Im Gespräch mit...

...Gregor Schnittker - Parole: „Alles für den Franz!“

18.02.2014, 21:56 Uhr von:  Redaktion
...Gregor Schnittker - Parole: „Alles für den Franz!“
Gregor Schnittker im Gespräch mit Edeltraud und Gerhard Busse
© Fotos: Gregor Schnittker

Vier Monate nach Ende der Finanzierungsphase für das Projekt "Am Borsigplatz geboren - Franz Jacobi und die Wiege des BVB" sprechen wir mit Filmcrew-Mitglied Gregor Schnittker über den Stand der Recherchen und wie der Film langsam Gestalt annimmt.

schwatzgelb.de: Wir haben zuletzt beim Abschluss der Finanzierung gesprochen. Seither sind knapp vier Monate vergangen. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?

Gregor Schnittker: Nach der Finanzierungsphase ging es ja nahtlos über in die Recherche, direkt nach unserem legendären „Tanz für Franz“, den Ihr mit schwatzgelb.de ja netterweise für uns organisiert habt. Marc, Janni und ich haben uns dann zusammengesetzt und die nächsten Schritte geplant. Wir Drei arbeiten ja komplett auf Augenhöhe, haben aber im Gesamtprojekt unterschiedliche Schwerpunkte. Die Recherche ist dabei tendenziell eher mein Kerngeschäft. Ich hatte mir also schon zuvor Gedanken gemacht und ein Team zusammengestellt. Das waren Leute, allesamt bis ins Herz schwarzgelb, von denen ich annahm, dass sie uns helfen könnten. Zum Glück haben alle sofort zugesagt und wir konnten die Arbeit, also die Recherchefragen, aufteilen. Seitdem sind wir alle im Grunde permanent und neben unseren Alltagsjobs damit beschäftigt, die Gründungsgeschichte noch einmal durchzurecherchieren.

schwatzgelb.de: Wie muss man sich denn so eine Recherche vorstellen? Zeitzeugen sind ja eher rar.

Gregor Schnittker: Ja. Ärgerlicherweise. Könnten wir Franz Jacobi selbst fragen, Heinrich Unger, Franz Risse oder einen der anderen Ur-Borussen, was an jenem 19.12.1909 im Wildschütz los war, dann wäre die Sache einfacher. Aber so ist sie eben spannender. Wir sprechen also mit den wenigen noch lebenden Kindern der Gründer. Wir kontaktieren Enkel und Ur-Enkel, führen Interviews, blättern in Familienalben und durchforsten Archive. Zu unserem Team gehört dabei ein echter Großmeister der Archiv-Recherche, der jeden Gründer und andere frühe Borussen in ihren Biografien durchleuchtet. So können wir uns diesen Personen emotional besser nähern, ihre Leben besser begreifen, ihre Motive zu handeln. Dabei lernen wir gerade auch den berühmten Kaplan Dewald noch deutlich besser kennen und verstehen ihn in seiner Ablehnung von Fußball. Das alles ist aber unendlich viel Arbeit und es gibt Tage voller Erkenntnisse und Du hast anschließend trotzdem oft mehr weitere Fragen, als endgültige Antworten. Aber so konnten wir zum Beispiel auch in Hannover die 86-jährige Tochter von Robert Unger finden. Als ich bei ihr anrief, war ihr sofort klar, warum wir uns für ihren Vater interessieren und dass er in Dortmund ein wichtiger Mann ist. Sie hatte allerdings nicht mehr damit gerechnet, dass noch mal jemand kommt und nach ihm fragt. Umso herzlicher war aber auch der Termin. In der Art gab es einige spannende Begegnungen. Allerdings ist gerade zuletzt auch wieder eine Gründertochter gestorben. Zum Glück hatte ich im letzten Sommer noch ein Gespräch mit ihr. Aber wir kommen eben nicht zu früh mit unserem Film.

schwatzgelb.de: Wer unterstützt Euch denn bei der Recherche?

