0:1 - BVB verpasst möglichen Punktgewinn gegen Bayern
Zwiespältige Gefühle an der Strobelallee nach dem Heimspiel gegen den alten und neuen deutschen Meister aus München: Am Ende stand zwar eine knappe, aber verdiente 0:1-Niederlage, doch mit etwas Glück wäre gegen biedere Bayern sogar ein Punktgewinn möglich gewesen.
Taktik
Bayerns Trainer Pep Guardiola formierte seine Mannschaft hinten mit einer Dreierkette bestehend aus Mehdi Benatia, Jerome Boateng und Dante, die sich gegen den Ball durch die Unterstützung von Juan Bernat links und Rafinha rechts gar zu einer Fünferkette verwandelte. Xabi Alonso räumte davor ab, vor ihm wiederum waren Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm postiert. Die einzigen echten Offensivkräfte stellten Thomas Müller und Robert Lewandowski dar.
Jürgen Klopp formierte ein 4-2-3-1-System mit Marcel Schmelzer und Sokratis auf den defensiven Außenbahnen und Mats Hummels und Neven Subotic in der Innenverteidigung. Die Doppel-Sechs bildeten Ilkay Gündogan und Sven Bender. Die offensive Dreierreihe hinter der Sturmspitze Pierre-Emerick Aubameyang bestand aus Kevin Kampl links, Marco Reus zentral und Jakub Blaszczykowski rechts.
Erste Hälfte
Anlässlich des 41. Geburtstages des Westfalenstadions am vergangenen Donnerstag widmete die Südtribüne dem altehrwürdigen Bauwerk eine eigene Choreografie bestehend aus drei großformatigen Bildelementen und einem riesigen "Westfalenstadion"-Schriftzug vor dem Zaun, untermalt durch ein schwarzgelbes Fahnenmeer auf der Tribüne.
Das Spiel startete nach einer Schweigeminute für die Opfer des Germanwings-Flugzeugabsturzes vor anderthalb Wochen in den französischen Alpen. Der BVB begann zunächst engagiert, konnte den Druck aber nicht in zwingende Torchancen ummünzen. Die Bayern fielen anfänglich nur durch übertriebene Theatralik auf: Schweinsteiger schien nach einem harmlos anmutenden Zusammenstoß mit Blaszczykowski im Mittelfeld komplett aus dem Stadion rollen zu wollen (18.) und Bernat fiel nach einem Kontakt kurz vor der Dortmunder Torauslinie in dramatischer Art und Weise zu Boden - wieder hieß der Unglücksrabe auf Dortmunder Seite Blaszczykowski (23.).
Doch allmählich fanden die Bayern auch spielerisch besser in die Partie und kamen durch Xabi Alonso zu einer ersten Chance, sein Freistoß strich aber am Tor vorbei (33.). Drei Minuten später dann der Schock aus Dortmunder Sicht: Der aufgerückte Mats Hummels verlor den Zweikampf gegen Robert Lewandowski im Mittelfeld, der bediente aus der Drehung Thomas Müller. Dessen Schuss konnte Roman Weidenfeller noch parieren, doch den Abpraller netzte der nacheilende Lewandowski per Kopf ins leere Tor zum 0:1 (36.).
Ohne weitere nennenswerte Aktionen ging es schließlich in die Kabinen. In der Halbzeit drängte sich dann die Frage auf, wie sehr sich der Bezahlsender „Sky“ den Bayern eigentlich noch anbiedern möchte. Steht das „Experten-Pult“ in Dortmund ja regelmäßig vor dem Gästeblock, so wurde es gestern noch ein Stück näher als sonst vor die Bayern-Fans gerückt. Hätte Sky gekonnt, sie hätten ihre Experten vermutlich direkt im Block sitzen lassen. Aber nun ja, es ist halt Sky, wie man es kennt.
