Das war ein schöner Tag!
Ein Spiel das für eine ganze Saison entschädigt. Ein Derbysieg von dem man noch in Jahren sprechen wird. Ein Spiel, das an die ganz, ganz großen Zeiten in den Jahren 2010-2013 erinnerte. Ein Abstiegskandidat der gegen einen Champions-League-Kandidaten ein unvergleichliches Feuerwerk abbrannte. Ein 3:0 das mindestens 3-4 Tore zu niedrig ausgefallen ist. Ein echtes Borussia-Dortmund-unter-Jürgen-Klopp-Spiel! Wer hätte gedacht, dass uns in dieser Saison noch so ein Festtag vergönnt sein würde?
Am Ende stand ein unfassbares 3:0. Unfassbar aus so vielen Gründen. Henrich Mkhitaryan hatte getroffen. In einem wichtigen Spiel! Die Di-Matteo-Mauer hatte nicht nur 3 Treffer kassiert, sondern auch Chancen für mindestens 04 weitere offen gelassen. Dortmund sah aus wie die Himelsstürmer, die uns Meisterschaft, Pokalsieg und CL-Finale erspielt hatten. Und die Blauen…tja die sahen halt aus wie die Blauen…bloß nicht so wie die Blauen normalerweise bei Heimderby in Dortmund aussehen. Denn normalerweise läuft es doch so, dass wir Chancen vergeben und dann am Ende dafür die Fresse poliert bekommen. Aber diesmal war es anders, es war Derby 2015 und der Fußballgott war auf unserer Seite. Den vergebenen Chancen folgte nicht die Ernüchterung sondern die Erlösung und die Blauen schlichen am Ende wie geprügelte Hunde vom Platz.
Vor dem Spiel blieb netterweise mal wieder alles weitgehend friedlich. Dabei hatten sich einige Jungs wohl etwas vorgenommen gehabt. Aber die Verstärkung aus Köln reiste nicht inkognito an und wurde bereits gestoppt, bevor sie die Autos verlassen konnte. Da musste wohl der ein oder andere seinen Solidaritäts-Maleranzug spontan wieder ausziehen. Die Kontrahenten aus der verbotenen Stadt schafften es nur mit ordentlicher Verspätung ins Westfalenstadion. Nachdem man mal wieder die Individualanreise gewählt hatte, wurde versucht die Polizeikontrolle zu überrennen. So ergab sich im Gästeblock zu Beginn ein erfreulich tristes Bild, das sich als würdige Vertretung dieser pottenhässlichen Kleinstadt entpuppte. Kein Material, kaum Support=GE im Derby 2015. Toll!
Der u.a. von mir angeschossene Derbyrekordhalter Weidenfeller wurde beim Einlaufen mit Sprechchören gefeiert. Richtig so! Im Nachklapp des vieldiskutierten Artikels bleibt noch zu bemerken, dass Roman als Reaktion Eier aus Stahl und Fannähe bewiesen hat, was ich ihm persönlich sehr hoch anrechne. Wirklich mitspielen durfte er aber in diesem Derby nicht. Die Blauen boten ihm einfach kaum Gelegenheit, sich mal auszuzeichnen. Solch einen geruhsamen Derbynachmittag hat er in seiner langen Karriere wohl auch noch nicht erlebt. Beim BVB hatte sich Henrich Mkhitaryan mal wieder in die Startelf gespielt. Hinten rechts startete Olli Kirch in Vertretung der verletzten Piszczek und Sokratis. Und beide sollten großen Anteil am Derbysieg haben. Kirch spielte defensiv solide und streute auch vorne immer wieder gute Bälle ein und der seit Ewigkeiten glücklose Melancholiker aus Armenien schüttelte endlich seine Traurigkeit ab und war an zwei Treffern beteiligt.
Hinter einem extragroßen Basti-Banner bereiteten die Ultras etwas vor, was das Comeback der DES 99 als Gruppe oder vielleicht auch ihre Abschiedsvorstellung werden sollte. So viel gezockten Kram hat man im Derby schon lange nicht mehr gesehen. Dementsprechend marschierte schon nach 5 Minuten die Staatsmacht auf und versuchte das Diebesgut einzukassieren. Auch Block Drölf schloss sich der Machtdemonstration an, was den ulkigen optischen Effekt hatte, dass der Stimmungskern des Westfalenstadions sich im Derby minutenlang in Blau-Weiß schmückte. Ob das nicht irgendwo an der Grundidee von Support und dem Repräsentieren der eigenen Farben vorbei geht, kann wohl niemand beantworten, der sich nicht in diesen abgehobenen Szenespielchen auskennt. Meiner Vorstellung von einem schönen Borussen-Block widerspricht es jedenfalls komplett.
