15 Jahre schwatzgelb.de - Im Gespräch mit... Adi Preißler
In diesem Juli jährt sich der Tag, an dem zwei Borussen bei einem Testspiel auf die Idee kamen, aktuelle BVB-Berichterstattung von Fans für Fans im Internet anzubieten: schwatzgelb.de wird 15 Jahre alt. Wir nehmen das als Anlass, euch jeden Tag eine Perle aus der Geschichte unseres Fanzines zu präsentieren und so auf kleine Highlights unserer Geschichte zurückzublicken. Heute: Unser Interview mit Adi Preißler vom 15. Juni 2001.
Endlich war es so weit! Wir hatten einen Interview-Termin bei Alfred, genannt „Adi“, Preißler, dem BVB-Idol der 50erJahre. Also machten wir uns auf den Weg in den Duisburger Süden, wo Adi seit einem halben Jahr wohnt. Bei schönstem Sonnenschein begrüßte uns Preißler draußen auf seiner Terrasse. Ob es das schöne Wetter war oder der Besuch von Schwatzgelb.de ist bis heute ungeklärt - auf alle Fälle war die Terrasse „ausverkauft“ und mit reichlich "Publikum" aus seiner Umgebung gefüllt. Die „Zuschauer“ wollten natürlich sofort wissen, ob wir vom Fernsehen oder der Zeitung seien. Hier konnte Adi Hilfe leisten, "die Jungs sind vom Internet" erklärte er seinen Nachbarn, wollte jedoch lieber erst mal selber von uns wissen, was wir denn dort so genau anstellen. So mussten wir ihm zunächst von unserem Fanzine erzählen und was wir bei Schwatzgelb.de genau machen. Nachdem wir danach über Sendener Lokalgrößen und Profifußballer aus Bocholt wie Michael Tönnies oder Roland Wohlfahrt diskutierten, ging es - nach kurzer Überprüfung, ob wir „Duisburger Platt“ verstehen, dann auch gleich zur Sache, zum Thema (s)eines großen Vereins: Dem B.V. Borussia Dortmund.
Schwatzgelb.de: Hallo Herr Preißler, herzlichen Glückwunsch nochmal nachträglich zu Ihrem 80. Geburtstag. Borussia Dortmund hat Ihnen zu Ehren das Trainingsgelände der Profimannschaft am Rabenloh in „Adi Preißler Platz“ umbenannt. Haben Sie sich darüber sehr gefreut?
Preißler: Das war ein wunderschöner Tag für mich. Meine große Liebe ist die Borussia und ich habe mich über diese Geste sehr gefreut.
Schwatzgelb.de: Bekommen Sie noch viel Post von Ihren Fans?
Preißler: Ja, ich bekomme noch täglich Autogrammwünsche. So bis zu zehn Anfragen. Ich finde das toll, aber die Kosten fressen mich auf (lacht). Die Fans schreiben mir dann immer: „Bitte schicken sie mir doch eine Autogramm.“ Das mache ich dann natürlich. Mein Sohn läßt dann immer Fotos nachmachen, so eine Karte kostet 60 Pf... (lacht wieder) da wirste arm dran. Aber die Fans schreiben immer so nett, da muß ich einfach antworten.
Schwatzgelb.de: Der Name „Adi Preißler“ ist den Fußballfans in Deutschland noch heute ein Begriff. Doch auch viele Menschen außerhalb des Fußballs kennen Sie auch heute noch. Diesen hohen Bekanntheitsgrad verdanken sie Ihren weisen Sprüchen rund um den Fußball. Der bekannteste dieser Sprüche ist sicher „Entscheidend is auf´m Platz!“. Können Sie verstehen, warum viele Leute auch heute noch sagen, dass dieser Satz alles über das Wesentlichste beim Fußball aussagt?
Preißler: Das ist doch so, Jungs, wenn man als Trainer vor der Mannschaft steht, dann spricht man am besten mit den Spielern in der Sprache der Region. Wenn ich eine Mannschaft auf das Spiel einstelle, dann will ich die Spieler so scharf machen. Die Ansprache soll sich positiv auf die Leistung auswirken.
Heute finden das natürlich alle toll, früher haben die Leute aber auch oft gesagt: „Mein Gott, die Fußballer haben ja nichts im Kopf, die können ja noch nich mal richtig reden.“
Schwatzgelb.de: Und heute ist dieser Spruch „Kult“. Gerade in dieser Aussage von Ihnen liegt ja so viel Wahrheit. Es gibt heute so viele „Nebengeräusche“ beim Fußball, dass man das Wesentliche, nämlich das Beste auf´m Platz zu geben, als Spieler schnell vergisst und lieber für die große Show lebt. Gibt es heute nicht viel zu viele Selbstdarsteller auf dem Platz?
Einwurf: In diesem Moment läuft eine attraktive junge Frau mit einem Hund vorbei, alle schauen zu ihr rüber und lachen. Daraufhin sagt einer seiner Rentnerfreunde: „Mensch, schöne Frauen haben wir hier aber auch noch.“ Adi Preißler nickt zustimmend und sagt darauf grinsend: „ Der Hund ist auch echt toll!“
Preißler: Zurück zu Eurer Frage... Ja, so ist das wohl heute bei vielen Spielern. Doch die alten Werte sind heute wieder gefragt. Freundschaft und Zusammengehörigkeit sind wichtig für eine Mannschaft, um Erfolg zu haben. Genauso wie unsere Tradition. Bei der Borussia hat man schon immer Wert drauf gelegt, dass die Tradition weiterlebt. Heute kommen sie alle zu Dir und wollen das wieder hören, weil es einfach ein Teil unseres Lebens beim BVB war und immer noch ist. Unser Präsident Dr. Gerd Niebaum findet das so hervorragend, dass er das einfach genießt, wenn wir Alten im „Ruhrpott Platt“ sprechen. Es erinnert ihn halt an die alten Zeiten, an seine eigene Jugend.
