Letzter!
Da war sie also vorbei, die Winterpause, in der man sich nicht so recht entscheiden konnte, ob man eher erleichtert die Pause vom schlimmen BVB-Fußball der Hinrunde genießen oder düstere Ängste wegen der anstehenden Rückrunde wälzen sollte. Die Tabelle hatte mit dem nachmittäglichen Sieg der Freiburger noch eine besondere Gemeinheit für uns in petto: Die ruhmreiche Borussia startete tatsächlich als Tabellenletzter in die Rückrunde und sollte die rote Laterne auch im hart umkämpften Spiel in Leverkusen nicht wieder loswerden. Trotzdem präsentierte sich Trainer Jürgen Klopp nach dem Spiel „zufrieden“ mit Leistung und Ergebnis. Ob die Mannschaft wirklich einen Schritt in die richtige Richtung gegangen ist, wird man wohl erst am Ende dieser englischen Woche nach den Spielen gegen Augsburg und in Freiburg wirklich bewerten können.
Der BVB hatte natürlich wieder eine der besten Vorbereitungen aller Zeiten absolviert (kann sich irgendein Oldtimer noch an ein Trainingslager erinnern, bei dem das nicht der Fall gewesen wäre?). Dazu gab es mit Kevin „Wreckingball“ Kampl noch einen Neuzugang der Preisklasse „fast schon Reus“ und der Frisurenklasse „längst besser als Reus“. Schon die Aufwärmphase lief ein wenig anders ab als sonst. Vor dem Torschuss auf Roman „Weltmeister“ Weidenfeller wurde erst ein wenig Ticki-Tacka gespielt. Interessant war auf jeden Fall die Besetzung der Bank: Mit Mikhitaryan, Subotic, Kagawa, Aubameyang, Ramos und Kirch versammelte sich dort eine Prominentenriege, von der so mancher Bundesligist in seiner Startaufstellung träumen dürfte. Legt man die Leistungen aus der Vorrunde zugrunde, würde allerdings ein übler Alptraum dabei herauskommen.
Wenn man sich einmal die Frage stellt, ob man in Leverkusen nicht doch einen normalen Fußballverein oder einen Plastikclub der Pillenkategorie vor der Brust hat, muss man nur darauf warten, dass die „Vereinshymne“ angespielt wird. „Zwischen Bayerwerk und Wasserturm da schlägt unser Herz für unseren Verein“ Wie in der schäbigsten Karaoke-Bar oder beim Playstation Singstar wurden die Worte eingefärbt so dass auch der dümmste Erstzuschauer mitgrölen konnte „Leverkusen, wir sind die Macht am Rhein“…. jeder, der es schon mal bis Köln oder sogar Düsseldorf geschafft hat, wird an dieser Stelle müde lächeln. Selbst Drittligisten wie Fortuna Köln oder Dortmund II stellen einen ähnlichen Roar auf die Beine. Wer es mal selbst erleben will, der sollte zur nächstbesten Sushibar wanken, falls da mehr als 3 Japaner singen, dürfte die Stimmung ähnlich kochen wie in der Pillendreherarena. Der Gästeblock präsentierte sich dagegen trotz Stammplatz im Tabellenkeller erstaunlich gut aufgelegt und sorgte für das in Leverkusen schon gewohnte stimmungsmäßige Heimspiel.
Erste Halbzeit
Gleich zu Beginn zeigte sich, dass die Abstimmungsprobleme in der Dortmunder Mannschaft noch nicht komplett überwunden waren. Auch der Torschützenkönig der Serie A konnte seine erste Gelegenheit noch nicht in einen erfolgversprechenden Torschuss verwandeln. Warum Immobile sich für einen weiteren Startelfeinsatz empfohlen hatte, konnten sich Experten unterhalb des Ranges eines Jürgen Klopp nur mit größter Mühe erklären. Allerdings löste Adrian Ramos das Rätsel nach seiner Einwechslung mit einem komplett blutleeren Auftritt doch noch. Wer solche Konkurrenz hat, muss um seinen Stammplatz wahrlich nicht fürchten.