Auf dem Platz setzte der BVB erste Akzente durch Aubameyang und Sahin. Doch die ersten Chancen wurden allesamt vergeben oder vom Ersatz-Ersatztorwart Wellenreuther vereitelt. Auch die Blauen setzten erste Nadelstiche und so entwickelte sich eine unterhaltsame Anfangsphase des Derbys. Aubameyang verschlief dann einen Hunderprozenter: Wellenreuther war ausgerutscht, das Tor war leer, aber der Gabuner bemerkte es zu spät und kriegte dann auch keinen vernünftigen Heber hin.
Borussia blieb am Zug. Aubameyang legte zurück auf Mkhitaryan und dessen Flanke nahm Reus volley, verzog aber knapp. Von Abtasten konnte in der ersten Viertelstunde des Derbys keine Rede sein Denn kurz darauf war es Kagawa Shinji der einen hohen Ball von Hummels direkt weiterlupfte und gaaanz knapp den Kasten der Blauen verfehlte. Ein Tor lag in der Luft. Doch auch Henrich Mkhitaryan konnte Wellenreuther mit einem Flachschuss nicht überwinden. Die Blauen hatten ihre Angriffsbemühungen zwischenzeitlich eingestellt, weil der BVB sie im Stile einer Spitzenmannschaft unter Druck setzte. Was ist nur aus dem Abstiegskandidaten von vor ein paar Wochen geworden?
Die Blauen präsentierten sich mehr und mehr als bloßer Papierfavorit. Ihren Tabellenplatz konnten sie auf dem Feld nie rechtfertigen. Aber Dortmund blieb weiter gnädig beim Verwerten der Torchancen. Erneut konnte Aubameyang, diesmal aus kurzer Distanz, den Ball nicht im leeren Tor unterbringen. Kurz darauf ein Fernschuss von Reus, der nur noch knapp zur Ecke abgefälscht wurde. Auch die war ungewohnt gefährlich, aber Hummels‘ Kopfball blieb eine lösbare Aufgabe für Wellenreuther. Als die Blauen kurz darauf eine Ecke hatte, schmiss irgendein Vollidiot einen Böller auf den eigenen Ordnungsdienst, was eine kurze Spielunterbrechung zur Folge hatte. So eine hochgefährliche dumme Scheiße!
Auf dem Feld blieb Dortmund weiter dominant, aber eine schöne Hereingabe des sehr aktiven Mkhitaryan fand keinen Abnehmer, ein Schuss von Kagawa wurde noch zur Ecke geklärt und im Anschluss an diese Traf erst Reus nur die Unterlatte, weil Neustätter seinen Schuss noch mit dem Kopf abfälschte. Das Westfalenstadion war jedenfalls jetzt erwacht und peitschte die Mannschaft mit Wechselgesängen nach vorne, denen der Gästeblock nichts entgegenzusetzen hatte. Dann schickte Kagawa erneut Reus auf die Reise, aber der verfehlte mit einem Flachschuss wieder knapp. Schon jetzt war aber zu konstatieren, dass der BVB seit Jahren keine derart engagierte Leistung mehr in einem Heimderby gebracht hat. Dass die Null für die Blauen immer noch stand war vollkommen unerklärlich.
Die Blauen konnten nicht ein einziges Mal ihre Konterstärke ausspielen, weil die BVB-Defensive immer auf der Hut war und die Bälle bereits an der Mittellinie abgefangen wurden. Hummels und auch Schmelzer agierten wie in ihren besten Tagen. Die nächste Dortmunder Gelegenheit pfiff Schiri Zwayer ab, weil er ein Foul von Aubameyang gegen Wellenreuther erkannt hatte. Die Doppelacht der Deutsch-Türken Sahin und Gündogan hat sich inzwischen derart eingegroovt, dass man sich gar nicht vorstellen möchte, dass diese beiden Superfußballer in der nächsten Saison auseinandergerissen werden könnten. Ilkay gib Dir einen Ruck! Wer zwei solche Fußballversteher in der Zentrale hat braucht keinen klassischen Abräumer mehr.
Die Blauen kamen zwischenzeitlich gar nicht mehr aus der eigenen Hälfte und auch wenn man davon ausgehen muss, dass diese Ausrichtung der Idealvorstellung ihres Trainers ziemlich nahekommt, wird es wohl ehr nicht seinem Plan entsprechen, dass der Gegner trotz Mauertaktik derartig viele gute Torchancen bekommt. Am Ende retteten sie sich zwar irgendwie ohne Gegentreffer in die Pause, aber wer keine Ahnung vom deutschen Vereinswesen hat, musste nach dieser ersten Halbzeit zur Überzeugung gelangen, dass der Abstiegskandidat Blau getragen hatte und die Mannschaft in Gelb einen CL-Platz bekleidet. Aber am Ende zählt natürlich das Resultat und das war immer noch brandgefährlich. So fiel es schwer, die beste erste Halbzeit, die eine Dortmunder Mannschaft seit Jahren im Heimderby geboten hat, uneingeschränkt zu genießen.
