen, während die Hamburger Stürmer zuverlässig die wenigen Chancen nutzen, die sich ihnen bieten. Variiert wird höchstens nur dahingehend, dass in einem Fall unsere Defensive den HSV zum Toreschießen förmlich einlädt, während anderntags selbst aus den unmöglichsten Winkeln der Ball den Weg ins Netz findet. Gestern war wieder einer der ersten Tage, an dem Fehlpässe, absurde Zweikämpfe und ein Eigentor dem HSV einen letztlich ungefährdeten 3:1-Sieg bescherten. Typisch Hamburg, und zusätzlich noch eine unwillkommene Erinnerung an weite Teile der letzten Hinrunde.
Alles wie immer also? Nicht ganz. Zusätzlich zum miserablen Spiel sahen sich die Fans in Hamburg mit einer abenteuerlichen Situation rund ums Stadion konfrontiert. Vor den Eingängen warteten die Leute bis zu 90 Minuten, um endlich ins Stadion zu kommen, auch alle Zufahrtstraßen und Parkplätze waren dicht. Einzig mit der Bahn konnte man einigermaßen beschwerdefrei anreisen. Zusätzlich wurden die Einlasskontrollen nicht gründlicher als üblich durchgeführt, es dauerte einfach nur viel länger als sonst. Von verdoppelten Ordnerzahlen kann nicht die Rede sein, gefühlt wurden sie eher halbiert. Insgesamt ein heilloses Chaos, das dazu führte, dass selbst die Hinterlegungskassen zugestellt und für Kartenabholer nicht erreichbar waren. Nachdem die Mannschaften dann folgerichtig mit einer Verspätung von etwa 15 Minuten auf den Platz geleitet worden waren, wurde in einer doppelten Schweigeminute zuerst den Opfern der Anschläge in Paris gedacht, ehe danach der frühere Bundeskanzler und Hamburger Urgestein Helmut Schmidt mit Applaus verabschiedet wurde. Oder um es mit den Worten des Stadionsprechers zu sagen: "Alles Gute, Helmut Schmidt!"
Der folgende Lacher blieb der Letzte für den Rest des Abends. Der BVB war eigentlich die gesamte Spielzeit feldüberlegen und hatte deutlich mehr Ballbesitz, war aber bis weit in die zweite Hälfte hinein nicht in der Lage, nennenswerte gefährliche Aktionen vor dem Hamburger Tor zu erzeugen. Der Plan des HSV, sich vor allem darauf zu konzentrieren, gut zu stehen und bei den wenigen Nadelstichen in der Dortmunder Hälfte mit Tempo und Esprit zu agieren, ging also voll auf. Erstmals bereits in der 19. Minute, als ein einziger Pass von Holtby genügte, um drei Dortmunder Defensivspieler aussteigen zu lassen. Ilicevic war zwar allein vor Bürki nicht in der Lage, den Ball aufs Tor zu bringen, sondern bog lieber in Richtung Eckfahne ab, jedoch tat ihm der Schweizer Keeper im Dortmunder Tor den Gefallen, ihm genug Körperkontakt auf dem Weg dorthin mitzugeben. Den fälligen Elfmeter verwandelte Lasogga sicher. Keine Veränderung in der Folge, dafür aber kurz vor der Pause der zweite Hamburger Treffer. Nach einem abenteuerlichen Fehlpass von Ginter wurde Müller von Sokratis, Hummels und Weigl sekundenlang in der Dortmunder Hälfte eskortiert, um dann ungehindert auf den aus dem Rückraum gestarteten Holtby durchzustecken, der ohne Probleme einschießen konnte. Vermutlich das grässlichste Gegentor von so einigen schlimmen in dieser Saison.
Ob Thomas Tuchels Halbzeitansprache nebst zwei Wechseln die nötige Wendevgebracht hätte, werden wir dank des dritten bescheuerten Gegentores nie erfahren. Eigentlich sah es zu Beginn der zweiten Hälfte ganz gut aus, mit zumindest ordentlichen Gelegenheiten zum Anschlusstreffer durch Reus und Schmelzer, ehe Hummels nach der ersten zaghaften Annäherung des HSV ans Dortmunder Tor eine Ecke ins eigene Tor beförderte. Das Sahnehäubchen auf einen gebrauchten Abend. Der Rest war dann letztlich nur noch für die Statistik interessant. Ein paar richtig gute Chancen durch Aubameyang und Gündogan Mitte der zweiten Halbzeit hätten das Spiel vielleicht noch einmal spannend machen können, das Feuerwerk in den letzten acht Minuten kam aber definitiv zu spät. Die Luft war raus, auch wenn Aubameyangs Anschlusstreffer, ein Abseitstor und ein Pfostenschuss nach einer heißen Schlussphase klingen.
Weiter geht's dann am Donnerstag in Krasnodar, ehe am Sonntag mit dem VfB Stuttgart ein weiterer Gegner wartet, der (zumindest im Westfalenstadion) in den letzten Jahren viel zu selten geschlagen wurde. Wollen wir hoffen, dass uns wenigstens dann der Flashback erspart bleibt.
Statistik:
HSV: Adler - G. Sakai - Djourou - Spahic (29. Cleber) - Ostrzolek - Jung - Kacar (71. Gregoritsch) - Holtby (82. Diaz) - N. Müller - Ilicevic - Lasogga
Borussia: Bürki - Hummels - Sokratis - Schmelzer - Ginter (46. Piszczek) - Gündogan - Weigl - Kagawa (46. Castro) - Mkhitaryan - Reus (69. Januzaj) - Aubameyang
Tore: 1:0 Lasogga (19., Foulelfmeter), 2:0 Holtby (41.), 3:0 Hummels (55., Eigentor), 3:1 Aubameyang (86.)
Gelbe Karten: - / Bürki
Rote Karten: Fehlanzeige
Ballbesitz:. 31 % - 69%
Torschüsse: 7 - 21
Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
Scherben, 21.11.2015