Egal! Hauptsache international!
Ob UEFA-Cup, Pokal der Pokalsieger, Pokal der Landesmeister oder der UEFA Intertoto Cup, all diese Namen sind inzwischen Geschichte. Aber die Namensänderungen sollten nur einen Bruchteil der Reformen der UEFA darstellen. Spielmodi, Anstoßzeiten und Teilnahmebedingungen bilden den Schwerpunkt der UEFA-Reformen der letzten Jahre, stets mit dem Ziel, die Attraktivität der Wettbewerbe zu erhöhen. Dabei ist die Attraktivität immer eine Frage der Perspektive. Versteht man unter Attraktivität den monetären Fluss in die Taschen der Verbände, oder aber den sportlichen Wettbewerb, der die Zuschauer in den Bann zieht, die unvergessenen Momente eines Fußballfans?
Der Zusammenhang zwischen Einnahmen für Vereine und Verband und dem Fußballfan als Konsument lässt sich dabei nicht leugnen. Doch neben den Verbänden und den Fußballfans ist seit langem eine neue Instanz gewachsen, deren Einfluss und Macht in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Ein Konglomerat aus Medien und Sponsoren, die den Verbänden offerieren, welche Einnahmemöglichkeiten durch Reformen zu generieren sind. Ein stetiges Streben nach immer mehr Umsatz und Gewinn, das bislang noch gut zu funktionieren scheint. Auch wenn einige Fans sich von dem „modernen“ Fußball bereits verabschiedet haben, so scheint die Masse das „Spielchen“ der Verbände, Medien und Sponsoren noch weiter mitspielen zu wollen.
Die Regeln des Spielchens sind ganz einfach. Mehr Spiele zu verschiedenen Anstoßzeiten, die möglichst von vielen Zuschauern gesehen werden können, bedeuten mehr Gewinn. Von Dienstag bis Donnerstag erhält der Konsument die Gelegenheit, sich mit internationalem Fußball zu versorgen, von Freitag bis Montag hat der nationale Wettbewerb Vorrang. Dabei sind die besten Anstoßzeiten nicht die, die für den gewöhnlichen Stadionbesucher wünschenswert wären, sondern jene, die für den Konsumenten an den Fernsehbildschirmen in Europa und dem Rest der Welt angenehm sind. Ein genauso großes Interesse haben die Sponsoren, die ihre jeweilige Zielgruppe vor dem Fernseher wissen möchten, um die speziell auf sie abgestimmte Werbung möglichst passend zu platzieren.
"Der Markt regelt sich selbst"
Der Grundgedanke, dass sich die besten Mannschaften Europas untereinander messen ist inzwischen ein wenig weiter ausgedehnt worden. Auch der Tabellenvierte aus der Bundesliga darf sich zu dem „Besten“ Europas zählen, denn je mehr Mannschaften an einem Wettbewerb teilnehmen, desto mehr Einnahmen erhalten die Verbände und Vereine. Auf der einen Seite ist es sicherlich schön, dass möglichst viele Vereine international spielen können, sich mit anderen Vereinen messen können, Fans andere Fankulturen und fremde, teilweise unbekannte Städte besuchen können. Aber wer kann zu einem UEFA-Cup Spiel nach Israel fliegen, das an einem Donnerstag um 16 Uhr angepfiffen wird? Es gilt den Spagat zwischen dem „Besonderen, international spielen zu dürfen“, das nur wenigen vorbehalten ist, und es möglichst vielen Vereinen zu ermöglichen, sich international messen zu dürfen, zu schaffen.
Auf der anderen Seite gab und gibt es immer wieder Tendenzen, eine europäische Top-Liga zu etablieren, in der lediglich die großen Mannschaften gegeneinander antreten. Bereits im Jahr 1999 drohten die großen 14 Vereine der UEFA mit einer eigenen Europa-Liga, wenn diese nicht stärker die Interessen der Vereine vertreten würde. Zu den Forderungen gehörte unter anderem eine stärkere Beteiligung der Vereine an den TV-Einnahmen. Am Ende kam es zu der neu reformierten Champions League, mit mehr Mannschaften und einem neuen Spielmodus.