In den ersten Minuten überwog nicht nur bei mir die Angst, auch die Mannschaft wirkte noch total hektisch und unorganisiert. Der Wille war erkennbar, den Abstiegskampf anzunehmen, aber ebenso die totale Verunsicherung mit Händen greifbar. Im Zweifel wurde der lange Befreiungsschlag gewählt, weil im Spielaufbau nichts zusammenging. Nuri Sahin bemühte sich zwar um ein wenig Struktur im Spiel, aber mit diesem Ansatz war er komplett allein auf weiter Flur. Nach zwanzig Minuten konnte man zumindest mal wieder festhalten, dass der BVB immer noch Angriffsaktionen im Repertoire hat, die über blinde Befreiungsschläge und das Prinzip Hoffnung hinausgehen. Ein Konter endete bei Reus, der ihn nur gerade so nicht mehr zielführend beenden konnte. Dann lag Kampl am Boden und Drmic sag Gelb. Der BVB versuchte sich in der gegnerischen Hälfte festzusetzen, wurde aber von einem Fehlpass ausgebremst, mit dem Reus wohl noch einmal demonstrieren wollte, warum die Bayern von einer Verpflichtung abgesehen hatten.
Für ein wenig Aufregung sorgte dann Bernd Leno. Der Pass von Schmelzer auf Immobile war etwas zu steil, so dass der Leverkusener Schlussmann ihn locker abfangen konnte, dabei rutschte er aber mit dem Ball aus dem Strafraum und stoppte diesen deutlich sichtbar mit der Hand. Da wären eine gelbe Karte und ein BVB-Freistoß in bester Position fällig gewesen. Leider hatte das Schiedsrichtergespann, das die Partie ansonsten gut im Griff hatte, in diesem Moment kollektiv geschlafen, so dass der BVB um eine gute Schusschance gebracht wurde.
Dortmund brachte sich nun immer wieder selbst in die Fisimatenten, indem ohne Not Querpässe in der eigenen Hälfte gespielt wurden. Die Werksangestellten wussten daraus aber keinen Gewinn zu schlagen, weil die letzte Reihe der Schwarzgelben immer wieder auf dem Posten war. Ich selbst hatte zu diesem Zeitpunkt ambivalente Gefühle. Einerseits erfreulich, dass die Mannschaft auch im neuen Jahr mit der nationalen Spitze mitstinken kann. Andererseits war das ja auch nichts Neues und hatte nicht verhindert, dass wir als Tabellenletzter in diese Partie gegangen waren. Denn die Highlight-Spiele hatten die Borussen auch in der Hinrunde einigermaßen erfolgreich bestritten und dafür in den restlichen Partien gnadenlos versagt.
Dann kam der perfekte Pass von Castro auf Drmic, der die Dortmunder Abwehr sezierte, aber der Adressat wusste glücklicherweise nichts mit dieser Vorlage anzufangen. Entscheidende Momente? Die Stimmung in der Heizstrahler-erwärmten Pillenarena näherte sich derweil weiter dem absoluten Nullpunkt an. Wenn der Gästeblock nicht dauerhaft für Alarm gesorgt hätte, hätte man nicht gewusst, ob hier ein Golfturnier oder ein Bundesligafußballspiel stattfand. Dann ging Reus zu Boden. Erst in der Zeitlupe war erkennbar, dass ein Foul vorgelegen hatte. Der Gefoulte brachte den Ball selbst vor das Tor, aber mehr als eine Ecke sprang nicht dabei heraus. Und wieviel die einbringen, weiß jeder Borusse schon vor der Ausführung. Im Anschluss fand immerhin Nuri Sahin eine kleine Schusschance, aber sein Schuss ging einen guten Meter am Kasten vorbei.
Dann holte sich Schmelzer völlig zu Recht die Gelbe ab, weil er kurz vor dem eigenen Strafraum die Notbremse auspacken musste. Das war natürlich ein Präsent für Hakan Calhanoglu, den GWF Hegel unter den Bundesligakickern. Aber der junge Türke ließ die Gelegenheit völlig überraschend liegen und schlenzte den Ball harmlos in die Arme von Weidenfeller. Schmelzer demonstrierte dann noch einmal, dass mangelnder Regelkenntnis gepaart mit übertriebener Fairness zur Dortmunder Krise beigetragen hatte. Nachdem der Schiri ihn beim Einwurf ein paar Meter zurück beordern wollte, warf er den Ball einfach zum Gegner. Dass man zumindest den Versuch eines Einwurfs starten muss, um wegen falschen Einwurfs zurückgepfiffen zu werden, war ihm offenbar überhaupt nicht bewusst.
