Als Tiger abgesprungen - als Bettvorleger gelandet
Auch Trainerneuling „Tiger“ Effenberg konnte seine Mannschaft aus den Niederungen der zweiten Liga nicht einmal ansatzweise an das Niveau einer Borussia heran coachen, die an diesem Abend vor Spielfreude sprühte und sich auch durch einen frühen Rückstand nicht aus dem Konzept bringen ließ. Am Ende stand ein 7:1 Kantersieg, der auch locker zweistellig ausfallen gekonnt hätte, wenn der BVB nicht mal wieder äußerst verschwenderisch mit seinen Torchancen umgegangen wäre.
Mal wieder ein Doppler, der verkehrstechnisch unter keinem guten Stern stand. Auf dem Hinweg zum Amas-Derby (SB folgt) von der deutschen Bahn ausgebremst und den Anpfiff um gut 10 Minuten verpasst, war die A40 auf dem Rückweg von Wattenscheid derart dicht, dass der Anpfiff zum Pokalknaller gegen Effes Tiger aus dem Möbelhaus kurzfristig ebenfalls in Gefahr geriet. Aber die Möglichkeit an der Westfalenhalle aus dem Auto zu springen und ein beherzter Sprint zum Stadion sicherten mir dann doch noch einen guten Blick auf die Süd, die vor Anpfiff zahlreiche Banner zierten, mit denen Fans ihre Solidarität mit Fanbetreuer Daniel Lörcher ausdrückten. Ein wichtiges Zeichen, um zu verdeutlichen, dass es einer verschwindend geringen Minderheit nicht gelingen kann, einen Borussen im eigenen Stadion widerspruchslos zu verunglimpfen, ganz egal wie derbe ihre Pöbeleien ausfallen. Die Pöbler hatten aber auch erneut gebastelt und forderten eine Erklärung, die sie offenbar selbst nicht zu liefern bereit oder in der Lage sind.
Thomas Tuchel nahm Reus zur individuellen Belastungssteuerung komplett aus dem Kader und versetzte auch seinen kongenialen Partner Aubameyang zur Erholung auf die Bank. Auf der linken Offensivposition bekam Castro eine Chance sich zu präsentieren und im Sturm durfte die einzig echte Aubame-Alternative Ramos ran. Mal wieder gar nicht im Kader war einer der größten Borussen der letzten Jahre. Neven Subotic droht ein ganz leiser Abschied vom BVB, der diesem großartigen Menschen absolut nicht würdig wäre. Thomas Tuchel scheint jedenfalls ganz eindeutig Sven Bender als erste Alternative in der Innenverteidigung aufbauen zu wollen.
Die erste gute Chance hatten die Gäste. Als Bürki einen Flachpass durch seinen Fünfmeterraum passieren lassen musste, sah es schon kurz nach einer Führung für Effes Jungs aus. Aber die BVB-Abwehr hatte sich rechtzeitig wieder formiert, um die Schussmöglichkeit zu blocken. Kurz darauf wurde auch der BVB erstmals gefährlich, ein Schuss von Gündogan wurde abgefälscht und strich daher nur knapp am kurzen Eck vorbei. Der BVB übernahm nun ganz klar das Kommando. Shinji Kagawa agierte aber zu umständlich, als er überraschend frei im Strafraum an den Ball kam. Auch Henrikh Mkhitaryans scharfe Hereingabe fand wenig später keinen Abnehmer.
Als alles wie geplant zu laufen schien sorgte Roman Bürki mit einem totalen Blackout für die Führung der Gäste. Als er durch einen schwachen Rückpass von Gündogan in Bedrängnis kam, versuchte er gegen Srdjan Lakic im eigenen Strafraum zu fummeln, anstatt den Ball mit einem Befreiungsschlag zu klären. Gegen den abgezockten Routinier Lakic war das leider eine katastrophale Idee. Der Kroate stibitzte den Ball und schoss ihn ins leere Tor.
Kurz darauf kam erneut Kagawa im Strafraum frei an den Ball. Aus spitzem Winkel streifte sein Schuss aber nur die Oberkannte der Latte. Doch bereits der nächste BVB-Angriff brachte den Ausgleich. Als Paderborn in der Vorwärtsbewegung war, schaltete Castro am schnellsten und schickte Aubameyang-Ersatz Ramos mit einem wunderbaren Außenristpass auf die Reise. Der Kolumbianer ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen, schüttelte letzte Verfolger ab, zog an Kruse vorbei und schoss den Ball überlegt ins Tor. Endlich konnte er einmal seine Qualitäten nicht nur andeuten, sondern belohnte sich auch mit einem Treffer für einen guten Angriff.