Zweite Hälfte
Die Vorkommnisse des vergangenen Samstags in Dortmund wurden zu Beginn der zweiten Hälfte auf der Südtribüne kommentiert. So war auf zwei Transparenten die Aussage zu lesen: „Westfalenstadion ‚akzeptable‘ Kulisse für Nazikonzerte? Kein Hier für Rassisten!“ Und ein Stück weiter unten stellte The Unity via Banner klar: „Westfalenstadion - Keine Bühne für Nazis!“ Nicht ganz zum Thema, aber auch der Gästeblock meldete sich zu den zweiten 45 Minuten mit einer Botschaft zu Wort: „Mia san die Bierhauptstadt ihr Saupreissn“ war dort zu lesen. Nun ja.
Wenig willkommen war Bayerns Nummer 19, die sich mit den Kollegen vor der Südtribüne aufwärmen wollte. Schnell musste Bayerns Nummer 19 jedoch einsehen, dass dies keine gute Idee war, sodass sich der rot-weiß-blaue Tross in den Kabinengang verzog. Auch Bayerns Nummer 1 lief zum Wiederanpfiff vor der Südtribüne nicht gerade in offene Arme.
Der BVB schien wiederum den Schock des Rückstandes überwunden zu haben und begann dominanter, konnte aber nicht gefährlich in die „Box“, wie der Strafraum neuerdings gerne genannt wird, eindringen. Dafür ergab sich jedoch eine hundertprozentige Torchance, als plötzlich Marco Reus frei auf das Tor zulief, jedoch nur das Außennetz traf (61.).
Ungefähr zu dieser Zeit übernahm übrigens der Gästeblock nach einem kurzen schwarzgelben Stimmungshoch nach dem Wiederanpfiff allmählich das Kommando im Westfalenstadion. Neven Subotic wurde noch just am Donnerstag im „kicker“ mit den Worten zitiert: „Mit den Fans im Rücken sind wir zwölf Mann.“ Von der berühmten „Hölle Westfalenstadion“ war man jedoch meilenweit entfernt. Es passt hier ins Bild, dass die Stimmung ihren Höhepunkt in der 79. Minute erreichte, als Bayerns Nummer 19 für Thomas Müller eingewechselt wurde und ein gellendes Pfeifkonzert und entsprechende Schmähgesänge erntete.
Es darf sich ruhig jeder Beteiligte im Stadion fragen, ob das gnadenlose Auspfeifen und Bepöbeln gegnerischer Spieler schon die eigene Support-Erfüllung darstellen, während sich davor und danach weitgehende Stimmungslethargie breitmacht. Die Vorsänger The Unitys waren jedenfalls flugs bemüht, die aufwallende Stimmung nach dem Wechsel in positive Energie zugunsten der Borussia umzuwandeln. Doch es folgten längst nicht alle der Aufforderung „Westfalenstadion, steh auf“ und noch weniger stimmten in den „BVB“-Wechselgesang ein. Mit der Schläfrigkeit auf den Rängen dreht man natürlich das Spiel nicht um!
Stattdessen besaßen die Bayern eine Chance zum 0:2, doch nach einer Kombination über Bernat und Müller kam Lewandowski nicht zum Abschluss (72.). Mit etwas Glück hätte der BVB dennoch in den Schlussminuten noch fast einen Zähler ergattert. Zunächst stieg Xabi Alonso Dortmunds Aubameyang im Strafraum auf den Fuß - der fällige Strafstoßpfiff blieb jedoch aus (87.). Stattdessen sprang der Ball vor dem Strafraum dem eingewechselten Sebastian Rode an die Hand. Den folgenden Freistoß von Marco Reus konnte Bayerns Nummer 1 im Nachfassen jedoch festhalten (88.). Nobby Dickels energische Durchsage der „vier Minuten Nachspielzeit“ konnte die Ränge dann jedoch auch nicht mehr wachrütteln, sodass es am Ende beim 0:1 blieb.