Schwatzgelb.de: Wie kamen Sie eigentlich überhaupt zu dem Spitznamen „Adi“?
Preißler: Mein Patenonkel hieß Adolf und man wollte meinen Namen und den Namen meines Onkels unter einen Hut bringen und so rief man mich „Adi“. Später auf dem Fußballplatz habe ich dann, um ein wenig Spaß in die Truppe zu bringen, immer gesagt, das sei mein Künstlername.
Schwatzgelb.de: Sie haben als 18-jähriger 1939 mit der Duisburger Stadtauswahl bereits Ihren ersten Deutschen Meistertitel (Deutscher Jugendmeister/Die Red.) gewonnen. Waren Sie damals schon Stammspieler in der Auswahlmannschaft von Duisburg?
Preißler: Ja, ich habe damals schon 2-3 Jahre vor Kriegsausbruch in der Duisburger Jugendauswahlmannschaft gespielt. Damals spielten viele gute Leute in Duisburg. Als 18-jähriger habe ich dann in der höchsten deutschen Spielklasse gespielt, in der Gauliga Niederrhein. Duisburg hatte viele große Vereine und stellte wohl zu dieser Zeit auch die erfolgreichsten Mannschaften der Region. Wir hatten hier Duisburg 99, Duisburger SV, Union Hamborn, Hamborn 07, Duisburg 08 und den traditionsreichen Meidericher SV, um mal die wichtigsten zu nennen. Ich spielte in der A-Jugend von Duisburg 1900 und man machte mich dann schnell zum Senioren, weil wir gegen den Abstieg spielten. Ich wurde geholt, um dort meine Tore zu machen.
Schwatzgelb.de: Warum hat der Duisburger Fußball nie wirklich eine große Rolle im deutschen Fußball gespielt?
Preißler: Das ist schwer zu beantworten. Nehme ich nur mal den MSV. Der Verein hat über die Jahrzehnte hinweg sicher schon eine komplette Nationalmannschaft verkauft. Warum der MSV trotz dieser guten Spieler nie eine tragende Rolle in der Bundesliga gespielt hat, kann ich auch nicht erklären. Sicher mag ein Grund dafür auch die ungünstige Lage gewesen sein. Der MSV kommt eigentlich aus Meiderich im Duisburger Norden, das Stadion ist jedoch ganz weit im Süden. Da kommt dann manch einer eben nicht zum Spiel. Aber richtig erklären läßt sich das damit sicherlich nicht.
Schwatzgelb.de: Wie kam es 1946 zu ihrem Wechsel aus der Heimat ausgerechnet ins östliche Industriegebiet nach Dortmund?
Preißler: Nachdem ich aus Rußland zurückgekommen war, wurde ich in Minden stationiert. Dort habe ich meine Frau, ein Dortmunder Mädchen, kurz vor Kriegsende kennengelernt. Wir sind dann nach dem Krieg nach Dortmund-Husen gezogen. Dort habe ich dann einige Wochen beim SuS Kaiserau und in Husen gespielt... (lacht). Die wollten immer beide, dass ich für sie spiele, damit es mal ein paar Tore zu sehen gab. SuS Kaiserau hatte eine feine Mannschaft, die konnten alle gut Fußball spielen. Dann saß eines Tages der Vorstand von Borussia Dortmund bei mir im Wohnzimmer und von dem Tag an gab es nur noch einen „schwatzgelben“ Adi Preißler.
Schwatzgelb.de: Was herrschte für eine Atmosphäre in der damaligen Borussenmannschaft?
Preißler: Zuerst einmal waren die Borussen alles hervorragende Fußballer. Da konnte jeder auf 2 qm eine komplette Hintermannschaft ausspielen. Ich würde das nicht einfach so sagen, wenn das nicht Hand und Fuß hätte. Überlegt nur einmal, was für große Mannschaften zu dieser Zeit im Ruhrgebiet gespielt haben. Die konnten schon alle sehr fein mit dem Leder umgehen. Vor allem aber hatten wir immer eine Menge Spaß miteinander. Bei uns wurde immer viel gelacht. Unser Masseur hat immer Witze vorm Spiel erzählt, um uns aufzulockern. So war die Stimmung immer gut in der Mannschaft (lacht). Obwohl, das mit den Witzen und dem Auflockern vor einem Spiel ist so eine Sache. Wenn Du kein´ Fußball spielen kannst, nützt Dir beides nichts. Außerdem haben wir früher vorm Spiel immer quasi ´nen Liter Blut getrunken - so motiviert sind wir auf den Platz gegangen! Versteht ihr, wie ich das meine?
Einwurf: Tuscheln am Nachbartisch: "Bah, der Adi hat früher Blut getrunken vorm Spiel. Bah, datt is doch eklig. Ich mag datt nich schmecken."Schwatzgelb.de: Das ist ja auch was, was wir heute oft vermissen. Dass die Einstellung und die Leidenschaft fehlen.
Adi nickt.
Schwatzgelb.de: 1947 schaffte Borussia den Machtwechsel im Revier durch einen Sieg über den S04, welche Erinnerungen haben Sie noch aus dieser Zeit?