Der BVB blieb nun am Drücker. Mkhitaryan verzog aus der Distanz nur knapp und Paderborn gelang es kaum mehr, die eigene Hälfte zu verlassen. Bei nächster Gelegenheit rückte Castro dann die Verhältnisse endgültig gerade. Diesmal eroberte Ramos den Ball und stolperte ihn in den Strafraum. Castro war erneut am aufmerksamsten, startete durch und versenkte den Ball per Aufsetzer aus kurzer Distanz ins Eck. Castro findet sich immer besser beim BVB zurecht und zeigt so langsam, warum sie ihm in Leverkusen immer noch so manche Träne hinterher weinen. Er zog immer wieder von der linken Außenbahn in die Mitte, wo er stets brandgefährlich wirkte. Leider sah ihn der Linienrichter bei seiner nächsten Aktion knapp im Abseits, als ihn erneut Ramos per Kopf steil geschickt hatte.
Doch die große Gonzo-Show ging weiter. Castro demonstrierte seine herausragende Technik, indem er mit Kagawa einen Hackendoppelpass der Extraklasse spielte. Der kleine Japaner setzte der wunderschönen Aktion noch die Krone auf, indem er den Ball aus spitzem Winkel zum 3:1 unter die Latte schlenzte.
Nun stand das Stadion und Wechselgesänge erschallten, die allerdings etwas magerer ausfielen als sonst, weil im Oberrang der Nordtribüne freie Platzwahl herrschte, da dieser Bereich nahezu komplett unbesetzt war. Den vollen Bundesliga-Tageskartenpreis für ein solches Spiel zu berechnen, zahlt sich bei so einem großen Stadion wie unserem eben nicht unbedingt aus. Nach dem Halbzeitpfiff zeigte die Süd noch eine schöne Geste: Laute „Bürki, Bürki“ Rufe begleiteten unseren Torwart in die Kabine und stärkten ihm nach seinem unfassbaren Fehler zu Beginn den Rücken.
Zweite Halbzeit.
Auf der Süd feierte man sich zu Wiederbeginn per Banner für seine kriminelle Ader, Effe nahm seinen Torschützen Lakic vom Platz und der BVB machte einfach da weiter, wo er vor der Pause aufgehört hatte. Mkhitaryan zog zur Grundlinie, legte schön auf Ginter zurück, aber der verzog leider knapp. Effe erregte dann nochmal wie in alten Zeiten das Dortmunder Publikum, indem er dreist die Ausführung eines Dortmunder Einwurfs verhinderte und so eine gute Kontermöglichkeit unterband. Die Süd entsandte daraufhin lautstarke Grüße in Richtung der Mutter des Trainernovizen.
Dann schien Castro seine Genialität zu verlassen. Einen weiten Pass aus dem Mittelfeld konnte er nicht kontrollieren, obwohl er im Strafraum völlig allein auf weiter Flur war. Aber er machte das Nächstbeste, nachdem er die Riesenchance verdaddelt hatte und legte den Ball schön auf den heranstürmenden Ginter zurück, der dann auch prompt elfmeterreif von den Beinen geholt wurde. Ilkay Gündogan schnappte sich den Ball und verwandelte sicher.
Das 5:1 passte dann wieder in die Kategorie Zauberfußball. Mkhitaryan zog in die Mitte und legte auf Gündogan ab, der zunächst zwei Gegner wie Slalomstangen stehen ließ und den Ball dann butterweich in den Lauf von Gonzo Castro servierte, der mal wieder im absolut richtigen Moment durchgestartet war und sich an seinem Sahnetag diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen ließ. Zwei Tore und zwei Vorlagen sind ein beeindruckender Arbeitsnachweis nach einem überragenden Spiel.
Es ist auf jeden Fall schön, dass im Süden die Tradition wieder aufzuleben scheint, einzelne Spieler bei guten Leistungen mit Sprechchören zu feiern. Matthias Ginter wurde bei seiner Auswechslung vernehmlich gefeiert und der alte Kagawa Shinji Hit erschallte sogar noch wesentlich lauter, als der Japaner den Platz verließ. Die Paderborner waren nun natürlich erledigt. Während der Gästeanhang verkündete, dass ihnen der Pokal eigentlich scheißegal ist, vergaben die Schwarzgelben Chancen im Minutentakt. Der eingewechselte Januzaj versuchte sogar zur Feier des Tages eine Ecke direkt zu verwandeln, was auch nur knapp misslang.
