Das DFL-Sicherheitskonzept - Fazit und Ausblick
Die Fußball-Saison in Deutschland ist beendet und auch die Politik steht vor ihrer obligatorischen Sommerpause. Vorher wird aber immer noch mal richtig getagt und angehört. Und weil der beliebte Ballsport mittlerweile in jeden noch so kleinen Winkel der Gesellschaft reicht und Fußballfans ja eh die modernen Gewalttäter schlechthin sind, darf der Fußball auf der politischen Agenda natürlich nicht fehlen.
Am Mittwoch war es dann mal wieder so weit. Berlin wurde abermals Schauplatz für (politische Fan-)Themen rund ums runde Leder. Waren im Januar beim Fankongress eben jene organisierten Fans und Fangruppen noch Initiator der Veranstaltung, rief nun die Politik in Form des Innen- und Sportausschusses die geladenen Sachverständigen zu einer Anhörung in den Bundestag.
Insgesamt wurden unter der Anhörungsleitung des Vorsitzenden des Innenausschusses Wolfgang Bosbach (MdB, CDU/CSU) sowie vom Sportausschuss unter Vorsitz von Dagmar Freitag (MdB, SPD) zehn sogenannte Sachverständige geladen und entsprechend zur Thematik angehört. Unter den Sachverständigen befanden sich unter anderem Andreas Rettig (Geschäftsführer DFL) und Hendrik Große-Lefert (Sicherheitsbeauftragter beim DFB) als Vertreter von DFL und DFB sowie Vertreter der Polizei, angeführt vom Sprüche-Guru unserer Zeit, Rainer Wendt (Deutsche Polizeigewerkschaft).
Als Stützen der Faninteressen waren – sozusagen auch als Repräsentant der schwarzgelben Farben – Daniel Nowara (Sprecher IG Unsere Kurve), Rainer Mendel (Fanbeauftragter 1. FC Köln), Michael Gabriel (KOS) und Fanforscher Jonas Gabler der Einladung zur Anhörung gefolgt.
Ein erstes Highlight bot sich mir allerdings schon vor Beginn der Veranstaltung, als ich gegen 13.30 Uhr den Eingang des Paul-Löbe-Hauses des deutschen Bundestages betrat. Denn direkt vor mir huschte eine Dreier-Gruppe durch die Tür, der Andreas Rettig und Hendrik Große-Lefert angehörten. In ihren feinen Anzügen positionierten sie sich prominent vor der Glasscheibe des Pförtners und warteten demonstrativ auf ihre Ausweise und weitere Anweisungen. Der Pförtner jedoch blickte, müde und augenscheinlich genervt von der Berliner Hitze, fragend in die drei Gesichter. Rettig räusperte sich, doch nichts passierte. Dann ergriff die Begleitung des DFL-Geschäftsführers das Wort und meinte sowas wie „Das ist Herr Rettig, er ist heute hier als Sachverständiger geladen.“
„Kann ick ja nich riechen!“, schallte es ihnen im besten berlinerisch hinter der Scheibe entgegen.
Ich konnte mir ein breites Schmunzeln nicht verkneifen und sah bereits in dieser Aktion einen Fingerzeig höherer Mächte gegen die latente Arroganz der Verbände DFB und DFL.
Doch leider sollte das an diesem Tag die letzte große Erkenntnis bleiben, denn während der vierstündigen (!) Anhörung wurde von allen Seiten nicht sonderlich viel Neues ins Plenum geschüttet. Verbalscharmützel gab es zwar nicht – denn das gehört sich auf derartiger Bühne natürlich auch nicht – jedoch wurde dem Beobachter erneut klar, dass die Kommunikationsbasis von Fans und Polizei wohl auch in Zukunft verhärtet und distanziert bleiben wird. DFL und DFB dagegen signalisierten erneut ihre Dialogbereitschaft und stellten die gemeinsamen Erfolge der vergangenen Monate heraus.
Zu Beginn der Anhörung durfte jeder Sachverständige ein einführendes Statement von fünf Minuten halten. Ein Traum, hätte sich doch jeder an diese Zeitvorgabe gehalten. Aber egal, der sonnige Nachmittag war ja eh schon fest verplant.
Wie bereits erwähnt boten die Statements keine wirklich neuen Erkenntnisse und untermauerten vielmehr die Standpunkte der jeweiligen Fraktionen. DFL und DFB, die gemeinsam präsentierten und daher offiziell 10 Minuten zur Verfügung hatten, stellten die Verbesserung der Stadionsicherheit seit Einführung des Sicherheitskonzeptes dar und sprachen über eventuelle weitere Schritte sowie gesellschaftliche Projekte als Präventivmaßnahmen. Die Vereins- und Fanvertreter dagegen unterstrichen die herausragende Sicherheitsstruktur deutscher Fußballspiele, die bereits vor Verabschiedung des Sicherheitspapieres existierte, mahnten aber gleichzeitig fehlende Dialogbereitschaft von Seiten der Polizei an und kritisierten anhand aktueller Beispiele (Schalke – PAOK, HSV – Bayern) überzogenes Polizei-Einschreiten.
Positiv erwähnt werden sollte an dieser Stelle das allgemeine Lob von Verbands- und sogar von Polizeiseite für die damals landesweite Protestaktion 12:12. Tatsächlich klangen diese Äußerungen nicht nach hohlen Phrasen, denn in den Worten der Anwesenden schwangen Bewunderung und Respekt für die Aktion mit.
