Olivenpestoparmesanraviolilasagnepizzadings
Es ist so ein Montag – nicht vollkommen abweichend von anderen seiner Art, so zwischen Sonntag und Dienstag liegend – an dem ich nicht weiß, was es zum Abendessen geben wird. Ich bin unentschlossen. Nervös schlürfe ich schon seit einigen Minuten in meinen Badelatschen durch die Wohnung. Draußen schneit es nicht, darauf kann ich aufbauen. Brot und Leberwurst? Aufgewärmter Sonntagsbraten? Ich kann mir nicht helfen, aber die Optionen wirken altbacken, so 1998. Zwischendurch suche ich Ablenkung. Fernseher an, Fernseher aus. Samstag ist auch Montag trotz Sonntag nicht vom Tisch. In den sozialen Medien ist eh immer Mittwoch und so kann ich mich überhaupt nicht konzentrieren. Temporäre Unterhaltung ist jedoch in Sicht – einmalteduerr, E-Promi (Stiftung Warentest, Novemberausgabe) nahm, wie immer fundiert kritisch, die „Blut-ist-dicker-als-Wasser“-Situation im Hause Götze unter die Lupe. Ein Gaumenschmaus. Vielleicht ja doch wieder Erbseneintopf? Ich weiß nicht, das ist so JHV. Lieber nicht, Erbsen am Abend…
Mittlerweile sitze ich am spärlich gedeckten Tisch, eine Tiefkühlbilligpizza auf dem Teller vor mir – belegt mit so wenig Käse, dass der Teig auch nach dem Warmmachen noch friert. Der Fernseher ist mal wieder an, im Hintergrund läuft eine dieser inflationären Pressekonferenzen. Ich reiße mir, mit fast animalisch roher Gewalt, ein weiteres Stück Pizza ab. Schmeckt scheiße! Draußen ist es dunkel und sowieso ist alles blöd. Und ich habe immer noch Hunger. Das Ende der Pressekonferenz. Dieser verdammte Hunger. Klopp tritt aus dem Bildausschnitt. Klopp? Plötzlich wird mir alles klar. Die Pizza, der bärtige Übungsleiter, Samstagabend, die Südtribüne und der noch lange nicht verhallte Stolz auf ein Spiel, dessen Ausgang spätestens nach Schlusspfiff zweitrangig war, konnte man doch minutenlang der gelben Wand lauschen und ihrer Liebesbekundung für unseren Ballspielverein. Die Saison ist also doch noch nicht vorbei. Es geht weiter. Die Ziele bleiben dieselben. Und da von der Meisterschaft offiziell ohnehin nie die Rede war, wird sich daran auf kurz oder lang nicht viel ändern. Eine andere Geschichte dagegen, würden wir alle gern weiterhin am Leben halten – denn die überragenden Erlebnisse aus der letzten Spielzeit sind noch so präsent in unseren Erinnerungen.
Unter Flutlicht geht es am Dienstagabend also im Westfalenstadion gegen den SSC Neapel. Hat mir die Pizza deswegen nicht geschmeckt. Hätte ich einer Art Boykott gegen italienisches Essen folgen sollen, so wie es 2006 die eingefleischtesten der eingefleischten N11-Fans nach dem verlorenen Halbfinale gegen Italien vorhatten? Nach reiflicher Überlegung habe ich mich dann aber doch dagegen entschieden. Es lag wohl eher an der Qualität der Pizza, die nicht in Bestbesetzung belegt wurde. Aber ehe ich jetzt auch noch Lasagne und Co. ins Vorgeplänkel hineinziehe, betrachte ich besser mal sachlich nüchtern die Fakten der Partie.
Ein Endspiel ums Erreichen des Achtelfinales der Champions League? Ja. Ein Endspiel um die Überwinterung im internationalen Geschäft? Nein. Die Euro-League ist bereits so gut wie sicher erreicht. Ein Punktverlust gegen Neapel führt allerdings fast mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit genau dahin. Die Gruppenkonstellation ist nicht so ganz leicht überschaubar, zugegeben. Aber klar ist, dass nur ein Sieg die Hoffnungen bis zum letzten Spiel nach Marseille trägt – und möglichst auch noch mit zwei Toren Unterschied. Arsenal wird in der parallel zu unserem Spiel stattfindenden Begegnung mit den Südfranzosen die Punkte bestimmt in London lassen und damit dem Achtelfinale sehr nahe kommen.
Neapel dagegen würde ein Unentschieden zumindest reichen, um im abschließenden Heimspiel gegen die Gunners das Heft des Handelns komplett in den eigenen Händen zu halten. Alles irgendwie kompliziert – das ist mir auch immer zu dumm, wenn es um Fußball geht noch den Taschenrechner entstauben zu müssen – und doch so einfach. Europapokalatmosphäre und eine schwarzgelbe Truppe, die nur knappe 70 Stunden nach einer kämpferisch beeindruckenden Leistung wieder alles raushauen wird, was in ihr steckt. Das wird von den Rängen auch erwartet, die im Gegenzug, nur knappe 70 Stunden nach einer lautstarken Leistung, mit vielleicht noch etwas heiseren Kehlen ihrerseits wieder alles raushauen müssen. Für das gemeinsame Ziel „Europapokal im Frühjahr“ mit einem amtierenden Champions League Finalisten, dessen internationale Entwicklung noch lange nicht am Ende ist.
Bis auf Neuzugang Friedrich, der international noch nicht spielberechtigt ist, wird es personell wohl keine großartigen Veränderungen in der Startelf geben. Den angesprochenen könnte der genese Kapitän Sebastian Kehl ersetzen, auch ein Wechsel Aubameyang für Kuba wäre denkbar. Wichtig wird sein, in den ersten Minuten kompakt zu stehen, und sich vor allem im neu formierten Defensivverbund auch internationales Selbstvertrauen zu holen. Das Hinspiel in Italien hat gezeigt, wie gefährlich die Einzelspieler, allen voran Higuaín, des SSC sein können. Eine Gefahr ist allerdings dank familiärer Unstimmigkeiten bereits gebannt, denn Topvorbereiter Hamsik fällt nach Foul seines Schwagers (vielleicht hatte er sich von Hamsiks Schwester mehr versprochen) verletzt aus.
Der Druck liegt sicherlich bei der Borussia, aber der Respekt vor einem großen Gegner beim SSC Neapel. Spaghetti Napoli, lauwarm aus der Mikrowelle, damit wäre mein Hunger erst einmal gestillt…
25.11.2013, AmazingGrazing