Zweite Halbzeit
Zum Wiederanpfiff richtete UltraDO einen Gruß in den Norden „Euer Stich in unsere Herzen war groß – doch ihr habt unsere Augen geöffnet – und schuft euch einen Feind – dem ihr nicht gewachsen seid“ stand auf 4 großen Transparenten zu lesen. Der BVB machte jedenfalls gleich weiter Druck und forderte einen Handelfmeter, bekam aber nur einen Eckball, weil Schiri Zwayer eine Schutzbewegung wahrgenommen haben wollte und dies auch mit lustigen Tanzbewegungen deutlich machte. Wer will da noch protestieren, wenn der Schiri derart gut den Regeltext tanzt. Vermutlich ist Zwayer einst auf einer Waldorfschule im Ausdruckstanz ausgebildet worden.
Dortmund blieb weiter am Drücker, aber Reus verfehlte erneut knapp, weil sein Schuss noch abgefälscht wurde. Der anschließende Eckball brachte ungewohnte Gefahr, die erst endete, als Subotic im gegnerischen Strafraum zum Foul griff. Der BVB blieb hochüberlegen. Nach einer erneut ungewöhnlich gefährlichen Ecke setzte Kirch einen Seitfallzieher an, der aber leider im Endergebnis doch mehr gewollt als gekonnt war. Aber allein der Umstand, dass Kirch sich so einen Versuch zutraute sprach Bände über seine Leistung an diesem Tag. Man fragte sich schon, warum solch ein guter Fußballer nicht häufiger zum Einsatz kommt. Wenn er diese Form halten kann, muss einem ob der Verletzung von Lukasz Piszczek nicht bange sein.
Dann ging erneut Reus steil, scheiterte wieder an Wellenreuther und auch Kagawas Nachschuss wurde noch geblockt. Kurz darauf ein gefährlicher Fernschuss von Gündogan und die Tribünen erzitterten vor hüpfenden Borussen. Dortmund hatte sich das beste Saisonspiel endlich mal für das wichtigste Spiel der Saison aufbewahrt, zeigte nur leider genau die schwache Chancenverwertungen die schon in den goldenen Zeiten von 2010-13 die größte Schwäche dieser famosen Mannschaft gewesen war. Die Blauen hatten sich inzwischen schon damit abgefunden, dass es hier nur noch um die Sicherung der Null gehen würde. Solch ein defensives 5-2-2-1 hat wohl noch nicht einmal eine unterklassige Mannschaft im Pokal gegen die Borussia ausgepackt. Aber auch dieser Riegel vermochte die stürmischen Borussen nicht vom Tor fernzuhalten.
Als nächstes war dann mal Mkhitaryan dran, aber auch dessen Schuss wurde noch geblockt. So langsam tat es weh, dass diese so erfrischend aufspielende Mannschaft in schwarzgelb sich nicht belohnte. Und erneut war es Mkhitaryan der nur wenig später sensationell gut einen langen Ball mit der Brust mitnahm, aber sein Beinschuss wurde von Wellenreuther erneut gerochen. Nur ein paar Minuten später war es wieder der heute bärenstarke Armenier, der aus kurzer Distanz den Ball nicht am blauen Schlussmann vorbei brachte. Die Leute standen schon seit Minuten auf den Sitzplatztribünen, denn diese Borussia hatte sie einfach mit ihrem frechen Spiel mitgerissen.
Wann immer die Blauen die Mittellinie überschritten, beschlich einen allerdings das Gefühl, dass es nun so kommen würde, wie es kommen musste, aber nach dem Spielverlauf einfach nicht kommen durfte. Und dies lag nicht daran, dass die Hintermannschaft der Borussen wacklig wirkte oder die Blauen gefährlich sondern nur an dem ungeschriebenen Gesetz, dass die Mannschaft, die vorne viel vergibt irgendwann hinten einen fängt. Und dann kam er doch noch, der Moment wo der derbyerfahrenste Mann auf dem Feld sich auszeichnen konnte. Und diesmal sah Weidenfeller sogar gut aus, obwohl er weit aus seinem Tor gestürmt war. Aber er faustete auch nicht wild, sondern fing einen hohen Ball locker und souverän ab. Dann wurde Derbyheld Kagawa unfair gestoppt und Reus versuchte den Freistoß von der linken Seite aus ins kurze Eck zu schlenzen, aber Wellenreuther hatte aufgepasst und faustete den Ball aus der Gefahrenzone. Kurz darauf war der Arbeitstag für Kagawa auch beendet. Er wurde mit stehenden Ovationen von seinem Publikum verabschiedet.