Und am Ende profitiert der Fußballfan?! Ein Traum für jeden Fußballverrückten. Die Möglichkeit, rund um die Uhr Fußball zu gucken, jedes Spiel live im TV verfolgen zu können inklusive stundenlanger Vorberichterstattungen. Ein Traum? Dafür nimmt man gerne in Kauf, dass das Fußballerlebnis mehr und mehr zu einem Event stilisiert wird. Welcher Junge auf dem Bolzplatz kennt sie nicht, die Champions-League-Hymne und die anschließend genannten Partner (Sponsoren) der UEFA?! Reine Sitzplatzstadien garantieren höchsten Komfort inklusive alkoholfreiem Bier. Ein ganzes Stadion wird umdekoriert und von der UEFA beschlagnahmt. Als Fan fühlt man sich hin und her gerissen, ist man im eigenen Stadion Zuhause oder Gast? Alles wirkt perfekt aufeinander abgestimmt, so dass die Marke CHAMPIONS LEAGUE der Champions würdig ist, auch wenn diese als Tabellenvierte in der eigenen Liga, weit abgeschlagen vom nationalen Meister gelandet sind. Die Marketingabteilung der UEFA hat, was die Marke und das Markenbewusstsein angeht, in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet, indem sie eine Gelddruckmachine für den Verband und für die beteiligten Vereine geschaffen hat. Die Einnahmen generieren sich immer weniger aus dem Portemonnaie der Fans, Mitglieder und Stadionbesucher, sondern vielmehr aus dem, was die Sponsoren und TV-Sender bereit sind zu zahlen. Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch, heißt im Umkehrschluss aber auch, dass diejenigen, die bezahlen, auch bestimmten können, wann (an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit) was gespielt wird.
Die Zukunft (k)ein Albtraum ?!
Gespannt darf man sein, wie die internationalen Wettbewerbe der Zukunft aussehen werden. Läuft es auf eine Europa-Liga oder gar eine Welt-Liga hinaus? Schon jetzt ist man bemüht fern von Europa neue Märkte zu erschießen. Ein weltweiter Vereinswettbewerb wäre die logische Konsequenz der bisherigen Expansionsbemühungen. Auftritte mit Wettbewerbscharakter der europäischen Top-Mannschaften in Asien würden den Vereinen und Funktionären ganz neue Märkte erschließen. Auch wäre es sicherlich denkbar, dass man die europäischen Finalspiele in Asien stattfinden lässt um dort den Markt weiterhin zu bedienen und anzukurbeln. So manch ein Sponsor dürfte bei diesem Gedanken regelrecht Speichelfluss bekommen.
Die körperlichen Reaktionen eines normalen Fußballkonsumenten am TV gerät dürften dabei kaum auffällig ausfallen. Im schlimmsten Fall führt die Anstoßzeit zu Augenringen am nächsten Morgen. Der normale Fußballfan hingegen wird es in der Zukunft vermutlich schwerer haben, ein Live-Event im internationalen Fußball im Stadion zu verfolgen. Für die wenigen Karten, die nach Abzug für Sponsoren übriggeblieben sind, muss man seine gesamten persönlichen Daten hinterlegen um an einem Losverfahren teilnehmen zu können. Die Daten werden selbstverständlich nur zu unserer eigenen Sicherheit aufgenommen und lediglich den Sponsoren für wichtige Verbraucherinformationen zu unseren Gunsten weitergeleitet. Die Kartenpreise werden an den üblichen Preisen in Europa für absolute Event-Highlights angepasst. Wer für ein Konzert bereit ist 140€ zu zahlen, wird es auch sicherlich für ein Fußballspiel sein. Alleine durch die Preise wird durch natürliche Selektion gewährleistet, lediglich ein bestimmtes Publikum im Stadion vorzufinden. Die typische Stadionatmosphäre, so wie wir sie heute kennen, wird es dann vermutlich nicht mehr geben.
"Bis die Blase platzt"
Das Streben nach immer mehr Gewinn, ohne darauf zu achten, womit überhaupt gewirtschaftet wird, hat schon so manch eine Blase in der Wirtschaft entstehen lassen, die irgendwann einmal platzt. Spätestens, wenn die Sponsoren feststellen, dass vor den TV-Geräten niemand mehr sitzt, der sich für die „Wettbewerbe“ der UEFA interessiert, könnte es ein bitterböses Erwachen für die Verbände und Vereine geben. Aber was, wenn es um Fußball geht, folgt schon den normalen Gesetzen…