Zu Gast bei Grisu Stevens im Schwabenländle
Es ist mal wieder ein typisches Spiel zwischen zwei absoluten Highlight-Partien. Nach dem Derby und vor dem Champions League-Viertelfinale reist die Borussia nach Schwaben und trifft dort auf den akut abstiegsbedrohten VfB Stuttgart. Ein Spiel, das auf dem Papier ohne Wenn und Aber nur mit einem Auswärtssieg abgeschlossen werden darf, wenn man sich den zweiten Platz vor den Blauen und die sichere Qualifikation für die Champions League holen möchte. Doch mittlerweile beschleicht die Fans des Ballspielvereins genau bei solchen Spielen vor der Königsklasse ein beklemmendes Gefühl. Nur vier der acht Partien, die unmittelbar am Wochenende vor dem europäischen Wettbewerb bestritten wurden, konnten die Schwatzgelben gewinnen, oft wurden wichtige Punkte auf der Strecke gelassen. Ich würde es mir gern ersparen, an dieser Stelle beispielsweise an das 0:3 in Hamburg zu erinnern, es eignet sich aber leider perfekt als mahnendes Beispiel, denn der VfB scheint nicht zuletzt nach dem 0:2 in Nürnberg am Mittwoch genau so mausetot zu sein wie es der HSV vor dem Aufeinandertreffen mit dem BVB war.
Blickt man auf das Restprogramm der Schwaben, landet man schnell beim Urteil „das wird eng". Neben Dortmund muss Stuttgart noch gegen die Bayern, die Blauen, Mönchengladbach und Wolfsburg ran. Das sind alles Vereine aus der oberen Tabellenregion, dazu gesellt sich ein schweres Auswärtsspiel in Hannover und nur eine einzige Partie gegen einen direkten Mitkonkurrenten mit dem SC Freiburg. Das ist schon knallhart und dämpft sicherlich die Hoffnungen darauf, dass noch viele Punkte, die nun mal überlebenswichtig sind, eingefahren werden können. Nicht umsonst betonte Huub Stevens kurz nach seinem Amtsantritt, dass jetzt nur noch Endspiele anstehen würden. Stevens übernahm bekanntermaßen von Thomas Schneider, dennoch bleibt die Frage, ob Stevens in der aktuellen Situation wohl nicht doch mit dem kleinen Drachen Grisu verglichen werden kann, der als Kind immer Feuerwehrmann werden wollte. Denn wie ein Lebensretter wirkt Stevens nun wirklich nicht, es fehlen zwingende Nachweise darauf, dass er einer Mannschaft den Arsch retten kann. Die Stuttgarter haben vermutlich noch einen der besseren Kader im Vergleich mit anderen Mannschaften, die dort unten im Keller stehen, die Leistung wird allerdings nicht auf den Platz gebracht. Das fängt im Sturm an, wo Vedad Ibisevic nicht so oft trifft, wie man es von ihm gewohnt ist (auch wenn er immer noch tritt, wie man es von ihm gewohnt ist) und zieht sich über die gesamte Mannschaft über Namen wie Martin Harnik oder auch den vom BVB ausgeliehenen Moritz Leitner, der in Stuttgart bislang nur selten auf sich aufmerksam machen konnte.