Gregor Schnittker: Von unserem Archivexperten erzählte ich, ansonsten ist mit Gerd Kolbe ein lebendes BVB-Lexikon im Team, von dem ich hier gar nicht genug schwärmen kann. Ähnliches gilt für Annette Kritzler von den Borsigplatz-Verführungen, die allein deshalb wichtig ist, weil der Film ja nicht nur die Vereinsgründung nacherzählt, sondern auch ein gutes Stück Stadtgeschichte. Annette kennt den Borsigplatz bis ins kleinste Detail, weiß zu berichten über den aktuellen, aber auch den historischen Borsigplatz. Daneben gibt es in unserer elfköpfigen Mannschaft auch zwei echte Historiker, die in ihrer professionellen Herangehensweise auch total wichtig sind. Wir sind insgesamt ein bunter Haufen quer durch die Fanszene und es gibt ein kleines Honorar, denn auch dafür hatten wir per Crowdfunding ja gesammelt. Was mich aktuell am meisten freut, ist die Zusammenarbeit untereinander. Hier lässt es sich wirklich von einem kleinen Recherche-Netzwerk sprechen und unsere Gruppe hat einen guten Spirit. Parole: „Alles für den Franz!“.

Jan-Henrik Gruszecki bei der Recherche im Gespräch mit Pere Meyer im alten Spiegelsaal
© Fotos: Gregor Schnittker

schwatzgelb.de: Habt Ihr denn schon Neues und Spannendes herausgefunden? Verratet Ihr uns was?

Gregor Schnittker: Ja, es gibt schon ein paar Aspekte, die über das bisherige Wissen hinausgehen. Das ist dann aber tatsächlich Bestandteil des Filmes. Ich verrate Euch aber trotzdem schon mal eine kleine Recherche-Perle, die irgendwie durchaus erhellend ist. Während heute permanent das Verhalten von Fans rauf und runter diskutiert wird, ist der Blick in ein historisches BVB-Vereinsprotokoll spannend. Wir haben zum Glück einige frühe Aufzeichnungen der damals wöchentlichen Sitzungen. Da steht am 05.02.1921: „Unter Verschiedenes tadelt Herr Wiesemann die Kleidung verschiedener jugendlicher Personen, die bei auswärtigen Spielen unserer 1. Elf als Zuschauer mitfahren und bittet die Mitglieder, darauf zu achten, dass diese Leute von uns ferngehalten werden.“ Fans und ihr Auftreten sind also kein Thema der Neuzeit.

schwatzgelb.de: Gab es irgendwas, was Euch total überrascht oder gefreut hat? Wie erlebt Ihr die Recherche?

Gregor Schnittker: Überraschenderweise gibt es aktuell noch wenige Bilder aus dem Wildschütz und vom Spiegelsaal darüber, der übrigens wahrscheinlich gar keine Spiegel hatte. Deshalb möchten wir an alle Leser hier appellieren und darum bitten, einmal kurz nachzudenken, ob es in der eigenen Familie oder bei Bekannten oder sonst wo noch Material der frühen Vereinsjahre geben könnte. Das muss nicht unbedingt mit dem BVB zusammenhängen. Das kann auch eine Kneipe in der Stadt sein oder eine Karnevalsveranstaltung aus dem Jahre 1910 oder ein Portrait einer Großfamilie in der Nordstadt um 1915. Alles, was in Dortmund zwischen 1880 und 1925 fotografiert wurde, ist für uns grundsätzlich interessant. Und irgendwo müssen doch auch noch Fotos vom Spiegelsaal sein. Immerhin fanden dort im ersten Geschoss, bei Gastwirt Heinrich Trott, alle denkbaren Feste statt und insofern waren da mit Sicherheit auch oft Fotografen unterwegs. Oder jemand hat noch eine alte Postkarte von der Weißen Wiese. Es muss solche Bilder geben, die Frage ist wo. Und wenn Du fragst, wie die Recherche im Allgemeinen läuft, dann liegt die Antwort irgendwo zwischen Euphorie, Wahnsinn und wenig Schlaf. Der Druck ist schon extrem und den machen wir uns auch selbst, damit da am Ende auch was Vorzeigbares entstanden ist.

schwatzgelb.de: Wie lange dauert die Recherche denn noch und was kommt dann? Wann starten die echten Dreharbeiten?