Und dann kam der große Auftritt von Mats Hummels. Der Boss-Werbeträger, der sich zuletzt auch schon die ein oder andere hämische Bemerkung anhören musste, weil zwar der Anzug passte aber die Leistung nicht, sprang auf der Linie mit einem Seemannsköpper in den Ball, den man selbst im Sommer im Volksbad nur bei den Mutigsten der Mutigen zu sehen bekommt und rettete für seinen geschlagenen Torwart. Roman Weidenfeller wäre an den Schuss von Castro niemals herangekommen. Mein Gott, wenn das jetzt kein Zeichen war, was soll dann noch kommen? Jürgen Kohler ist einst für wesentlich weniger zum Fußballgott erkoren worden. Castro versuchte es kurz darauf nochmal, aber diesmal war Weidenfeller auf dem Posten und fischte den Ball aus dem Eck. So ging es mit einem durchaus leistungsgerechten Unentschieden in die Pause. Das Spiel war bis dahin kein Leckerbissen, dafür aber zu jeder Zeit intensiv und hart umkämpft. Beide Mannschaften neutralisierten sich aber weitestgehend und so gab es kaum Torchancen.
Zweite Halbzeit
Zur zweiten Halbzeit musste dann Lukasz Piszczek passen und für ihn kam Neven Subotic aufs Feld. Zum Glück scheint die Verletzung des Polen nicht so schwerwiegend zu sein, dass sie einem Einsatz gegen Augsburg unter der Woche verhindern würde. Sokratis wechselte also auf die rechte Seite und die alte Pep-Guardiola-Taktik „Alles auf Subotic“ wurde zur Option für den Favoriten aus der Farbenstadt. Den ersten Fehler produzierte dann aber Jürgen „Fußballgott“ Hummels, aber zum Glück blieben die Leverkusener vor dem Tor harmlos.
Die erste Chance in Halbzeit zwei hatte aber der BVB. Immobile war nach einem Pressschlag von Nuri Sahin plötzlich frei, versuchte es aber aus spitzem Winkel lieber selbst, anstatt auf Kampl oder Reus abzulegen. Letztlich war sein Schuss aber kein Problem für Leno. Aber auch der BVB blieb fehleranfällig. Kießling kochte Hummels ab und so musste man froh sein, dass Subotic hinten heute wie ein Fels in der Brandung stand. Als der Gästeblock die Lotosblume anstimmte kam über Twitter die Erkenntnis rein, dass die Passquote des BVB die schlechteste seit Beginn der Datenerfassung war. Das schlechteste Spiel war es allerdings definitiv nicht, denn die Mannschaft warf sich nach wie vor in jeden Ball.
Jedoch zeichnete sich mehr und mehr ein Unterschied zwischen Tabellenletzem und Spitzenmannschaft ab. Der BVB tat sich immer schwerer, geordnet aus der eigenen Hälfte heraus zu spielen. Der Favorit erhöhte immer mehr den Druck. Echte Torchancen konnten die Werksangestellten aber auch noch nicht wirklich herausspielen. Dann kam der Unglückrabe der Hinserie ins Spiel. Mkhitaryan ersetzte Kevin Großkreutz. Der Armenier wirkte allerdings immer noch sehr unglücklich in seinen Entscheidungen. Entweder hielt er den Ball zu lange und verlor ihn oder er spielte den falschen Pass. Mit einer Fehlpassquote von über 50% fügte er sich nahtlos in das Gesamtbild der Mannschaft ein.