Statistik
BVB (4-2-3-1): Weidenfeller - Schmelzer, Hummels, Subotic, Sokratis - Gündogan (79. Mkhitaryan), Bender - Kampl (67. Ramos), Reus, Blaszczykowski (67. Kagawa) - Aubameyang.
Bayern (5-1-2-2): Neuer - Bernat, Dante, Boateng, Benatia, Rafinha - Xabi Alonso - Schweinsteiger (58. Rode), Lahm (69. Thiago) - Lewandowski, Müller (79. Götze).
Tor: 0:1 Lewandowski (36.). Schiedsrichter: Knut Kircher. Zuschauer: 80.667 (ausverkauft). Gelbe Karten: Aubameyang (21.), Schmelzer (28.) - Schweinsteiger (19.), Xabi Alonso (75.), Rode (87.). Torschüsse: 15:7. Ecken: 2:1. Flanken: 11:1. Ballkontakte: 49:51 %. Zweikämpfe gewonnen: 49:51 %. Fouls: 14:18. Abseits: 5:4. Meiste Torschüsse: Reus (4) - Müller (3). Meiste Ballkontakte: Sokratis (107) - Xabi Alonso (97). Zweikampfstärkste: Hummels (76 %) - Benatia (74 %).
Noten
Roman Weidenfeller: Beschäftigungslos, beim Gegentor machtlos. Note 4+.
Marcel Schmelzer: Trat eigentlich insbesondere durch ein taktisches Foul an Müller in Erscheinung (68.). Note 4.
Mats Hummels: Beim Gegentor wirkte er unglücklich, ansonsten aber defensiv solide, wenn auch kaum richtig gefordert; vorne mit der Ausgleichschance (85.). Note 4.
Neven Subotic: Verlässliche Defensivarbeit ohne echten Druck der Bayern. Note 4+.
Sokratis: Gewohnt griechisch-rustikal, schonte sich nicht. Note 3.
Ilkay Gündogan: Kaum nennenswerte Impulse nach vorne. Note 4.
Sven Bender: War da, wenn er gebraucht wurde. Note 4.
Kevin Kampl: Wirkte oftmals etwas unglücklich in seinen Aktionen. Note 4-.
Marco Reus: Hatte zweimal den Ausgleich auf dem Schlappen. Note 3+.
Jakub Blaszczykowski: Umtriebiger als Kampl auf der Außenbahn, aber gleichsam erfolglos. Note 4+.
Pierre-Emerick Aubameyang: Glücklos vor dem Tor, ein überhasteter Abschluss in guter Position. Note 4-.
Shinji Kagawa, Adrian Ramos und Henrikh Mkhitaryan ohne Note.
Stimmen zum Spiel
Pep Guardiola (Bayern): „Noch vier Spiele bis zur Titelverteidigung. Wir sind mit zehn Punkten Vorsprung hierher gefahren, nach dem Wolfsburger Sieg hatten wir etwas Druck. In der ersten Halbzeit haben wir gut gespielt. In der zweiten Halbzeit konnten wir nicht viel Druck nach vorne machen und hatten viele Probleme. Es war sehr wichtig, denn egal wie die Situation beim BVB ist, sie haben immer eine super Mannschaft und super Spieler.“
Jürgen Klopp (BVB): „Die ersten zehn Minuten waren gut, da haben wir den Gegner richtig unter Druck gesetzt, hoch gestört und Bayern zu vielen unsauberen Bällen gezwungen und Bälle erobert, mit denen wir aber leider zu wenig angefangen haben und sind in der kompletten ersten Halbzeit zu wenig zum Abschluss gekommen. Dann kommt Bayern einmal durch, das hat die Mannschaft wohl schon ein bisschen beeindruckt. In der zweiten Halbzeit sah es besser aus, es ist uns aber nicht gelungen, das Spiel noch klarer zu gestalten. Wir mussten viel investieren, das hat die Mannschaft auch getan.“
Daniel Mertens, 05.03+1.2015