Preißler: Wir haben es in diesem Spiel geschafft, die lange Schalker Vorherrschaft zu beenden. Ich muß aber auch fairerweise sagen, dass Fritz Szepan und Ernst Kuzorra nicht mehr die Jüngsten waren und so dieser Sieg auch eine Art Generationswechsel war. Die beiden Schalker waren zu ihrer besten Zeit absolute Weltklasseleute. Aber wir hatten früher schon viele gute Spitzenfußballer in Deutschland, hier möchte ich vor allem unsern Max Michallek und Spundflasche vom HSV erwähnen.
Schwatzgelb.de: 1949 haben sie ihres erstes Endspiel um eine deutsche Meisterschaft mit dem BVB erreicht. Leider ging das Spiel gegen den VfR Mannheim in der als „Sonnenschlacht von Stuttgart“ berühmt gewordenen Partie sehr unglücklich mit 2:3 n.V. verloren. Wie groß war damals die Enttäuschung bei Ihnen und der Mannschaft?
Preißler: Wir hatten sehr großes Verletzungspech. Dem Erich Schanko haben sie im Spiel vier Zähne ausgeschlagen. Der kam noch zu mir gelaufen und zeigte mir die Bescherung. Ich hatte ihm dann noch gesagt, er soll die Zähne aus dem Mund nehmen, damit er die nicht verschluckt. Das Gebiss hat er dann nach dem Endspiel sogar vom Verein bezahlt bekommen. Der zweite Pechvogel war Max Michallek. Der Max hatte einen Tag vor dem Endspiel im Hotel Tischtennis gespielt und ist da beim Rumturnen an der Platte umgeknickt.
Er wurde dann zwar gleich behandelt, aber in der 2. Halbzeit hat der Max dann nicht mehr laufen können. Damals durfte man noch nicht auswechseln und so hatten wir einen schweren Stand bei der Hitze. Der Frust über die Niederlage war bei uns nicht all zu groß. Wir waren damals noch sehr jung und unbekümmert. So sind wir da alle recht schnell drüber weggekommen (Ausnahme: Erich Schanko/Die Red.).
Schwatzgelb.de: Welcher Spieler war nach Ihrer Meinung der Beste, der je im schwatzgelben Dress auflief?
Preißler: Diese Frage zu beantworten wäre nie gerecht. Ich beantworte euch das wie folgt: „Um bei Borussia zu spielen, mußtest Du schon ein großer Spieler sein, sonst hattest Du keine Chance.“ Und noch etwas: „Wer bei Borussia spielen wollte, mußte technisch sehr guten Fußball spielen können, daran hat sich bis heute nichts geändert.“
Schwatzgelb.de: Was hat sie dann 1950 bewegt, den BVB in Richtung Münster zu verlassen?
Preißler: (lacht) Die haben mir Geld geboten. Früher hast Du wenig Geld verdient, im Gegensatz zu heute.
Schwatzgelb.de: Sie spielten bei Preußen Münster in dem legendären 100.000-Mark-Sturm der Westfalen mit Gerritzen, Weghorst, Rachuba und Lammers.
Preißler : Das waren schon alles Klasseleute, ich glaube, wir haben zu der Zeit so manchem Verteidiger ein Fragezeichen in die Beine gespielt. Aber zu den 100.000-Mark sage ich den Preußen heute noch: „Ich bekomme immer noch 20.000,- Mark von euch!“ (lacht diebisch)
Schwatzgelb.de: War da nicht auch noch eine Tankstelle im Spiel?
Preißler: Richtig, aber das war auch nichts gescheites. Das war nicht gut, was Münster damals da mit mir gemacht hat. Zu der Zeit konntest Du ja nicht frei tanken, sonders es gab nur Benzin gegen Benzingutscheine. So habe ich dann die Tankstelle wieder aufgegeben und bin dann am Hansaring beim Fernsprechamt angefangen.
Schwatzgelb.de: Wie sah denn damals als Vertragsspieler Ihr Tagesablauf überhaupt aus?
Preißler: Ich habe jeden Tag normal um 7 Uhr mit der Arbeit begonnen und ab ca. 15:30 Uhr riefen meistens schon die Kollegen: „Adi, Du mußt zum Training.“ Meine Arbeitgeber und Kollegen haben mich früher schon sehr unterstützt.
Schwatzgelb.de: Sie haben dann 1951 mit den Preußen im Endspiel gestanden. Sie haben mal gesagt, dass Sie dieser verpassten Meisterschaft noch heute nachtrauern. Warum?
Preißler: Wisst Ihr, da haben wir 90 Minuten auf ein Tor gespielt. Wichtig ist nun zu wissen, dass unser Torwart davor fast das ganzes Jahr lang dauernd krank war. Er hatte Last mit seinen entzündeten Mandeln. Der war aber ein solcher Angsthase, dass er sich erst kurz vorm Finale, als es nicht mehr anders, ging operieren ließ. So war er ziemlich geschwächt im Finale. Ich sag mal, die Tore, die wir in der 2. Halbzeit kassierten, waren keine Unhaltbaren. Als wir 1:0 zur Halbzeit führten, lief Fritz Walter an mir vorbei und sagte:
„Adi, jetzt habt ihr uns am Arsch.“ Aber in der 2. Halbzeit gewann der 1. FC Kaiserslautern dann doch noch mit zwei Toren von Ottmar Walter.
Schwatzgelb.de: Dann endlich im Finale 1956 holten Sie mit Borussia die erste deutsche Meisterschaft. Man spricht heute noch von dem besten Endspiel um eine „Deutsche“ in der Geschichte des deutschen Fußballs?
Preißler: Das war ein großartiges Spiel, davon schwärmen heute noch viele, die es damals miterlebt haben. Lange Jahre haben die Leute mir erzählt, wie großartig diese Spiel war. Aber mehr kann ich nicht dazu sagen, ich habe mich ja selber nicht spielen sehen.