Wie gesagt, auf dem Papier ist die Sache klar. Dazu dürfte ja auch noch das Hinspiel in bester Erinnerung liegen, als man zunächst noch mit 0:1 in Rückstand lag, am Ende aber ein kleines Spektakel entfesselte (und die endlose Eckball-Serie ohne Torerfolg beendete) und die Schwaben mit 6:1 zurück in den Süden der Republik schickte – Wiederholung gerne erwünscht. Und auch die jüngsten Auftritte der Borussia am letzten Wochenende in Hannover und im Derby selbst, wo man spielerisch überzeugte, alleine die Chancen nicht verwertete, um die Blauen zum zweiten Mal in der Saison zu schlagen, machen durchaus Mut. Man darf nun auch nicht übertreiben und gleich die Flinte vor einem Auswärtsspiel bei einem Abstiegskandidaten ins Korn werfen, nur weil die Statistik vor Champions League-Spielen ein wenig düsterer aussieht. Dabei liegt die Erklärung zwar nahe, die Mannschaft sei in Gedanken eben schon am Wochenende beim nächsten Spiel unter der Woche, in der Praxis bleibt diese Aussage aber mindestens fragwürdig und schon gar nicht sind alle Spiele, die so nicht gewonnen werden konnten, nur auf diesen einzelnen Fakt herunter zu reduzieren. So wies auch Jürgen Klopp solche Vorwürfe während der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen die Schwaben entschieden zurück. Die Mannschaft weiß, dass sie auch in Stuttgart 100 Prozent abrufen muss, um die drei Punkte mit ins Ruhrgebiet zu nehmen und wird ansonsten sicherlich noch einmal eindringlich von Jürgen Klopp und seinem Anhang gewarnt werden. Champions League ist gut und schön und auch das fünfte Spiel gegen Real Madrid in kurzer Zeit ist immer noch ein Highlight, aber die Bundesliga ist eben das Pflichtprogramm, das mit der notwendigen Ernsthaftigkeit absolviert werden muss. Das wissen auch alle Beteiligten. Jürgen Klopp gab an, das Spiel gegen Real Madrid sei für alle Spieler noch sehr weit weg und spiele erst nach dem Abpfiff eine Rolle.
Personell stehen noch einige Fragezeichen hinter Pierre-Emerick Aubameyang und Roman Weidenfeller, die am Donnerstag eine leichte Erkältung hatten. Außerdem hat Lukasz Piszczek muskuläre Probleme, die mittlerweile scheinbar ansteckend sind und einen Einsatz am Samstag unwahrscheinlicher wirken lassen. Vielleicht wäre es auch gar keine schlechte Idee, dem Polen eine Pause zu gönnen, Kevin Großkreutz hat schließlich oft genug bewiesen, dass er in der Lage ist, adäquat für ihn einzuspringen. Außerdem wartet auf Piszczek am Dienstag mit Cristiano Ronaldo ja auch ein gewisser Fußballer des Jahres und damit eine wichtige Herausforderung. Fällt Aubameyang aus, könnte Kevins freier Platz im Mittelfeld von Jonas Hofmann oder Milos Jojic eingenommen werden, was viele Fans der beiden Youngstars freuen dürfte, die sich schon lange dafür aussprechen, beiden doch mal mehr Spielzeit zu geben.
Fantechnisch werden rund 5.000 Zuschauer die Borussia unterstützen. The Unity hat allerdings verlauten lassen, die Amateure gegen Preußen Münster zu unterstützen statt nach Stuttgart zu fahren, um somit gegen die Eintrittspreise der Schwaben, die über 20 Euro für einen Stehplatz einforderten, zu protestieren.
Also: Volle Konzentration auf Stuttgart, das Real-Spiel erst einmal ausblenden und drei Punkte im Schwabenländle zu holen und sich erst dann auf Real Madrid zu konzentrieren. Dann bleibt Grisu Stevens eben auch der Grisu, der Mann, der am Ende Feuerwehrmann werden wollte, bei seinem Unternehmen aber zumindest am kommenden Wochenende hoffentlich scheiterte.
Mögliche Aufstellungen:
VfB Stuttgart: Ulreich - Schwaab, Rüdiger, Niedermeier, G. Sakai - Gentner, Boka - Harnik, Traoré, Rausch - Ibisevic
Trainer: Huub "Grisu" Stevens
Borussia Dortmund: Weidenfeller - Piszczek, Sokratis, Hummels, Durm - Kehl, Sahin - Großkreutz, H. Mkhitaryan, Reus - Lewandowski
Trainer: Jürgen Klopp
Schiedsrichter: Michael Weiner (Giesen)
Vanni, 28.03.2014