Effes Tiger waren inzwischen zu Stubenkätzchen geschrumpft und mit ein wenig mehr Konequenz im Abschluss hätte der BVB die Gäste auch zweistellig vermöbeln (Kalaueralarm höhöhö) können. Was alleine Mkhitaryan, Ramos und der überragende Castro liegen ließen, hätte wohl für drei Siege gereicht. Auch Januzaj reihte sich nach seiner Einwechslung nahtlos ein. Als dann sogar Schmelzer ein dickes Ding vergab, konnte man sich eigentlich damit abfinden, dass das Endergebnis bereits auf der Anzeigetafel stand. Auch auf den Tribünen wurde nun schon das Derby eingeläutet, wobei man leider vergaß, dass erst noch der Trip dahin ansteht, wo die Weser einen großen Bogen macht.
Doch dann spielte Mkhitaryan den eingewechselten Piszczek derart großartig frei, dass der gar nicht anders konnte, als den Ball ins leere Tor zu schieben. Der Blick auf die Anzeigetafel verriet dann auch noch, dass ein 6:1 dort tatsächlich noch schöner aussieht. Als man sich gerade an den Anblick gewöhnen wollte, revanchierte sich Piszczek mit einer Vorlage nach Maß bei Mkhitaryan, der dann die Weichen endgültig Richtung Kantersieg stellte. Einem BVB in Spiellaune hatte Paderborn letztlich überhaupt nichts entgegenzusetzen. Wenn Borussia derart aufspielt, dann hätten wohl noch ganz andere Mannschaften als Effes Kicker aus dem Mittelmaß der zweiten Liga große Probleme die Niederlage in einigermaßen erträglichem Rahmen zu halten.
Dann war Schluss und zur Feier des Tages wurde die alte Weise von Jumbo und Conny Cramer besungen, denn das nächste Heimspiel wirft halt schon seinen großen Schatten voraus. Nach einer kleinen Hüpfeinlage lief die Mannschaft noch eine Ehrenrunde. Besonders schön, dass erneut Roman Bürki von der Süd mit Sprechchören gefeiert wurde. Einen Sieg mit sechs Toren Unterschied hat das Westfalenstadion jedenfalls schon lange nicht mehr gesehen und auch wenn der Gegner von eher zweifelhafter Qualität war, muss man den auch erstmal über 90 Minuten derartig auseinander nehmen. Alle Borussen können sich jedenfalls auf mindestens eine weitere Pokalrunde freuen. Mal sehen, wer uns am Wochenende zugelost wird.
Stimmen aus der PK
Effe: Wir haben gut angefangen. Auch zur Halbzeit habe ich uns noch nicht chancenlos gesehen. Wir haben dann die Lücken gelassen. Sieben Gegentore hört sich nicht gut an. Nach vier oder fünf muss man zu machen. Daraus müssen wir lernen.
Tuchel: Wir sind sehr glücklich über diesen Sieg mit sehr vielen Toren. Wir sind froh dass wir den über 70.000 beim Pokalspiel unter der Woche so etwas bieten konnten. Wir hatten großen Respekt vor diesem Gegner. Paderborn ist als Absteiger eine spielstarke Mannschaft. Daher können wir diesen Sieg auch genießen.
Statistik
BVB: Bürki - Ginter (63. Piszczek), Sokratis (70. Bender), Hummels, Schmelzer - Weigl - Gündogan, Kagawa (63. Januzaj) - Castro, H. Mkhitaryan - Ramos
Paderborn: Kruse - Heinloth, Hoheneder, Wydra, Brückner - M. Ndjeng, Bakalorz - Koc (61. Vucinovic), Saglik (60. Stöger), Stoppelkamp - Lakic (46. Proschwitz)
Tore: 0:1 Lakic (21., Linksschuss), 1:1 Ramos (25., Linksschuss, Castro), 2:1 Castro (30., Rechtsschuss, Ramos), 3:1 Kagawa (43., Linksschuss, Castro), 4:1 Gündogan (54., Foulelfmeter, Rechtsschuss, Ginter), 5:1 Castro (58., Rechtsschuss, Gündogan), 6:1 Piszczek (87., Rechtsschuss, H. Mkhitaryan), 7:1 H. Mkhitaryan (89., Linksschuss, Piszczek)
Gelbe Karte: Wydra
Torschüsse: 22:7
Ballbesitz: 63%:37%
74.605 Zuschauer im Westfalenstadion Dortmund
Web, 28.10.2015