Und als man sich schon damit abzufinden drohte, dass der BVB hier trotz herausragender Leistung keinen Treffer mehr erzielen würde, schlugen die Borussen doch noch zu. Und wie! Ein Doppelschlag stürzte die Blauen mal wieder in das Tal der Tränen, in dem sie sich ja auch so zuhause fühlen, wie es ihrer traurigen Kackstadt entspricht. Und dieser Doppelschlag wurde von Henrich Mkhitaryan orchestriert. Erst schickte er Aubameyang auf die Reise. Der vollstreckte trocken und zog dann mit Kumpel Reus die große Batman und Robin Show ab. Dafür nahm er dann auch gerne eine gelbe Karte in Kauf, was von Jürgen Klopp nach dem Spiel angesichts des Ergebnisses aber nur augenzwinkernd kritisiert wurde. Und dann war Mkhitaryan selbst an der Reihe. Ausgerechnet Mkhitaryan, der schon so gut wie abgeschriebene Armenier belohnte sich für ein herausragendes Spiel, sprang in eine wunderbare Flanke Gündogans und ließ Wellenreuther keine Abwehrchance. Die Tore fielen auch noch ausgerechnet als der blaue Stadionsprecher unseren Tempel mit seiner Stimme besudelte und dem bedröppelt dreinblickenden Gästeanhang die Blocksperre nach Spielende verkündete. Was kann es besseres geben?
Die Süd intonierte nun Conny Kramer und das Supergirl ein letzter Sonnenstrahl beschien das Vorsängerpodest und der Westfalentempel war ein Hort kollektiver Glückseligkeit. Als es eigentlich gar nicht mehr besser werden konnte, wollte Wellenreuther, der 75 Spielminuten lang die Dortmunder zur Verzweiflung getrieben hatte, auch noch ein Highlight setzen. Nach einem Rückpass versuchte er sich am Dribbling gegen Reus und wurde konsequenterweise mit dem 3:0 bestraft. Die Blauen waren mal wieder da vermöbelt worden, wo es wirklich zählt: Unten auf dem grünen Rasen, der die Welt bedeutet. Der Gästeblock war in lähmendem Entsetzen erstarrt und Block drölf bewies, dass auch eine Lotosblume so richtig knallen kann.
Nach Abpfiff war es schön anzuschauen, wie Lukasz Piszczek die Krücken schwang und mit seinen Mannschaftskollegen beim Siegertanz auf einem Fuß hüpfte. Komm bald wieder Lukasz, auch Du bist ein Derbyheld. Und die blaue Brut im Gästeblock musste die gesamten Feierlichkeiten dank Blocksperre mit ansehen. Ein Konzept mit Zukunft! Zum Schluss wurden von den feiernden Ultras sogar noch einige Klassiker aus der Mottenkiste geholt, wärend die Mannschaft eine Ehrenrunde lief. Es sind Tage wie dieser, wegen denen man Woche für Woche und Jahr für Jahr ins Stadion rennt. Und wenn solch ein Sahnetag auch noch aufs Derby fällt, dann ist das für jeden Borussen das allergrößte. Danke Jungs, dass wir jetzt wieder für ein halbes Jahr die Nase oben haben! Doch dieses Derby wird noch viel, viel länger in Erinnerung bleiben, denn so krass ist schon lange keine blaue Elf mehr im Westfalentempel demontiert worden. Jetzt heißt es in Dresden den Traum von Berlin am Leben erhalten und dann beim HSV den Aufwärtstrend in der Liga fortzusetzen. Wenn die Mannschaft ihre Form auch nur ansatzweise konservieren kann, steht uns noch eine schöne Restsaison bevor.
Statistik
Derbysieger: Weidenfeller - Kirch, Subotic, Hummels, Schmelzer - Sahin (87. Kehl), Gündogan (83. Bender) - H. Mkhitaryan, Kagawa (77. Blaszczykowski), Reus – Aubameyang
Chancenlose: Wellenreuther - Höwedes, Neustädter, Nastasic - Uchida, Fuchs - Höger, Aogo - Choupo-Moting, K.-P. Boateng (64. Barnetta) – Huntelaar
Tore: 1:0 Aubameyang (78. Mkhitaryan), 2:0 Mkhitaryan (79. Gündogan), 3:0 Reus (86. Wellenreuther)
Torschüsse: 31-3
Passquote 82% - 68%
Ballbesitz: 65% - 35%
Gelbe Karten: Schmelzer, Aubameyang – Höwedes, Höger
79.500 Zuschauer im Westfalentempel der Glückseligkeit
Web, 01.03.2015