Gregor Schnittker: Mit Ende des Winters wollten wir fertig sein mit der Recherche. Aber erstens gibt es ja gar keinen Winter und zweitens ist einfach auch noch zu viel zu tun, um jetzt schon ein Ende zu setzen. Wir haben ja alle noch eine normale Arbeit und die Recherchen kosten Zeit. Also werden wir noch einige Wochen brauchen, aber nicht mehr einige Monate. Wir sind gut dabei, aber der Weg ist auch noch lang, weil immer wieder weitere Fragen auftauchen. Und es gilt auch noch Termine abzuarbeiten, die früher nicht zu realisieren waren. Anfang April etwa werde ich mit einem Nachkommen von Familie Herzog nach Hamburg fahren. Dort sollen noch uralte Unterlagen liegen. Und die Kneipe "Haus Herzog" am Borsigplatz war neben dem Wildschütz nicht ganz unwichtig für die Vereinsgeschichte des BVB.

schwatzgelb.de: Habt Ihr denn schon neue Idee, in welche Richtung der Film geht? Eher ein Spielfilm oder doch eher Guido-Knopp-Stil mit kommentierten historischen Bildern?

Recherchebesprechung
© Fotos: Gregor Schnittker
Gregor Schnittker: Ganz klar eher Letzteres. Da es aus der Zeit um 1909 keine uns bislang bekannten bewegten Bilder vom Borsigplatz gibt, werden wir viel mit Fotos arbeiten. Daher auch meine Bitte gerade an alle Dortmunder, noch einmal die Fotokiste von der Oma zu durchstöbern. Solche Bilder lassen sich aber auch animieren, sodass es über die Anmutung einer Dia-Show schon hinausgehen wird. Einzelne Elemente der Entstehungsgeschichte werden wir auch in selbstgedrehten Bilder nachstellen. Mit Spielfilm hat das dann aber eher weniger zu tun und auch größere Schauspielkünste werden wir uns nicht erlauben können. Die Fanszene und alle beteiligten Unterstützer haben uns die finanziellen Möglichkeiten eröffnet für eine richtig gute Doku. Die wollen wir machen. Das ist unser Anspruch und vielleicht auch, dass jeder, der die DVD gesehen hat, am Ende glücklich ist, ein kleiner Teil dieses Vereins und seiner Geschichte zu sein.

schwatzgelb.de: Dürfen wir uns denn auf viele Bilder aus dem historischen Dortmund freuen?


Gregor Schnittker: Ja, ich glaube schon. Gerade vom Borsigplatz haben wir tolle Postkarten und da hilft uns ja auch die Unterstützung des Stadtarchivs. Aber mir wäre natürlich wohler, wenn, auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt wiederhole, noch mehr Fotos aus den privaten Archiven dazu kämen. Wann, wenn nicht jetzt lohnt es sich, den alten Fotokoffer auszukippen. Wer was hat oder weiß, melde sich bitte unter info@franz-jacobi.de. Uns interessieren im Grunde alle historischen Materialien, und da wir keine Sammler sind, sondern Journalisten, geht es uns nicht um Besitz, sondern Verwertung. Da muss niemand Ur-Opas Pöhler-Trikot mit dem dicken B auf der Brust verschenken.

schwatzgelb.de: Ihr habt ja eine Animationsfirma mit im Boot. Werden wir also die Weiße Wiese im Film wiederaufstehen sehen?

Gregor Schnittker: Also eine echte Wiederauferstehung wäre es ja, wenn sich jemand bereit erklärt, das Stockheidebad woanders neu aufzubauen und die Brackeler Straße unter die Erde zu legen. Dann könnten wir genau dort, wo unsere Pioniere aktiv waren, die Weiße Wiese auferstehen lassen. Möglich wäre das, denn durch die Recherchen haben wir inzwischen ziemlich klar vor Augen, wo damals die Tore standen und wo der Anstoßpunkt lag. Realistisch betrachtet können wir aber mit unseren bisherigen Erkenntnisse - und auch darum hatte sich ein Rechercheur gekümmert - die Computerkünstler instruieren, die dann den Sportplatz zumindest als Animation nachbauen. Ich freue mich darauf total und vielleicht reicht das Geld ja auch noch für weitere Rekonstruktionen dieser Art. Wir werden am Ende der Recherche beim Erstellen des Storyboards genau überlegen, wie wir das, was wir jetzt wissen, bebildern können. Irgendwas wird uns zu all dem einfallen und es wird gut aussehen. Es wird klappen. Ich bin da inzwischen echt optimistisch.

Vielen Dank für das Gespräch, Gregor!

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