Schwatzgelb.de: Und dann fast auf den Tag genau ein Jahr später, der Gewinn der 2. deutschen Meisterschaft mit Borussia und das mit der gleichen unveränderten Mannschaft, was einzigartig in Deutschland war. Gab es etwas, das vom Finale 1957 in besonderer Erinnerung geblieben ist?
Preißler: Da passierte folgendes: Ich laufe mit Posipal auf den Platz und er sagt zu mir: „Ich habe alles mitgemacht, bin Weltmeister geworden, aber was mir noch fehlt ist eine deutsche Meisterschaft.“ Mir war klar, worauf der Posi hinaus wollte. Da habe ich zu ihm gesagt: „Mensch Posi, dass tut mir aber leid, ausgerechnet gegen uns kommst Du jetzt damit an!“ Da ist er ganz weiß um die Nase geworden. Ich sagte ihm dann noch: „Ich würde ja viel für Dich manchen, aber gerade bei einer deutschen Meisterschaft!?! Nee, da spielt man nicht mit rum.“ So Sprüche kamen früher oft vor. Das waren halt so Dönekes, worüber wir selber herzhaft lachten. Wir haben uns damals einfach alle sehr gut verstanden.
Schwatzgelb.de: War der damalige Sturm mit Linksaußen Kapitulski, Mittelstürmer Kelbassa, Rechtsaußen Peters und dem Halbstürmer Alfred Niepieklo und Ihnen der beste Sturm, der je beim BVB gespielt hat?Preißler: Diese Frage kannst Du nicht beantworten. Jede Epoche beim BVB spielte ein anderes System. In der heutigen Zeit ist der Spieler mit dem Ball schnell. Bei uns wurde der Ball schnell gemacht. Heute wirkt alles athletischer. Außerdem wird der Ball sehr häufig rechts/links auf die Außen gespielt und du musst als Stürmer warten, bis der Ball in die Spitze kommt. Unser System war da ganz anders aufgebaut, da war immer ein direkter Zug zum Tor. Alfred Niepieklos und meine Position, die des Halbstürmers, spielte in unserem System eine wichtige Rolle.
Schwatzgelb.de: Erklären Sie uns doch mal die Position des Halbstürmers?
Preißler: Wir haben damals das WM-System gespielt, mit Rechts- und Linksaußen. Niepieklo und ich spielten hinter der Spitze als Verbindungsglied zwischen Sturm und Mittelfeld. So wurde das Spiel dann über uns aufgezogen. Wichtig war bei unserem System die Paßsicherheit innerhalb der Mannschaft. Jeder Fehlpaß war bei diesem System tödlich.
Schwatzgelb.de: Also spielten Sie eine ähnlich Rolle wie weiland Andy Möller?
Preißler: Ich war ja so gesehen keine direkte Spitze, ich war ja mehr ein Spielmacher. Aber halt einer der Tore schoss. Das war ja immer mein Ding, das Spiel machen und Tore schießen. Zu Andreas Möller muß ich sagen, dass er nie seine vorhandenen Fähigkeiten voll umgesetzt hat. Da fehlte einfach die Konstanz. Vor allem der Biß, wirklich immer alles auf dem Platz geben zu wollen.
Schwatzgelb.de: Nach der 2. deutschen Meisterschaft fiel die Mannschaft aus Alters- und Verletzungsgründen langsam auseinander. Sie selber haben noch 1959 für Borussia gespielt und auf Bitte von Max Merkel geholfen, den Lüner Nachwuchsspieler Friedhelm „Timo“ Konietzka an die Oberliga West heranzuführen. Sie sind anschließend nach Ihrer aktiven Laufbahn dem Fußball als Trainer verbunden geblieben. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?
Preißler: Unser damaliger Trainer Schneider war da nicht ganz unschuldig dran. Er ging nach dem Gewinn der Meisterschaft zusammen mit „Kappi“ (Helmut Kapitulski/Die Red.) nach Pirmasens. Nachdem ich meine Fußballschuhe an den Nagel gehängt hatte, trainierte ich zuerst Borussia Neunkirchen. Schneider war es dann, der mich nach Pirmasens holte.
Schwatzgelb.de: Sie sind während des Krieges in Minden gelandet. Über die Kriegsjahre sollen Sie mal gesagt haben: „Die Nazis haben mir 50 Länderspiele geklaut.“ Und welche Rolle spielte Sepp Herberger in Ihrer Länderspielkarriere?
Preißler: Der Krieg war natürlich ein großer Mist. Geklaut hat mir Herberger die Länderspiele. Ich war damals zu der Zeit der erfolgreichste Stürmer im Westen.
Schwatzgelb.de: Wieso hat Ihnen der Bundestrainer die Länderspiele geklaut?
Preißler: Da will ich euch mal als Beispiel eine kleine Geschichte zu erzählen: Wir hatten damals ein Meisterschaftsspiel gegen den 1. FC Köln. Das Spiel war in der entscheidenden Phase und ich gehe auf links durch, passe nach innen so an der Torlinie entlang. Der Kapitulski steht innen, und ich behaupte mal, dass meine Oma das Ding sicher rein gemacht hätte. Was macht der Kerl? Der schiebt das Ding am Kasten vorbei. Ich schaue auf und da grinst mich der Kappi so doof an und hat über´s ganze Gesicht gelacht. Ihr müsst wissen, dass konnte der Kappi gut. Wie ich schon erzählt habe, wir haben immer viel gelacht in der Mannschaft. Nun gut, auf jeden Fall habe ich zu ihm gesagt: „ Was? Du lachst auch noch dreckig?“ und bin dann über dem halben Platz hinter ihm hergerannt. Ich war so sauer.
