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Das Verhältnis zwischen Fans und Spielern

14.07.2015, 15:18 Uhr von:  Redaktion

Fans und Spieler trennen nicht nur ein ZaunWer hört nicht gerne alten Spielern vom Schlage „Ente“ Lippens oder Aki Schmidt zu, wenn sie ihre Anekdötchen von früher erzählen? Wie so vieles erscheint der Fußball von früher einfach ehrlicher, schöner und vor allem menschlicher. Die Spieler waren nicht nur Spieler, sondern häufig auch Nachbarn und Arbeitskollegen. Den „Boss“ konnte man früher in Essen noch in seiner Stammkneipe antreffen und ihm bei einem Herrengedeck erzählen, dass sein letztes Spiel einfach totale Grütze war. Dieses Szenario lässt sich mit einem aktuellen Siegtorschützen eines WM-Finals wohl eher nicht wiederholen. Irgendwas hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Und zwar so sehr, dass es heutzutage als ein erwähnenswertes Zeichen für Bodenständigkeit gilt, wenn ein Spieler sich seine Brötchen beim Bäcker selber kauft.

Auch wenn, und unser Verein ist in diesem Vermarktungssegment mit führend, nach außen die große Einigkeit und Verbundenheit zwischen Fans, Verein und Spielern bemüht wird, sind Spieler doch mittlerweile häufig eher dem normalen Leben entrückt wie Musik- oder Filmstars. Sie rauschen in Autos mit abgedunkelten Scheiben an den wartenden Fans vorbei und gucken sich die neusten Filme auf ihrem Heim-Kino-System an, statt sich an der Kinokasse in die Schlange zu stellen. Vor einiger Zeit gab es eine Sonderausgabe in der 11 Freunde, die ausschließlich von aktuellen Profifußballern erstellt wurde. Es war für mich als Fan schon ein wenig erschreckend, wie ich-bezogen viele der Spieler wirkten, welche Lebensinhalte ihnen anscheinend wichtig sind und wie wenig dieses Leben mit meinem eigenen gemein hat.

Eine Lebensweise, die andererseits aber auch nachvollziehbar ist. In den seltenen Momenten, in denen sich Profifußballer und Fans „in freier Wildbahn“ begegnen, verhalten sich Fans nämlich häufig auch unangenehm anhimmelnd und besitzergreifend. Wer hätte schon wirklich Lust darauf, beim gemeinsamen Kinoabend mit Freunden angestarrt und permanent mit Autogrammwünschen belästigt zu werden? Ganz davon abgesehen, dass man sich tunlichst das Popcorn und die Cola zum Film verkneifen sollte, wenn man nicht am nächsten Tag in einer Boulevardzeitung und/oder in den sozialen Netzwerken Spekulationen lesen möchte, ob man wirklich einen professionellen Lebenswandel führt. Wer möchte beim Einkaufen von Menschen umringt werden, die „das ist doch der…“ tuscheln, während man gerade die Auslage in den Regalen studiert?

Dortmunder JungsDabei ist das doch eigentlich ein Zustand, den sich niemand wünscht. „Wir sind alle Dortmunder Jungs“: Wohl kein Fangesang drückt deutlicher den Wunsch nach Einigkeit aus. Trotz aller sportlichen Verdienste und Fähigkeiten hätte Kevin Großkreutz kaum diesen Sonderstatus bei den Fans, wenn er nicht in außerordentlichem Maße Stallgeruch besitzen würde: Dortmund-Tattoo, Dauerkarte Südtribüne, und am Wochenende kann man ihn auf Bezirkssportanlagen antreffen. In ihm zeigt sich am deutlichsten der geheime Fanwunsch, dass die Spieler eigentlich genau so denken und fühlen sollen wie man selbst, nur mit dem Unterschied, dass sie besser mit dem Ball umgehen können.

Und auch für die Spieler ist diese Zurückgezogenheit schade, weil sie viel Alltag verpassen. Auch wenn man bei dem einen oder anderen anhand von im Internet veröffentlichten Selfies und Fotos aus dem Traumurlaub schon einen leichten Hang zum Narzissmus diagnostizieren könnte, ist kaum anzunehmen, dass sie sich gerade in jungen Jahren – so eingeengt und in ihrer Bewegungsfreiheit beschnitten – wirklich wohl fühlen

Es sollte doch möglich sein, dass der Fußball wieder weniger Glamour und mehr „Leben und leben lassen“ werden kann. Dazu müssten beide Seiten aber ihren Teil beitragen. Als Fan hat man zu akzeptieren, dass auch Fußballprofis eine Privatsphäre besitzen und nach ihrem „Feierabend“ auch einfach mal Alltag haben dürfen. Sie müssen nicht rund um die Uhr für Autogrammwünsche bereit stehen und für Handyfotos posieren. Spieler (und auch Trainer) müssten diese Freiräume nutzen wollen und riskieren, auch mal nicht wie „Stars“ behandelt zu werden. Letztendlich würden sie aber auch die schönen Seiten, die der normale Alltag bietet, hinzugewinnen.

Es geht auch entspanntWäre es nicht schön, wenn man Sonntag nachmittags bei Sonnenschein im Eiscafe die Seele baumeln lassen könnte, und am Nachbartisch täte es der Profifußballer einem gleich? Spieler, die die Stadt, in der sie spielen und leben, besser kennen- und vielleicht auch viel stärker schätzen lernen, einfach, weil sie sie richtig er-leben. Vielleicht entwickeln beide Seite auch wieder viel mehr Verständnis füreinander, weil sie miteinander ins Gespräch kommen und nicht nur über den medialen Umweg miteinander kommunizieren. Spieler, die wieder ein Gespür dafür haben, wie die Leute auf der Tribüne „ticken“, und Fans, die auch wieder den Menschen hinter dem Fußballprofi sehen. Für beide Seiten ein Gewinn.

Ein entspannteres und weniger aufgeregtes Miteinander macht es auch für die jüngeren Spieler leichter, wenn sie sich nicht abschotten müssten, sondern sich frei wie andere junge Menschen auch bewegen könnten. Ausbrechen aus dem Fußballkosmos bestehend aus Verein, Mitspielern und Berater, das ist mit Sicherheit nicht das Schlechteste zur Charakterformung.

Und als Fan kann man vielleicht wirklich irgendwann mal wieder dem Kicker sagen: „Ey, das Ding, das du Samstag verstolpert hast, hätte ich mit verbundenen Augen reingemacht.“ Wenn auch wahrscheinlich nicht beim Bierchen in der Eckkneipe, sondern beim Mineralwasser im italienischen Bistro. Alles lässt sich eben doch nicht wieder zurück drehen.

Sascha, 14.07.2015

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