Unsa Senf

Keep calm and carry on

22.10.2014, 09:09 Uhr von:  Redaktion

Es gibt tatsächlich etwas, was noch nerviger ist als eine Niederlagenserie, und das sind die Reaktionen unter uns Fans. Plötzlich ist alles ganz schrecklich, alles wird nie wieder gut und überhaupt gehört alles hinterfragt und umgekrempelt: Spielweise, Philosophie, medizinische Abteilung, Transferpolitik, Trainer, Platzwart, Facilty Management. Anstrengend, diese Hysterie!

Klar, im Misserfolg ist ja immer alles irgendwie schalke. Aber sollte man nach ein paar Niederlagen ernsthaft alles in Frage stellen, was in den letzten Jahren gar nicht mal so schlecht funktioniert hat. Und sollte man nicht zuerst mal auf die Fakten gucken. Auf das, was uns im Moment so alles Probleme bereitet?

Da wären schon mal die Neuzugänge. Für gewöhnlich brauchen die bei uns immer etwas Eingewöhnungszeit, weil wir anscheinend doch anders spielen und anderes erwarten, als das bei vielen anderen Vereinen der Fall ist. Das war bei Robert Lewandowski so, das war bei Ilkay Gündogan so, das war sogar bei Marco Reus ein bisschen der Fall. Und das war in einer intakten Mannschaft auch nie ein Problem, Spielern diese Zeit zu geben. Blöd ist es halt erst jetzt, wo man das volle Potential von Ginter, Kagawa, Ramos und Immobile besser schon heute nutzen könnte.

Da wären zudem die Herren Hummels, Piszczek, Schmelzer, Subotic, Bender, Blaszczykowski, Gündogan, Kehl, Reus, mit Einschränkungen Sahin und mit noch etwas mehr Einschränkungen Ji. Alle sind seit Beginn der letzten Saison entweder häufig oder schwer verletzt gewesen. Das sind zehn oder elf Spieler, die über Monate ausgefallen sind und keinen Rhythmus haben.

Total unpopulär, der Hinweis, natürlich. Wir alle haben uns in der vergangenen Saison ja einen Ast gefreut, wie der BVB trotz all dieser Probleme noch auf Platz 2 gekommen ist, in der Champions League gegen Real brillierte und beinahe noch den DFB-Pokal erringen konnte. Wer von uns wollte da schon wahr haben, dass die Rechnung dafür eventuell noch kommt? Weil eben die einen noch keinen Rhythmus haben und dafür andere keine Pause bekommen haben? Weil man manche Dinge vielleicht eine Zeit lang mit Willenskraft kompensieren kann, aber irgendwann doch Tribut gezollt werden muss.

Da wäre außerdem noch Mats Hummels, der zusätzlich die komplette WM wettkampfmäßig auf Höchstniveau durchgespielt hat und mitsamt Erik Durm, Kevin Großkreutz, Matthias Ginter und Roman Weidenfeller einen relativ kurzen Urlaub und kaum Saisonvorbereitungszeit hatte.

Das sind alles Punkte, denen man Einzeln begegnen und sie kompensieren könnte. Wenn sie - wie aktuell - aber geballt auftreten, sind sie ein kaum zu bewältigendes Problem. Oder sollte der Verein dauerhaft für die Eventualität "Zehn Schwerverletzte und Deutschland Weltmeister" aufgestellt werden? Zu welchem Preis?

Es ist total unschön, weil es auch keine kurzfristige Wunderheilung verspricht. In den nächsten Wochen wird vielleicht noch der eine zurückkehren (Sahin) und der andere an Form zulegen (Gündogan), aber bis zur Winterpause dürfte sich an der grundsätzlichen Form der Mannschaft nicht viel ändern, zumal der eng getaktete Spielplan gar nicht mehr zulässt als eine leidliche Belastungsdosierung, ohne allzu individuell an einzelnen Spielern arbeiten zu können.
Tatsächlich hilft im Moment also nur: Zähne zusammenbeißen und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Lediglich zwei Punkte versprechen Aussicht auf eine kurzfristige Besserung.

Da ist zum einen das Thema Motivation. Offenbar geht die Mannschaft Champions-League-Spiele anders an als Bundesliga-Partien. Das lassen zumindest die zwei gegentorlosen bisherigen Partien vermuten, die uns in der Liga bislang noch nicht geglückt sind. Hier gilt es den bewussten oder unbewussten Fokus dringend neu zu justieren und endlich auch Gegner der Kategorie Stuttgart und Köln wieder mit 100%igem Engagement zu bespielen.

Und da sind die dusseligen Fehler. Die resultieren zwar vermutlich direkt aus Motivation und Formschwäche, sind mit etwas Glück aber am einfachsten abzuschalten. Seien wir mal ehrlich: Die Kölner wussten am Samstagabend gar nicht, wie sie dieses Spiel gewonnen haben – und damit waren sie in der noch jungen Spielzeit beileibe nicht die einzigen. Ganz so leicht muss man es dem Gegner aber tatsächlich nicht machen und das eine oder andere Gegentor weniger wäre ja schon mal ein Anfang.

Trotzdem brauchen wir momentan vor allem Zeit – und Ruhe. In der Geschichte des deutschen Fußballs ist noch nie derjenige Verein erfolgreich gewesen, der am hektischsten und aufgeregtesten agiert und seine Philosophie am häufigsten über den Haufen geworfen hat. Und auch wenn wir uns zuletzt oft als Avantgarde des europäischen Fußballs selbst gefallen haben, gibt es wenig Anlass zu glauben, dass wir die ersten sein könnten, bei denen das Erfolg verspricht.

Deshalb wollen wir mal hoffen, dass sich die Geschäftsstelle noch nicht in den aufgeschreckten Hühnerhaufen verwandelt hat, den wir Fans gerade darstellen. Und dass wir selbst vielleicht auch mal wieder etwas zur Ruhe kommen. Acht Spieltag: Noch ist gar nichts Schlimmes passiert!

Arne, 22.10.2014

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