Schwatzgelb.de: Und wie hat Kapitulski darauf reagiert?
Preißler: So was war nach dem Spiel vergessen. Viel schlimmer war die Reaktion von Herberger. Der ist in Köln gewesen, um sich unser Spiel anzuschauen und hat vor dem Spiel zu mir gesagt, dass ich beim nächsten Länderspiel gegen Rußland spielen werde. Nach dem Spiel kam er in der Kabine zu mir und fragte mich: „Was habe´se denn da mit dem Kapitulski vor gehabt, warum sinn´se dem denn über de halben Platz nachg´laufe?“ Ich gab Herberger zur Antwort: „Ja, der hat im entscheidenden Moment den Ball nicht ins Tor geschossen und da kenne ich keinen Spaß, Herr Herberger.“ Herberger war sehr nachtragend und so wurde ich, obwohl er es mir versprochen hatte, anschließend nicht mehr zum Länderspiel eingeladen.
Schwatzgelb.de: Aber auch andere BVB-Spieler wurden von Herberger nicht berücksichtigt, wer fällt Ihnen da noch spontan ein?
Preißler: Nehmt doch nur mal den Max Michallek. Das war ein derart begnadeter Fußballer, dem hat er nicht ein Länderspiel gegeben. Den Max mochte er nicht, mir hat er ja wenigstens zwei Länderspiele zugestanden (zwei A- und zwei B-Länderspiele/Die Red.). Aber mit mir konnte er auch nie was anfangen, weil ich immer sagte, was ich dachte. Nach einem Testspiel kam Herberger mal zu mir und sagte: „Adi, Sie fummele mir zu viel.“ Darauf habe ich ihm gesagt: „ Herr Herberger, wenn Sie einen Fußballer haben wollen, der nicht dribbeln kann, den können sie gleich wegjagen.“ Und das hat ihm natürlich nicht gepasst, da brauchte ich nicht mehr wiederkommen.
Schwatzgelb.de: Eine Frage noch zu Mäxchen Michallek. War er denn wirklich ein so begnadeter Fußballer, wie man heute noch oft hört und überall nachlesen kann?
Preißler: (schwärmt) Der Max, das war ein Typ Fußballer, wie ich ihn nur ganz selten gesehen habe. Ich glaube sogar sagen zu können, dass er mindestens so gut war wie ein Franz Beckenbauer in der Neuzeit.
Schwatzgelb.de: Wie sehen Sie denn die Vermarktung des Fußballs. Es wird heute über jede, noch so unwichtige Kleinigkeit in den Medien berichtet. Finden Sie, dass das dem Fußball schadet?
Preißler: Zuerst glaube ich einmal, dass die Leute das auch gerne wissen wollen. Das Interesse ist halt groß, die Leute wollen auch wissen, was um den Fußball herum passiert. Das war aber auch schon früher so. Zwar im kleineren Rahmen, aber die Leute interessiert es halt. Du musst als Spieler halt nur sehen, dass das wichtige halt deine Leistung auf´m Platz ist.
Schwatzgelb.de: Wir versuchen mit unser Internetseite auch den Spielern die Chance zu geben, sich mit den Fans auseinander zu setzen. Aber oft scheint es, dass viele Spieler kein Interesse daran haben. Sie haben früher immer den Kontakt mit dem Publikum gesucht. Wie sehen Sie den Umgang der Spieler mit den Fans heute?Preißler: Ich sage immer, die Spieler haben für so etwas heute keine Zeit mehr, die müssen ihr Geld zählen. Nein, im Ernst. Ich habe früher auch Sachen gemacht, die nicht astrein waren. Auf dem Platz war ich immer auch ein Hitzkopf und habe dann schon mal Gesten ins Publikum gemacht (zeigt die Handbewegung wie das „Pissmäneken“), für die schäme ich mich heute. Da haben die Leute auch zu mir gesagt: „Was ist der Preißler bloß für ein Saukerl!“ Aber ich habe das nicht für mich gemacht, immer nur für die Mannschaft. Erklärt habe ich das dann immer damit, dass ich das Publikum darauf aufmerksam machen wollte, dass wenn sie hier nun groß anfangen zu meckern und zu pfeifen, geht noch die ganze Meisterschaft verloren.
Einwurf: Währenddessen Murmeln am Nachbartisch. Zwei schwerhörige Rentner wollen sich vergewissern, ob das richtig ist, was sie eben gehört haben. "Hasse gehört? Der Adi hat früher auffem Platz gepisst!" - "Wie? Hat der datt gesacht?" - "Ja, der hat so gemacht und auf die Tribüne gepinkelt". Entsetztes Kopfschütteln bei beiden.
Schwatzgelb.de: Wie sehen Sie die Fans heute?
Preißler: Was mich sehr ärgert ist, dass die Südtribüne schnell anfängt zu pfeifen. Über die Sitzplatztribünen könnte ich noch viel mehr erzählen. Da sind so viele Leute im Stadion, die doch gekommen sind, um ihre Mannschaft zu sehen. Viele von den Fans haben niemals selbst gegen den Ball getreten. Aber im Verurteilen der Spieler sind sie alle groß. Mit so was schaden wir doch nur unserer Mannschaft. Ich gebe zu, es ist ja auch viel verlangt, wenn dem Fan schon vor lauter Wut der Schaum vor der Schnauze steht, sich auch noch ruhig zu verhalten oder aber die Mannschaft sogar zu unterstützen. Aber das wäre gerade dann, wenn es nicht läuft, so wichtig für die Jungs unten auf´m Rasen.