Die nächste Chance vergab Immobile fahrlässig, weil er lieber den Bodenkontakt suchte als den Abschluss. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis der Italiener sich der Bundesligahärte angepasst hat. Solche Aktionen sorgen jedenfalls bei Freunden des Kampfspiels Fußball eher für Fremdscham. Jürgen Klopp wollte zwar einen „Kann man geben aber muss man nicht“-Elfmeter gesehen haben, aber ich würde mir wünschen, dass der Italiener in solchen Situationen versuchen würde, konsequent weiterzuspielen, anstatt clever zu versuchen, dem Schiedsrichter ein Angebot zum Pfiff zu machen.
Aber der BVB blieb nun am Drücker. Beim nächsten Konter legte Immobile schön für Reus auf, dessen Schuss nur noch gerade eben von Calhanoglu zur Ecke abgeblockt wurde. Und auch diese war wider jede Erfahrung gefährlich. Der Kopfball von Hummels wurde gerade noch so gestoppt. Den nächsten Angriff fuhr Kevin Kampl. Aber auch sein Flankenversuch wurde noch geblockt. Der Wintereinkauf konnte aber schon unter Beweis stellen, dass er eine Bereicherung für den BVB sein wird. Im Pressing machte er schon sehr viel richtig und ging auch ohne Angst ins Dribbling. Insgesamt war das natürlich keine Partie, in der ein Offensivspieler wirklich glänzen konnte, aber die Ansätze von Kampl waren vielversprechend. Auch der Zufall wollte dem BVB nicht zur Seite stehen. Ein Querschläger von Kampl nach einem Freistoß fand zwar noch irgendwie Immobile, aber der konnte den Ball nicht mehr gezielt verarbeiten.
Dann war der Moment gekommen, als jeder Dortmund-Fan wusste, dass es jetzt kippen musste: Mkhitaryan zeigte eine ungewohnte Schwäche in der Ballmitnahme im Mittelfeld und der folgende Konter der Leverkusener landete bei Castro, der einen Lupfer ansetzte. Aber anscheinend ist die Zwangsläufigkeit der bisherigen Saison, dass nach Dortmunder Fehlern immer ein Gegentor folgt, auch gebrochen, denn der Ball flog einigermaßen deutlich über den Kasten.
Subotic, einer der großen Wackelkandidaten der Hinrunde, zeigte nach seiner Einwechslung eine grundsolide Leistung und gewann gefühlt jeden Zweikampf. Er spielte wohl das erste Mal in einer ähnlichen Form, wie er sie vor seinem Kreuzbandriss regelmäßig auf den Platz brachte. Die meisten Zweikämpfe des Spiels gewann allerdings Nuri Sahin, der ebenfalls zeigte, dass er den Abstiegskampf wirklich angenommen hat. Mit einem weiteren Fernschuss hatte er auch die letzte Dortmunder Chance, aber am Ende blieb es beim Unentschieden, das beide Trainer erfreut zur Kenntnis nahmen, auch wenn insbesondere die zweite Hälfte des Spiels ein eher hartes Brot für die Zuschauer war und weit entfernt von der Feinkostabteilung der Liga, in der sich beide Mannschaften ja eigentlich zuhause fühlen. Der BVB nimmt also die rote Laterne mit in das Heimspiel gegen Augsburg und nur der Umstand, dass im Tabellenkeller die Abstände zwischen den Mannschaften sehr gering sind, macht diesen Fakt etwas erträglicher. Mittwoch steht den Borussen die nächste harte Prüfung bevor, denn der FCA ist momentan eine der formstärksten Mannschaften der Liga und ist sogar dabei, leise an die Tür zur Champions League zu klopfen. Andererseits kann man als BVB-Fan daraus auch wieder eine gewisse Hoffnung ziehen, denn in dieser Liga fühlen sich die Borussen ja derzeit viel wohler als im schnöden Bundesligaalltag.
Werk: Leno - Hilbert, Toprak, Spahic, Wendell - L. Bender, Castro - Bellarabi, Calhanoglu (73. Rolfes) - Kießling, Drmic (69, Brandt)
BVB: Weidenfeller - Piszczek (46. Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer - Ginter, Sahin - Kampl, Reus, Großkreutz (62. Mkhitaryan) - Immobile (81. Ramos)
Gelbe Karten: Drmic – Schmelzer
Tore: war nix
30210 Zuschauer im Werk
Web 01.02.2015