Was die Polizeisachverständigen im Anschluss zu sagen hatten, kann sich sicherlich jeder denken. Phrasen à la „Die bösen Fußballfans wollen ja gar nicht mit uns reden“ oder „Wir sind ja eh immer nur die Bösen“ waren da noch einigermaßen ertragbar. Der König, nein der Kaiser der Sprüche, Rainer Wendt, schoss aber mal wieder den Vogel ab. Als er durch den Vorsitzenden Wolfgang Bosbach angekündigt wurde und Zeit für sein Eröffnungs-Statement erhielt, ging zunächst ein Raunen durch den Saal, so als ob sich ein jeder freute, den neuerlich wunderlichen Worten einer Witzfigur lauschen zu dürfen. Und schon nach wenigen Minuten folgte prompt die Bestätigung dessen. Wendt, so richtig in Fahrt, was seine Ausführungen anging, lieferte Helene Fischer eine neue Ohrwurm-Textzeile: „Die Kommunikationsbereitschaft der Polizei ist grenzenlos!“ Das hatte gesessen. Nur glauben wollte es ihm keiner. Von einem seiner Vorredner wurde erneut die Forderung der Polizei, Vereine an Einsatzkosten zu beteiligen, stark kritisiert. Das konnte der Rainer W. natürlich nicht so auf sich sitzen lassen. Deswegen behauptete er entschieden, dass so etwas weder von ihm noch auf Gewerkschaftsversammlungen der Polizei je gefordert worden sei. Man solle sich doch vorher besser informieren, bevor derartige Falschaussagen getroffen würden.
Der Vorsitzende des Innenausschusses Wolfgang Bosbach nahm sich diesen Rat direkt zu Herzen und tippte auf seinem Smartphone herum. Dann schaltete er sein Mirko ein und las an Rainer Wendt gerichtet vor, dass die Forderung an Beteiligung von Polizeikosten sehr wohl von ihm nach außen getragen wurde. Bam! In your face! Aber Wendt wäre nicht der Wendt, wenn er sich nicht zu verteidigen wüsste, deshalb relativierte er sofort. Er habe damit nicht die Vereine in die Pflicht ziehen wollen, denn davon sei nie die Rede gewesen, vielmehr habe sich seine Forderung auf DFB und DFL bezogen. Ja klar, denn die Vereine der Bundesliga haben ja so rein gar nichts mit diesen Verbänden zu tun! Der Rainer!
Leider verließ er die Veranstaltung nach knapp 90 Minuten und so war dann auch irgendwie der Schwung und Witz raus. Im Anschluss wurde die Runde für Fragen der anwesenden Politiker aller Fraktionen geöffnet. Aber spätestens nachdem Barbara Woltmann von der CDU ernsthaft fragte, warum denn Pyrotechnik noch nicht verboten beziehungsweise ein Verbot in Planung sei, schaltete ich ab und ließ den Rest der Zeit über mich ergehen.
Eine Sache stieß mir jedoch noch bitter auf, denn Daniel Nowara sprach in diesem Zusammenhang des Themas Pyrotechnik die im Sande verlaufenen Gespräche von Fans und DFB/DFL an. Er forderte – wie ich finde zu Recht –, dass zumindest noch ein abschließendes Gespräch stattfinden sollte, denn wie sich die Verbandsvertreter damals, nachdem sie Hoffnung geschürt hatten, aus dem Staub machten, wäre das wohl das mindeste. Doch Andreas Rettig reagierte auf diese Aussage kurz und knapp, in dem er folgendes sagte: „Es wird keine Gespräche mehr geben!“ Unter der Führung von Andreas Rettig bestand zu Beginn ja Hoffnung auf Besserung, und teilweise hat sich der Dialog oder zumindest die Bereitschaft zu selbigem ja auch schon verbessert, aber diese Ansage und der Fall RB Leipzig dämpfen die vielleicht zu großen Erwartungen dann doch wieder erheblich.
Nach der Veranstaltung wechselte ich noch kurz einige Worte mit dem Borussen Daniel Nowara und versuchte auch dank seiner Aussagen und persönlichen Eindrücke ein Fazit der Veranstaltung zu ziehen.
Meiner Meinung nach wurde wieder einmal viel aneinander vorbeigeredet. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik jedoch die Bereitschaft zur Kooperation erkennt und bei den nächsten Verfehlungen nicht willkürlich Beschlüsse befasst, sondern zuerst Verbände und Fanvertreter zu Wort kommen lässt.
Daniel Nowara sieht das ähnlich: „Nachdem wir Fans zu Beginn des Sicherheitskonzeptes von der Politik ignoriert wurden, ist es positiv zu sehen, dass man uns nun als Sachverständige einlädt. Es zeigt auch, dass alle Beteiligten gewillt sind, mehr gemeinsam zu tun. Ob und wie genau ein aufeinander zugehen aussehen kann, werden die nächsten Monate zeigen. DFB/DFL haben ja schon auf dem Fankongress gezeigt, dass sie uns ernst nehmen und auch gemerkt haben, dass sich Fans eben nicht nur auf Pyro, Gewalt und Rassismus reduzieren lassen.“
Tim, 22.05.2014