Schwatzgelb.de: Viele Fans sind aber der Meinung, dass zu wenig von der Mannschaft an Reaktionen an das Publikum rüberkommt, wie z.B. nach der guten Stimmung in der 2. Halbzeit gegen Stuttgart. Meinen Sie nicht auch, dass die Fußballer zu wenig Kontakt zu den Fans halten?
Preißler: Viel wichtiger ist doch, dass die Mannschaft es schafft, das Publikum durch sportliche Leistung mitzureißen und nicht durch Gesten. Auch wird von den Vereinen oft an die Spieler appelliert, Sachen zu lassen, die dem Publikum nicht gefallen. Ich habe früher, wenn es sein musste, mit einer Geste das Publikum zum Schweigen gebracht. Nur wenn ich so etwas gemacht hatte, dann habe ich danach auch immer darauf geachtet, dass die Presse auch in den Tagen nach so einer Aktion berichtete, was ich damit bewirken wollte.
Schwatzgelb.de: Beim Heimspiel gegen Stuttgart war die Stimmung in der 2. Halbzeit so gut, aber es kam keine Reaktion vom Rasen, es ging kein Ruck durch die Mannschaft. Haben Sie sich da nicht auch gefragt, was das soll?
Preißler: Passt mal auf! Unsere Mannschaft hat sich wirklich sehr angestrengt, aber die Stuttgarter standen wirklich gut. Doch ich muss sagen, wenn ich auf den Platz gehe, dann darf ich nur noch eins wollen, und zwar siegen! Also mußt Du vorher einen Liter Blut trinken und dann raus. Aber diesen letzten Willen sehe ich bei unserer Mannschaft im Moment noch nicht. Was man sieht ist, dass sie sich anstrengen, dass sie mitspielen wollen, dass sie gleichwertig oder besser sein wollen. Aber das allein reicht nicht aus. Genauso wie wir die deutsche Meisterschaft nicht gegen Stuttgart verloren haben sondern... gegen wen?
Schwatzgelb.de: Bayern München?
Preißler: Aha siehste...so ist es! Ich muss bei 11 gegen 9 auf den Platz gehen und muss sagen, jetzt fresse ich die Bayern auf. Wenn ich sehe, das so einer wie der Effenberg den Ball in die Tribüne schlägt, weiß ich doch als Spieler, was los ist. Das macht mich doch wach, da sehe ich doch, dass der hilflos ist. Da ist ohne Druck gespielt worden. In der heutigen Zeit musst Du Druck auf die gegnerische Mannschaft ausüben. Klar sind wir um zwei Tore betrogen worden. Aber da hätte einfach noch mehr von der Mannschaft kommen müssen.
Schwatzgelb.de: Sie selbst haben immer bedauert, dass Sie nicht mehr als zwei Länderspiele für Deutschland machen durften. Können sie heute verstehen, dass ein Spieler wie Stefan Effenberg auf die Nationalmannschaft verzichtet?
Preißler: Da könnte ich so viel zu sagen, aber ich will mir ja nicht die Schnauze verbrennen. Doch zu Effenberg sage ich nur so viel: Du brauchst dem doch nur ins Gesicht zu schauen, dann weißt Du, was Du von ihm halten musst.
Einwurf: Raunen an den Nachbartischen. Allgemeine Antipathie gegenüber Effenberg ist spürbar.
Schwatzgelb.de: Können Sie heute verstehen, dass selbst durchschnittliche Spieler oft schon Millionengehälter haben und Spitzenleute bis zu zehn Millionen und mehr im Jahr verdienen?
Preißler: Das ist die größte Seuche seit der Pest und das Bosmanurteil hat diese Situation für die Vereine fast unerträglich gemacht. Die Spieler haben anstatt Fußball tausend andere Sachen im Kopf. Ich sehe das so, die Fußballer bringen am Wochenende oft keine Leistung mehr, weil sie vom vielen Geld zählen unter der Woche schon kaputt sind. Wenn ich so etwas sage, fragen mich die Leute natürlich, ob das Gehässigkeit oder Neid ist. Aber ich denke, ich liege mit meiner Meinung nicht weit von der Wahrheit entfernt.
Schwatzgelb.de: Thema junge Spieler: Glauben Sie, dass junge Spieler überhaupt eine Chance bei der Borussia bekommen, um sich durchzusetzen, Beispiel Christian Timm?
Preißler: Ein junger Spieler, der hoch talentiert ist, der setzt sich auch durch. Qualität hat sich immer durchgesetzt. So etwas sieht man doch schon früh, ob ein junger Spieler diese Klasse hat. Das ist wie bei einem Boxer, da erkennst Du auch früh, ob er ein gutes Auge hat und ob er sich im Ring gut bewegt. Ein junger Spieler braucht oft nur etwas Unterstützung und Vertrauen. Der wunde Punkt sind für mich da oft die Zuschauer. Die müssten doch einen jungen Spieler unterstützen. Der muss auch mal Fehler machen dürfen. Das gehört dazu. Wie soll der Junge denn Selbstvertrauen bekommen, wenn er keine Fehler machen darf. Aber das will das Publikum nicht sehen. Also wird er ausgepfiffen. Statt zu pfeifen sollten sie lieber ihre Spieler aufmuntern und unterstützen.
Schwatzgelb.de: Das gibt es auch bei den gestandenen Profis. Bestes Beispiel Micky Stevic. Der ist sogar wegen seiner Faszination für diese unglaubliche Atmosphäre nach Dortmund gewechselt. Stevic kämpft und tut und macht und das Publikum will aber oft nur seine Fehler sehen und pfeift ihn aus anstatt ihn zu unterstützen. Wie sehen Sie den Spieler Micky Stevic?.
Preißler: Das Publikum hat in Dortmund immer technisch sehr guten Fußball gesehen und ist dadurch auch verwöhnt. Es genügt ihnen nicht, einen Mann wie Stevic zu sehen, der sich aufreibt für den BVB. Vor allem ist er unsauber im Abspiel und dann fangen die Fans an zu meckern. Das sind Dinge, die in Dortmund an der Tagesordnung sind. Die Fans wollen den gewohnten technisch hochwertigen Fußball weiter sehen und so kommt es dann zu den Unmutsäußerungen. Stevic ist ein großartiger Kämpfer, charakterlich einwandfrei und ein fleißiger Mensch. Das waren immer die Typen gewesen, die ich auch als Trainer immer gefördert habe. Welche ich nie gefördert habe waren die faulen Hunde, die sich auf ihrem Talent ausgeruht haben. Solche Spielertypen wie Stevic brauchst Du in der Mannschaft für die richtige Mischung.
Schwatzgelb.de: Heute reisen die jungen Spieler um die halbe Welt, um bei einem Profiverein zu spielen, anstatt in ihrem Land erst einmal heranzureifen. Können sie das verstehen?Preißler: Klar, kann ich verstehen, die wollen Geld verdienen.
Schwatzgelb.de: Aber leidet da nicht die Einstellung des Spielers zum Verein? Bringt der Spieler da überhaupt die richtige Einstellung mit, wenn er nur wegen des Geldes wechselt?
Preißler: Alleine der Vergleich ist schon dumm. Die innere Einstellung muß bei dem Spieler stimmen. Seht mal, bei mir war das so: Ich konnte schon beim Training nicht verlieren. Da konnte ich giftig werden. Als Spieler muß ich mein Herz in den Fußball legen, dann kann ich überall auf der Welt erfolgreich Fußball spielen.
Einwurf: Ein Nachbar von Adi kommt vorbei und ruft rüber: "Na Adi - erzählsse wieder von Dein 100.000 Mark-Sturm? Glaubt dem Adi nix, Jungs!" (Adi grinst und winkt ab)
Schwatzgelb.de: Lars Ricken hat in dieser Saison wieder zu alter Klasse zurückgefunden. Lange Zeit ist er seiner Forum aus verschiedenen Gründen hinterhergelaufen. Viele wollten ihm sogar einen Vereinswechsel nahe legen. Was glauben Sie fehlt Lars noch, um ein ganz Großer zu werden?
Preißler: Lars bringt für sein Können zu wenig. Er ist ein so begnadeter Fußballer. Er braucht nicht wechseln, um sich weiterzuentwickeln, ein guter Spieler wie er setzt sich durch. Vielleicht müsste er einfach noch etwas mehr Herzblut geben. Noch mehr Energien freisetzen. Vielleicht sollte er mal vor dem Spiel einen Liter Blut trinken (lacht).
Schwatzgelb.de: Was macht für Sie einen guten Spieler aus, was muß er haben, damit er ein wirklich guter Fußballer ist?
Preißler: Eine gewisses Talent setze ich jetzt mal voraus. Als guter Spieler muß ich schon mit dem Ball umgehen können. Aber gespielt wird dann mit den Augen. Ich mußsehen können, was auf dem Platz um mich herum abläuft. Was ist der Mittelpunkt im Spiel? Ich frage euch: „Was ist das wichtigste im Fußballspiel?“ Ich beantworte es euch: „Das wichtigste ist das Spiel ohne Ball.“ Stell Dir vor, Du hast den Ball und Du hast fünf Leute in Deiner Mannschaft, die sich nicht freilaufen können. Dann hast Du keine Chance. Nur wenn alle in der Mannschaft das Auge haben, um sich freilaufen zu können, wird der Ball auch schnell. Und da kommen wir zu unserer Mannschaft. Ich habe diese Jahr das Gefühl, man will bei uns wieder Traumfußball spielen, aber dazu müssen wir uns weiterentwickeln.Wenn ich zum Beispiel den Reina sehe, dann wisst Ihr, was ich meine. Der umkurvt mit dem Ball jeden Gegner. Der müsste aber beim Umspielen schon wissen, wo er den Ball hinspielt! Aber der sieht nichts, der klebt mit dem Kopf auf´m Platz.
Schwatzgelb.de: Dann kann man ja mit Recht behaupten, dass wir mit Rosicky einen Spieler in unseren Reihen haben, der dieses „Auge“ hat. Ist er unser Schlüssel zum Erfolg?
Preißler: Rosicky ist ein echter Vollblutfußballer. Ein Künstler am Ball mit dem Blick für die Situation. Aber auch für ihn gilt, er alleine ist nichts. Die Mischung in der Mannschaft muss stimmen. Bestehend aus Arbeitern und Künstlern.
Schwatzgelb.de: In Ihrer aktiven Zeit, stimmte da die Mischung in der Mannschaft?
Preißler: Nun, wir haben durch das System (WM-System von 1954), das wir spielten, oft auf engstem Raum spielen müssen. Und da ist halt die richtige Mischung im Team wichtig. Aber auch die sogenannten Arbeiter mussten auf engstem Raum spielen können. Auf langen Raum kann jeder spielen.
Schwatzgelb.de: Was fällt Ihnen zu Sörensen ein?
Preißler: Da bin ich im Moment enttäuscht, weil er so viel verletzt ist, aber das kann natürlich mal passieren. Gegen Cottbus hatte er ja schon gut gespielt. Da muss man mal abwarten, was die neue Saison bringt.
Schwatzgelb.de: Auf welchen Positionen müssen wir uns denn für die kommende Saison verstärken?
Preißler: Wir können in Zukunft nicht mehr nur mit einem Mittelstürmer spielen, der nur köpfen kann. Du brauchst einen Mann im Sturm, der den Ball auch führen kann, der Gegner ausspielen kann. Fangt jetzt nicht mit Bobic an! Ein Stürmer muss den Ball führen und halten können und wie gesagt nicht nur köpfen können.
Schwatzgelb.de: Zum Beispiel ein Stürmer wie Pizzaro?
Preißler: Irgend ein Stürmer, der den Ball führen kann. Ja, so einer wie der Pizarro oder….
Schwatzgelb.de: ...Elber?
Preißler: (die Augen glänzen)...unter uns, soll ich euch mal was verraten? Wenn der Elber bei uns spielen würde, wären wir diese Saison schon Meister. Ganz klar, mit mindestens 12 Punkten vor. Schaut doch nur den Chapuisat, das war ein Stürmer, wie ich ihn mir wieder wünsche, ein absoluter Weltklassemann. Das war damals der Schlüssel zum Erfolg in den 90er Jahren.
Einwurf: Allgemeines Nicken an den Nachbartischen bzgl. der Aussage.
Schwatzgelb.de: Wenn man da einen Spieler nennen soll, der sehr stark in der Kritik steht, fällt schnell der Name von Fredi Bobic. Auch Sie haben nicht die allerbeste Meinung von seinen Stürmerqualitäten. Haben Sie nicht auch schon mal öffentlich Kritik an ihm geübt?
Preißler: Ich habe den Bobic in der Sendung Borussia TV angegriffen, als ich zu meinem 80. Geburtstag dort eingeladen war. Das war nicht richtig und das hat mir hinterher sehr leid getan. Aber so bin ich nun mal. Wenn ich sehe, wie viel Chancen von Bobic in dieser Saison nicht verwandelt wurden, dann kann ich nicht anders. Das musste ich einfach sagen.
Schwatzgelb.de: Kommen wir zum Schluß noch einmal auf das Thema Tradition. Die Sch*lker behaupten gerne, dass in ihrem Verein die Tradition ganz groß geschrieben wird und sie mehr dafür tun, vor allem seit der Saison 2000/2001 als jeder andere Verein in der Bundesliga. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Preißler: Borussia hat einen Ältestenrat, wie euch ja wohl bekannt ist. Der Jockel Bracht ist unser Vorsitzender. Der Verein legt Wert auf unsere Meinung. Wir werden von der Vereinsführung nach unserer Meinung befragt. Bei Sch*lke sagen die: „Was brauchen wir einen Ältestenrat? Was wir brauchen sind Punkte." Das ist typisch Sch*lke.
Schwatzgelb.de: Welche Rolle spielt Gerd Niebaum im Erhalt der Traditionen?
Preißler: Ein Mann wie Gerd Niebaum verbindet seine Liebe zur Borussia auch stark mit der Tradition. Wir unterhalten uns schon mal öfters darüber, was früher bei der Borussia war. Der hat doch früher als Kind sicher auch im Baum gesessen und unsere Spiele verfolgt. So ein Mann nimmt seine Stärke und seine Kraft aus diesen Erinnerungen, um bei Borussia was zu bewegen.Schwatzgelb.de: Wie finden Sie es, dass ein so traditionsreicher Verein wie Borussia Dortmund an die Börse gegangen ist?
Preißler: Ja, wisst Ihr, das ist so ein Ding. Ob nun Gerd Niebaum oder Michael Meier es waren, die das vorangetrieben haben, weiß ich nicht. Dazu kann ich nichts sagen, ich habe mich immer nur um den Fußball gekümmert.
Schwatzgelb.de: Was sagen Sie denn zu den regelmäßigen Seitenhieben von Assauer in Richtung Dortmund.
Preißler: Da muss man einfach drüberstehen. Ich bin schon immer der Meinung gewesen, dass man am besten die Antwort auf´m Platz gibt. Nun hat das ja diese Saison nicht so toll geklappt, aber das werden wir schon wieder klar machen.
Schwatzgelb.de: Nochmals Tradition und Sch*lke. Nun bauen sich die Sch*lker ein neues Stadion und taufen es „Arena auf Sch*lke“, was halten Sie denn davon?
Preißler: Ja, die ham am Anfang keinen anderen Namen gefunden. Habt ihr denn nicht das Gerücht gehört, wie das Stadion anfangs heißen sollte? (lacht) "Ernst-Kuzzora-seine-Frau-ihr-Stadion" (alle Lachen).
Schwatzgelb.de: Herr Preißler, welchen Platz erreicht der BVB in der nächsten Saison?
Preißler: Wenn ich das mal wüsste, aber eine deutsche Meisterschaft würde uns mal wieder gut zu Gesicht stehen, das sagt auch Preußen Münster (lacht). Der Verein ist weiter auf einem guten Weg. Wir müssen dem Trainer und den Spielern nur unser Vertrauen schenken, dann ist mir für die Zukunft nicht bange. Denn für mich sind die schönsten Farben der Welt immer noch schwarz und gelb!
Schwatzgelb.de: Vielen Dank für das tolle Gespräch und alles Gute für Sie, Herr Preißler!
Geschrieben von Wade / Guido - Erstveröffentlichung am 15.06.2001
Nachtrag: Dies war Adi Preißlers letztes Interview. Er verstarb am 17.07.2003 in Duisburg. Die BVB-Fans verabschiedeten ihn mit einer eindrucksvollen Choreo am 09.08.2003 gegen den VfL Wolfsburg. Bilder davon findet ihr hier. Außerdem ist in Dortmund die Adi-Preißler-Allee am Trainingszentrum von Borussia Dortmund nach dem Spieler benannt.
Redaktion, 18.11.2013